Mailändisches Stundenbuch, 8°, ca. 1470. Im Besitze des Hofantiquars Jacques Rosenthal in München
Szenerie ein äußerst enges. Die Stinimungsmalerei der
Musik will von der Szene begleitet und erweitert sein.
Die Kulissen dürfen nicht nur Rahmen sein, sie müssen
mit dem übrigen zur Einheit verwachsen. Es erfordert die
äußerste Leistung des Geschmacks, ein Überwiegen über
die Musik zu vermeiden. Die Musik muß die führende
Rolle behalten und es ist die Pflicht der beiden anderen
Gattungen sich ihr anzuschmiegen, ihr gewissermaßen zu
folgen bis in die subtilsten seelischen Erregungen, sie zu
unterstreichen aber nicht zu durchstreichen.
Wagner war selbst von der Größe der Aufgabe, die
er in seinem Bühnenweihfestspiel der Malerei gestellt hatte,
durchdrungen. Er war überzeugt, daß in dem szenischen
Teil nichts des deutschen Namens in einem edlen Sinne
Würdiges zu erreichen sein werde, wenn er die hierher be-
züglichen Aufgaben lediglich den Theaterdekorationsmalern
überließe. Er wollte »den geschicktesten Dekorationsmalern
von wirklichen Künstlern entworfene Skizzen vorlegen,
um sie dadurch zur Veredlung ihrer Zeichnungen anzu-
regen«. Für den »Ring« hatte er mit Böcklin Unter-
handlungen angeknüpft, die sich leider zerschlugen. Den
Auftrag, die Bayreuther Dekorationen zu Parsifal zu ent-
werfen, erhielt der Maler Joukowski und die Ausführung
das Koburger Atelier Gebr. Brückner. Das Resultat war
ein wenig erfreuliches. Diese Dekorationen bewegen sich
durchaus in den Bahnen des Naturalismus. Es fehlte dem
Künstler jedes Verständnis für die tieferen seelischen
Momente und die Symbolik des Dramas. Wagner mag
die Unzulänglichkeit nicht so sehr empfunden haben, da
er selbst in der Zeit der genrehaft naturalistischen Historien-
malerei groß geworden war und ihm der Abstand fehlte,
der uns heute von der damaligen Kunst trennt. Aus Pietät
hat auch die spätere Zeit die alte Dekoration in Bayreuth
im Wesentlichen beibehalten.
Der erste Versuch, tiefer in das Wesen der Dichtung
einzudringen, wurde 1S96 von dem Schweizer Adolf Appia
unternommen. Seine Bühnenbilder zu Parsifal erschienen
als Beilagen zu seinem geistvollen Buch »Die Musik und
die Inszenierung«. Leider sind die Originale der Entwürfe
nicht vertreten, aber auch die Photographien genügen, um
die glänzende Lösung der Dekorationsfragen zu zeigen
Die erste grundlegende Wandlung, die Appia schuf, bestand
darin, daß er die szenischen Anmerkungen nicht als Quelle
benutzte, sondern sich auf die Partitur stützte. Indem er
das Gesamtkunstwerk nicht aus dem Auge verlor, vermied
er den üblichen Fehler der älteren und auch vielfach der
neueren Theatermaler, durch Prachtentfaltung und Auf-
dringlichkeit die Aufmerksamkeit des Hörers abzulenken
und das Auge mehr als das Ohr zu fesseln. Er erkannte
ganz richtig die Aufgabe der Szene, nur Begleitmotiv zum
Stimmungsgehalt zu sein, und darum entkleidete er sie aller
Möglichkeit, durch Realismus die Mythik der Partitur zu
kreuzen. Er faßt die »Handlung« des Parsifaldramas als
eine Folge von Schaustellungen auf, die Parsifal dargeboten
werden. Dementsprechend sucht er die Wirkungen der
einzelnen Bilder auf den »reinen Toren« zu klarem typi-
schen Ausdruck zu bringen und sie gleichzeitig dem Be-
schauer, der als Stimmungsempfangender die Rohe Parsifals
übernimmt, zu vermitteln. Jede Erinnerung an die Wirk-
lichkeit mußte darum die Stärke der metaphysischen Stim-
mung schwächen. Die erste Szene des hl. Waldes bleibt
zwar eine Waldlandschaft, aber wer wollte sich dabei
irgend einer Gegend erinnern. Sie ist zu ernst, zu heilig,
um wirklich sein zu können. Und gleichzeitig leitet sie
in ihrer architektonischen Strenge zum Inneren des Grals-
tempels über, der nun auch ängstlich die Anlehnung an
die liebevolle Beschreibung der alten Schriftsteller von dem
Glanz und dem Reichtum des Tempels vermeidet, und
ganz auf die Musik Wagners zurückgeht. Klingsors Zauber-
schloß wird durch einen Teil einer riesenhaften Mauer mit
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