Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

DOI article:
Pazaurek, Gustav E.: Heutiges Württembergisches Kunstgewerbe
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0173

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
jetzt Vorstand der Textilabteilung der neuen Kunst-
gewerbeschule an den Entwürfen namentlich für
Laichingen in hervorragender Weise beteiligt. Seine
Frau, Minna Lang-Kurz (Abbildung) ist ebenfalls auf
textilem Gebiet unermüdlich tätig, teils als Beraterin
des Stuttgarter Spitzenhauses Tiefenthal und Halle,
teils als Vorsitzende des Vereins für weibliche Kleider-
reform. Während sich die Klöppelspitze an einzelnen
Orten als Hausindustrie vielversprechend einführen ließ,
sorgen andere Damen für vornehme Einzelarbeiten,
so Hermine Winkler für moderne Teppichwirkereien
(Abbildung), Laura Eberhard (Abbildung) für Stickereien,
desgleichen die hauptsächlich für kirchliche Paramente
beschäftigte Elisabeth Reischle-Tübingen, und ver-
schiedene Frauenarbeitschulen, namentlich in Stuttgart,
Reutlingen, Heilbronn, Ulm — wo u. a. Rosa Maier
reizende Glasperlarbeiten gefertigt hat—, Esslingen usw.
entwickeln einen regen Wetteifer in der sachgemäßen
Ausbildung des weiblichen Nachwuchses, für die auch
Fräulein Magdalene Schweizer in Stuttgart nach den
verschiedensten Richtungen mit bestem Erfolge seit
Jahrzehnten tätig ist.
Zum Unterschiede von der Textilkunst haben in
der Keramik die industriellen Betriebe nicht die
führende Rolle inne. Die Schorndorfer Porzellanfabrik
lebt z. B. immer noch vorwiegend vom Genre »Alt-
Ludwigsburg« und hat erst kürzlich begonnen, wenig-
stens für die Plastik einige Modelle z. B. von D. Stöcker
zu erwerben. An ideenreichen Keramikern fehlt es
zwar keineswegs, ebensowenig an Malern und Plas-
tikern, die treffliche Modelle zu schaffen bereit wären.
Aber selbst die besten Schüler des Professors Hans
von Heider (Abbildungen), dem die vorzüglich ein-
gerichtete keramische Abteilung der Kunstgewerbe-
schale anvertraut ist, wie etwa Leibbrand oder Ottmar,
die bereits ihr Können bewiesen haben, finden im Lande
noch ebensowenig Würdigung, wie etwa die Arbeiten
der talentierten Herta Kasten oder die, volkstümliche
Motive geschickt verwertenden Hafnerkeramiken von
M. Schweizer (Abbildung), so daß man sich nicht
wundern kann, wenn auch die frische Bauernkeramik
auf dem Lande z. B. von K. Freitag in Münsingen
bisher nur wenig Beachtung erzielen konnte. Auf
dem keramischen Gebiete wird eine Zusammenfassung
der besten Kräfte und ihre Beschäftigung in der
heimischen Industrie erst anzustreben sein, um die
Leistungsfähigkeit außerwürttembergischer Betriebe, die
heute fast den ganzen Bedarf des Landes decken, er-
reichen zu können. Sind ja doch selbst größere
Einzelarbeiten, wie die ausgedehnten, buntglasierten
Büsten und Reliefs von Prof. Melchior von Hugo
nicht nur in Karlsruhe oder Liegnitz, sondern auch
schon im Lande, nämlich bei Höfer & Cie. in Cann-
statt nach Angabe des Bildhauers mit bestem Gelingen
ausgeführt worden.
Noch bescheidener ist die Stellung der württem-
bergischen Glasindustrie, die nicht einmal die kunst-
losen Alltagsbedürfnisse des Landes zu stillen vermag.
Was die Metallwarenfabrik von Geislingen an ge-
schliffenen Gläsern herstellt, reicht eben für ihren
eigenen Montierungsbedarf kaum hin; alles andere

