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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

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Zeitler, Julius: Die Leipziger Akademie für Graphik und Buchgewerbe: zum 150 jährigen Bestehen 1764-1914
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0119

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Fachschule, Gewerbl. Abteilung

Schriftsatz

sprochene Qeschichtsmaler, sie waren allen anderen, besonders
den auf das Praktische gerichteten Kunstbestrebungen gegenüber
so gut wie blind, sie waren den neuen und veränderten Auf-
gaben der Anstalt nicht gewachsen. Unter Oeser und Schnorr
war ein gediegener Zeichenunterricht stets im Mittelpunkt der
Lehrtätigkeit gestanden; Ölmalen, Modellieren u. a. waren nur
ergänzende, nur Hilfsfächer, denn darin war Dresden unendlich
besser gestellt, und es war ausgeschlossen, daß die Leipziger
Akademie hier konkurrieren konnte. Darin versagte Jäger; er
verkannte die Zeichen der Zeit, der Aufschwung der graphi-
schen Künste blieb unbemerkt, die Akademie versank langsam
in ein unfruchtbares und kraftloses Dasein. Von 1858 bis 1869
war neben Jäger nur noch ein Lehrer tätig, und als dieser starb,
fand sich nur ein älterer Schüler, um für ihn einzuspringen.
1868 beschäftigte sich der Landtag schon mit einem Antrag,
die Leipziger Akademie aufzuheben. Die Schülerzahl war bis
zum Tode Jägers bis auf 27 gesunken.
Aber die Landesregierung war wachsam geblieben, die Ver-
hältnislosigkeit der Akademie zu dem allgemein einsetzenden
gewerblichen Aufschwung drängte sich ihr auf, und sie leitete
eine Umgestaltung der Akademie in die Wege. Die Berufung
Ludwig Niepers (1871—-1900) bedeutete den Anbruch einer
neuen Epoche. Unter ihm erfolgte die erste Reorganisation der
Akademie, Nieper war es, der sie mehr in der Richtung einer
Kunstgewerbeschule umwandelte, der den Unterrichtsbetrieb auf
einen Boden verpflanzte, wo er erst rechte Früchte zu tragen
vermochte. Es wurde ein ständiger künstlerischer und tech-
nischer Unterricht für Kupferstich, Holzschnitt und Lithographie
eingeführt, Hilfswissenschaften, wie Anatomie und Kunstge-
schichte, wurden den Schülern nutzbar gemacht; die graphischen Lehrgänge wurden ausgebaut, ganz
entsprechend dem Hauptsatz des von Nieper aufgestellten Programms: »Es ist an keinem anderen Orte als
Leipzig die Aufgabe: die Ausbildung der vervielfältigenden Kunstgattungen in so ausschließlicher Weise ge-
boten.« So begann sich die Verknüpfung der Kunst mit dem Gewerbe wiederherzustellen und bis 1878
stieg die Schülerzahl auf 205. Die Akademie, die unter Neher-Jäger als »Königliche Kunstakademie« bezeichnet
wurde, erhielt unter Nieper den Zusatz »und Kunstgewerbeschule« (1876); und bei der steigenden Frequenz
dehnten sich von 1876 bis 1880 die Räume auf den gesamten Nordwestflügel der Pleißenburg aus. Die
wachsende Bedeutung des Instituts machte sogar die Errichtung eines neuen Gebäudes notwendig, an der
Wächterstraße gelegen, das 1889 bezogen wurde und das heute, selbst nachdem eine mitbewohnende Behörde
und die Baugewerkschule etwas Luft gemacht, sich immer noch
als unzureichend, als zu klein erweist. Zur entscheidenden
Tat kam es, als noch unter der Direktion Niepers, im Mai 1900,
das Ministerium die Akademie mit Zustimmung des Lehrkörpers
und mit genauer Erkenntnis der speziellen Zwecke in eine solche
»für graphische Künste und Buchgewerbe« umwandelte. Aber
erst mit dem 1901 erfolgenden Rücktritt Niepers war die Mög-
lichkeit zu einer durchgreifenden Reorganisation der Akademie
gegeben; mit der Berufung des neuen Direktors, Professor
Max Seliger, die im Oktober igoi erfolgte, setzte sie ein.
Im Einverständnis mit dem deutschen Buchgewerbeverein
wurde von Max Seliger ein völlig neuer Lehrplan ausgearbeitet,
der zu Ostern 1903 in Kraft trat. Die Klassen für monumentale
Kunst, Glasmalerei und Dekorationsmalerei wurden vollständig
aufgelöst, dafür verlegte sich fortan das ganze Schwergewicht
der Schule auf die graphischen und buchgewerblichen Künste.
Es vollzog sich damit eine ganz neuzeitliche Entwicklung auf
eine Spezialisierung hin und eine ungemeine Konzentrierung,
die allein Resultate gewährleistet, die allein den höchsten ästhe-
tischen und technischen Forderungen zu entsprechen geeignet ist.
Wenn die Akademie einerseits das Erwachsen selbständiger
künstlerischer Kräfte in jedem Sinne fördert, so betrachtet sie es
andrerseits als ihre Hauptaufgabe, für die graphische und buch-

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