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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0207

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lieh untersucht, das auch sein. Andern sich nicht die An-
sichten über Schönheit und Harmonie von heute auf
morgen? Was bei Beethoven und Wagner als disharmonisch
auf Widerspruch stieß, ist uns Harmonie, und Böcklin, der
damals Verhöhnte, wird beinahe jetzt wie ein Akademiker
angesehen. Nein, Bredt verlangt nur Freiheit und Achtung
für Künstler, deren starke Eigenart sie zwingt, abseits von
den breiten und bequemen Wegen zu schaffen, um der
Kunst vorwärts zu helfen. Wo wäre die Malerei, wo wäre
überhaupt die Kunst, wenn alle Schaffenden immer wieder
nur dem Ziele zustrebten, das ihre Vorgänger schon mit
Leichtigkeit erreichten? Für alle die Neuerer tritt Bredt
ein, die ihr Leben, ihr wirtschaftliches Wohlbehagen, ihren
Ruf der künstlerischen Überzeugung opferten, die unter
Entbehrungen um neue künstlerische Ausdrucksmittel rangen
und oft um ihrer Wahrhaftigkeit willen verhöhnt wurden.
Was weiß denn der Betrachter von den Kämpfen, Hoff-
nungen, Verzweiflungen und Erhebungen des mit dem
Alten und Neuen ringenden Künstlers! Sollte dem Be-
schauer dieses Dransetzen von Lebenskraft nicht wenigstens
so viel Achtung einflößen, daß er das Schimpfwort unter-
drückt vor einem Werke, dem er keinen Gefallen abge-
gewinnen kann, weil er die Absicht des Künstlers nicht
versteht? Und welche Verlogenheit ist im Urteil der Zeit-
genossen! Bredt weist mit Recht darauf hin, daß vor den un-
gefälligen Werken alter Meister immer Ehrfurcht und Be-
wunderung geheuchelt wird, während für die starken Werke
unserer Zeitgenossen so schnell das» Pfui Teufel« erklingt. Und
doch sind die alten wie die neuen Meister in der Wahrheit
»auch das Häßliche kann schön und groß sein« gar nicht
zu unterscheiden. Wollten die Alten nicht, wie die Neuen,
der kraftvollen Natur, dem rauschenden Leben neue Ge-
sichte absehen, andere, als die große Menge sie sich vor-
stellte! Gilt das Schaffen Rembrandts wie das Max Klingers,
Grünewalds wie das Slevogts oder Liebermanns etwas an-
derem, als dem stärksten und höchsten Ausdruck wahr-
haftiger Kunst? Wer so, mit der Achtung vor dem gött-
lichen Geist im menschlichen Werk der Kunst gegenübertritt,
wird nicht mehr fragen können »häßlich oder schön?«
Er wird nur noch nach der Echtheit oder Unechtheit künst-
lerischer Empfindungen zu forschen suchen, denn darin be-
steht der Unterschied.
Man sieht, Bredt spricht hier nicht etwa für erfolg-
lüsterne Machenschaften, nicht für Kubisten, Futuristen und
andere, die wie Jahrmarktschreier rufen: »Diese Kunst ist
die allein Seligmachende!« Er wirbt für den Künstler, der
unbekümmert um Erfolg und Beifall seinen eigenen, neuen
Weg sucht. Den gedankenlosen oder geschäftstüchtigen
Nachahmern, denen jetzt Lovis Corinth so treffend sagte,
daß der südliche Himmel Cezannes doch nicht zur mär-
kischen Heidelandschaft passe, schreibt auch Bredt wichtige
Sätze ins Stammbuch: »Freilich, die vielen Stiimper, die
gegenwärtig jede Skizze als ganz Ernsthaftes zu Markte
tragen, sind nur armselige Modegecken . . . Was würde
geschehen, wenn das prätenziöse Feilbieten der Skizze Ein-
gang fände in andere Gebiete der künstlerischen Produk-
tion. Wenn Dichter, Schriftsteller, Komponisten nur Ideen
zu Gedichten veröffentlichten, nur skizzierte Dramen, Opern
aufführen lassen wollten, wenn Goldschmiede nur im Roh-
guß skizzierte Schmucksachen als vollendetes Geschmeide
ausgeben wollten.« Das Recht der Skizze erkennt auch
Bredt an, aber nicht als Objekt oder gar als Endzweck für
den Kunstmarkt, denn »Ein Werk ist vollendet, wenn der
Künstler seine Absicht erreicht hat«, sagte Rembrandt.