an Kunst-Hohlglas ist Import. Und doch hat Württem-
berg in dem jungen W. von Eyff aus Göppingen einen
Glasschneider, der wohl derzeit im ganzen Deutschen
Reich nicht seinesgleichen haben dürfte, da er selbst
im figuralen Reliefschnitt Ausgezeichnetes leistet.
Solche Kräfte wird man auf alle Fälle im Lande selbst
beschäftigen müssen, nachdem ihn die König Karls-
Jubiläumsstiftung, die schon so manchen hoffnungs-
vollen Kunstgewerbler entscheidend gefördert, entdeckt
hat.—-Auch für die Tafelglasverarbeitung, d. h. Kunst-
verglasung wird das Rohmaterial von auswärts bezogen,
aber wohlerprobte Firmen, wie V. Saile (Abbildung) und
Kurt Gläsche in Stuttgart haben in Verbindung mit guten
Künstlern schon manches sehr gelungene Glasfenster
fertiggestellt, nicht nur in ruhigerer, fast konservativer
Art, wie sie die Kirche bevorzugt, sondern auch z. B.
nach Kartons von Lydia Schäfer recht radikal-modern.
Schade, daß just die modernsten Kunstverglasungen —
nicht nur in Württemberg — immer mehr von der
heiteren Farbenglut vermissen lassen, die dem Mittel-
alter geläufig war und noch beim amerikanischen
Opaleszentglas vor einem Dutzend von Jahren als
selbstverständlich angesehen wurde.
Sehr reich entwickelt haben sich in Württemberg
die Künste der Metallverarbeitung. Große Industrie-
betriebe und kleine kunstgewerbliche Werkstätten
eifern miteinander auf dem Gebiete der edlen und
unedlen Metalle. Daß Fabriken von Weltruf nicht
viele Hunderte von Arbeitern beschäftigen könnten,
wenn sie nicht dem weniger hochstehenden Publikum
recht ausgiebige Zugeständnisse machen wollten,
liegt auf der Hand. Aber es ist doch ein gewisser
Unterschied, ob man sich, wie dies eine der größten
Metallwarenfabriken tut, vornehmlich mit der allerdings
staunenswerten technischen Leistungsfähigkeit begnügt,
oder aber wie P. Bruckmann Söhne in Heilbronn (Ab-
bildungen) zwar selbstverständlich auch jede, im Bann-
kreise historischer Stilformen liegende Bestellung ent-
gegennimmt, aber aus eigener Iniatiative im Bunde mit
führenden Kunstkräften ganz neuartige Schöpfungen
hervorbringt, auf denen der Respekt des Auslandes
vor dem technischen and künstlerischen Vermögen
Schwabens beruht. Peter Bruckmann, einer der intelli-
gentesten und weitestblickenden Kunstindustriellen
Europas, ist nicht grundlos an die Spitze des deutschen
Werkbundes berufen worden; man weiß nur zu gut,
daß sich in dieser willensstarken Persönlichkeit jene
wichtige Mischung von nüchterner, geschäftstüchtiger
Prosa mit der Begeisterungsfähigkeit für hohe künst-
lerische Ideale findet, die der deutsche Fortschritt
braucht, wenn er sich weder in brotlose Träumereien
verlieren, noch im öden Zahlen - Amerikanismus
untersinken soll. Die Silberobjekte Bruckmanns, die
heuer auch auf der Kölner Werkbundausstellung in
der ehrenvollsten Weise schwäbischen Kunstfleiß
vertreten, zählen sicherlich zu den besten kunst-
gewerblichen Schöpfungen der Gegenwart. Aber
in Württemberg sind noch in guter alter Hand-
werkstradition einige Goldschmiedewerkstätten tätig,
die wie J. Ballmann in Stuttgart (Abbildung), J. Hugger
in Rottweil, E. Zieher in Bieberach u. a. vornehmlich

166
 
Annotationen