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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

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Zeitler, Julius: Die Leipziger Akademie für Graphik und Buchgewerbe: zum 150 jährigen Bestehen 1764-1914
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0115

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Oeser wurde von seinen Zeitgenossen als den
größten Meistern ebenbürtig geschätzt, man stellte
ihn in unmittelbare Nachbarschaft von Mengs,
Correggio u. a,, immerhin blieben seine Schwächen
nicht unerkannt, das Andeutende, »Nebulistische«,
findet Goethe zu tadeln; Chodowiecki erkennt
an ihm den Mangel an genauem Naturstudium;
»in seinen Köpfen ist großer Sinn«, schreibt er
1789, »aber keine Physiognomie«, in seinen Fi-
guren ist »eine Idee von schöner Natur«, aber
ohne alle Präzision. Diesen Schwächen, die bei
allzu großer Entfernung von der Natur in einer
gewissen Weichlichkeit und Süßlichkeit gipfeln
mögen, stehen aber ungemeine Vorzüge gegenüber,
ein sicherer und gefesteter Kunstgeschmack, ein
ganz aus der Kunst der Alten hervorgegangenes
Stilgefühl; niemand ist dem Rokokoschnörkel-
wesen so heftig feind gewesen wie Oeser, nie-
mand verkörperte so wie er nachdrücklich das
klassizistische Ideal.
Über die Unterrichtsart, deren sich Oeser auf
der Akademie bediente, hat er sich Hagedorn
gegenüber selbst ausgesprochen. Um seinen
Schülern »durch sichere Beispiele den richtigen
Geschmack fühlbar zu machen«, hielt er »nach
anderen Meistern als Lektionsblätter gemachte
Handzeichnungen viel besser als Kupferstiche,
mit welchen sonsten der Anfang in der Akademie
zu geschehen pflegt, in welchen der gute Grab-
stichel die sorglosen Schüler zu sehr blendet«. So dient ihm etwa ein Blatt nach Carpioni »als ein Bei-
spiel des Einfachen oder Sanften, welches in der Kunst so selten anzutreffen«. Jungen Leuten, »mit denen

Fachschule, Graph. Abteilung

Illustration

sich plaudern und raisonnieren läßt«

Fachschule, Graph. Abteilung

legt er ein Blatt von Tintoretto vor; Anfänger stellte er vor Bataillen,
»damit sie Mut und mehr Herz bekommen sollen«.
So verfuhr Oeser nicht eigentlich produktiv, um
so größere Erfolge erzielte er als Anreger, sowie
als Kunsterzieher und als Bildner des Geschmacks.
Mit seiner weltklugen Art, mit seiner geistigen
Gewandtheit brachte er seine Schüler zu einem
Nachdenken, das förderlicher war als ein un-
mittelbares Korrigieren; er rügte nicht direkt, sagt
Goethe, er deutetete vielmehr Lob und Tadel in-
direkt sehr lakonisch an. Wenn ein Lob selten
war, so geschah Tadel doch mit aller Sanftmut
und Milde. Am wenigsten wird man sich mit
der Lehrmethode der Lektionsblätter befreunden
können, um so eifriger war er bemüht, die Bil-
dung seiner Schüler durch theoretische Unter-
haltungen zu fördern; von Goethe wissen wir, wie
besonders Winckelmanns Theorien im Mittelpunkt
dieser Kunstbetrachtungen standen.
Es ist kein Zweifel, daß die große persön-
liche Anziehungskraft, die Oeser besaß, der Aka-
demie zugute kam; schon im Herbst 1764 konnte
Hagedorn dem Prinzen Xaver berichten: »In
Leipzig hat der Director Oeser den größten Zu-
lauf . . . Fast alle Handwerker, deren Gegenstand
in die Zeichenkunst einschlägt, verlangen Unter-
richt bei Oeser.« Im Herbst 1766 erweitert Hage-
dorn sein Lob: »Es hat der Prof. Oeser die Aca-
demie in wenigen Jahren so weit gebracht und
sogar auf Übungen in der Bildhauerey und

Radierung

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