Jede Zeit hat ihre besondere Größe, ihre Schönheit
ihre Kraft. Jede Zeit hat auch ihre Künstler, die jene
Größe, jene Schönheit, jene Kraft zuerst erkennen wie
Offenbarungen, die mit ihnen ringen bis zum Verstehen,
um sie dann den Zeitgenossen und der Nachwelt zu preisen,
zu gestalten. So hat Rembrandt seine Heimat entdeckt,
so standen die Worpsweder zuerst entzückt und verwirrt
vor der kahlen, »häßlichen« Schönheit des Moors. So geht
unser märkischer Karl Hagemeister (der auch 66 Jahre alt
werden mußte, bis man ihn »entdeckte«!) als Abseitiger
ans Meer und ringt mit ihm, das er ganz ohne Aufputz
von Schiffen und Möven nur als ein Stück Kosmos geben
will. Gewiß, es sind viele Scharlatane, die sich als Führer
ausgeben und das Volk verwirren. Aber deshalb soll man
nicht sagen »Das Echte bricht sich Bahn« um alles Neue
verdammen zu können, mit ihm also auch die kämpfenden
großen Künstler.
Das Starke, Überzeugende an Bredts einzigartigem
Werk ist, daß er nicht mit Phrasen zu überreden sucht,
sondern sachlich, trotzdem warmherzig, Schritt für Schritt
vorgeht, bei jedem Satz einen Beweis aufpflanzt, bis etwas
wie ein Spalier von Lanzen entsteht, die Jahrhunderte hin-
durch, dazwischen die Leidenswege der starken Künstler.
Bredt geht in die Tiefe, und die 50 Tafeln mit Wieder-
gaben von Werken alter und neuer Meister unterstützen
seine Untersuchungen aufs beste. Wer durch die Kurz-
lebigkeit der Modeströmungen an seiner Kunstanschauung
zu zweifeln beginnt, der wird in Bredts leidenschaftlichem,
ehrlichem Bekenntniswerk gewiß Klärung und Festigung
finden. Hier gibt ein zeitgenössischer Kunsthistoriker An-
regungen, hier weist ein fein empfindender Mensch in die
Zukunft. Wohin wir blicken, sehen wir eine neue Kultur,
sehen wir Riesenwerke neuer Erfindungen, gewaltige
Schöpfungen von Menschenhand. Und die neue Zeit sollte
nicht ihre neue Kunst, nicht ihre neue Schönheit hervor-
bringen? Die neuen Menschen sollten nur immer rück-
wärts schauen, und die starken Künstler ihrer Zeit, die
Neuerer und Führer, nicht verstehen wollen, weil sie sich
vom Alten abwenden und das Neue zu gestalten trachten?
Nehmt Bredts »Häßliche Kunst« zur Hand, Ihr werdet
immer wieder danach greifen und das starke Lied der
großen Künstler wird Euch Schönheit sein.
Karl Matthies f.
TODESFÄLLE
Dresden. William Lossow f. Mit Geheimrat Lossow
verliert Dresden außer einem sehr tüchtigen Direktor seiner
Kunstgewerbeschule einen seiner fruchtbarsten Architekten,
der in einer großen Anzahl öffentlicher und privater Bauten
von sichtbarem Einfluß auf die architektonische Gestaltung
des neuen Dresden war. Geheimrat Lossow war lange
Jahre Vorsitzender des Dresdner Kunstgewerbevereins und
führte 1906 den Vorsitz der 3. Deutschen Kunstgewerbe-
ausstellung in Dresden. Zwölf Jahre hat Geheimrat Lossow
an der Dresdner Kunstgewerbeschule gewirkt und sie zu
einer vorbildlichen Anstalt gemacht, an der ausgezeichnete
Lehrer mit schönem Erfolge tätig sind. Bis zuletzt ist Ge-
heimrat Lossow auch der Vorsitzende und Führer des
Dresdner Kunstgewerbevereins gewesen, der sich unter ihm
zu einer imponierenden Organisation entwickelt hat. Auch
der sächsischen Landesstelle für Kunstgewerbe hat er vor-
gestanden. Eine Würdigung Lossows als Architekten gibt
Dr. Haenel im Leitartikel dieses Heftes.

Für die Redaktion des Kunstgewerbeblattes verantwortlich: Fritz Hellwao, Berlin-Zehlendorf-Mitte
Verlag von E. A. Seemann in Leipzig. — Druck von Ernst Hedrich Nachf., g. m. b. h., in Leipzig
 
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