Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

DOI Artikel:
Schürmeyer, Walter: Keramische Arbeiten von K. Hannover, Kopenhagen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0158

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

hat, der alten heimatlichen Industrie die Möglichkeit zu
einer Weiterentwicklung zu eröffnen. Es ist ganz natürlich
— dieselbe Erscheinung findet sich bei allen derartigen
Versuchen —, daß die Künstlerin zunächst noch stark unter
dem Einfluß der alten Formen steht. Es ist fast unmög-
lich mit dem Ringen um die alte Technik gleichzeitig eine
neue moderne Form zu schaffen. Neue Fayencen können
nicht nur das Resultat eines Willensaktes sein, sie wachsen
organisch aus der Weiterentwicklung heraus.
Schon allein die rein technische Errungenschaft be-
deutet eine achtunggebietende Leistung. Erst nach vielen
Experimenten ist es Frau Hannover gelungen eine Tönung
zu erhalten, die dem Charakter der alten Fayencen durchaus
entspricht, die weder zu weiß noch zu blank, von milder, den
Vorbildern ähnlicher Wirkung ist. Als Glasur ist ebenfalls
nach den alten Mustern die technisch und künstlerisch
gleich feine und reizvolle Zinnglasur angewandt worden.
Nicht geringer einzuschätzen sind die künstlerischen
Werte. Zwar ist der plastische Schmuck dem modernen
deutschen Empfinden schwer verständlich, da wir uns im
Kunstgewerbe nach Ruhe und Einfachheit sehnen. Der Däne
dagegen freut sich an der üppigen Fülle. Es kommt noch
hinzu, daß die Zusammenstellung mehrerer dieser keramischen
Arbeiten die Wirkung des einzelnen Stückes ungünstig be-
einträchtigt. Durch die Häufung wird die Unruhe unnötig
gesteigert, während ein einzelnes Stück in stiller Umgebung
sich weit vorteilhafter präsentiert.
Die aufgelegten Früchte und Blattranken sind nur ganz
leicht stilisiert und doch fehlt ihnen vollständig jene krasse
Härte, die den Naturalismus im Kunstgewerbe oft so un-
erträglich macht. Vielleicht darf man darin das beste
Zeugnis für den guten Geschmack der Künstlerin sehen.
Und merkwürdigerweise wirken gerade die Dekorationen
der Stücke, die durch ihre farbige Tönung dem Naturvor-
bild am nächsten stehen, am sympathischsten. So fein ist
die Grazie, so ungezwungen die Bewegung, mit der ein

Früchtezweig über den Deckel einer Dose gelegt ist, daß
sie fast willkürlich anmutet und doch steckt dahinter
eine fein empfindende Natur. Die Farben sind in
zarten Nuancen ebenfalls mit äußerster Delikatesse zu-
einander abgestimmt. Grelle Farben sind ängstlich ver-
mieden. Leichte, duftige Töne, die jedoch der Leuchtkraft
nicht entbehren, sind bevorzugt. Auch sind die Farben
nur ganz sparsam verwertet. Niemals ist das ganze Gefäß
bemalt. Nur eine einzelne Ranke auf einem Geschirr ist
farbig ausgeführt, während alles übrige in dem warmen
weißen Ton belassen ist.
Immerhin befinden sich einzelne Stücke in der Aus-
stellung, die dem modernen Deutschen immer fremd bleiben
müssen, wenn er nicht mit einer historischen Brille an sie
herantritt. Dann freilich, wenn er die Fayencen, die im
18. Jahrhundert in Dänemark und in Schleswig-Holstein,
das damals noch zu Dänemark gehörte, zum Vergleich her-
anzieht, wird er den Weg auch zu ihnen finden. Wer an
die Terrine als Weißkohlkopf, bemalt in den natürlichen
Farben des Weißkohls, denkt, die 1766 aus der Manufaktur
zu Eckernförde hervorging, kann verstehen wie Frau Han-
nover dazu kam, ein Bowlengefäß ganz aus lebhaft durch-
brochenen Weinranken zu gestalten, in das zur Erfüllung
seines Zweckes ein Glasgefäß eingelassen werden mußte.
Die Keramik und die Kunstkeramik insbesondere be-
findet sich ja anderen Zweigen des Kunstgewerbes gegen-
über in der glücklicheren Lage, daß sie nicht so sehr durch
den Zweck des Gebrauches gebunden ist. Dem liebevollen
Spiel der Phantasie und der Erfindungsgabe ist ein weiterer
Spielraum gelassen.
Aber sieht man von den Extremen ab, so bleiben
doch noch viele andere Stücke, deren künstlerische Fein-
heiten ganz unverkennbar sind. Der größte Wert dürfte
jedoch in der Anregung, welche diese Arbeiten zur wei-
teren Pflege der alten Tradition zu geben vermögen, zu
suchen sein.

151

23
 
Annotationen