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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

DOI Artikel:
Zeitler, Julius: Kunstgewerbe und Buchkunst auf der internationalen Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik, Leipzig 1914
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0231

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schriftlichen Ausdrucksformen, die sich der Mensch ge-
schaffen hat, tut sich hier auf, von den prähistorischen
Umrißzeichnungen in den Felsenhöhlen Spaniens und
Südamerikas, über die orientalischen, islamischen, ost-
asiatischen Abteilungen, in denen wahre Wunder von
ethnographischen Interieurs eingerichtet sind, über
die Kulturen des Mittelmeers, wird man durch die
Schreibkunst des Mittelalters zur Entstehung des Druckes,
zur Erfindung Gutenbergs geführt. In zahllosen Sälen
eröffnet sich uns dann das Buchdruckwesen der europä-
ischen Völker, wir schauen in eine Gutenbergwerkstatt,
ein Senefelderzimmer, eine reizvolle Illustration zur
Erfindung und Geschichte der Lithographie, die Ent-
wicklung des Holzschnitts, des Kupferstichs, der Ra-
dierung, des Notenstichs, der Silhouette wird aufs
Eindringlichste vorgeführt. Das 18. Jahrhundert, unsere
klassische Zeit, das Empire erleben wir in ihren Druck-
erzeugnissen und gleichsam als Schlußstein des ge-
waltigen Stoffgebiets sind Räume angeschlossen, in
denen sich das moderne schöne und kulturelle Buch in
seinen glücklichsten Auswirkungen repräsentiert. Aus
dem reichen Inhalt der Ausstellung, bevor wir auf
das besonders kunstgewerblich Interessierende kommen,

seien nur die Abteilungen »Der Kauf-
mann«, mit der internationalen Aus-
stellung des kaufmännischen Bildangs-
wesens, auch kaufmännische Archi-
tektur umfassend, die Papierindustrie-
und Zeitangsdnickereihalle, mit 96-
seitigen Rotationsmaschinen und einer
70 Meter langen Papiermaschine, die
Halle der Stenographie und der Fach-
presse, der Schulbau mit der vorbild-
lichen Schulbaracke und dem stim-
mungsvollen Wandervogelheim, end-
lich drei Maschinenhallen mit ihren
Großindustriewundern, von Buch-
bindereischneidemaschinen bis zu den
Setz- und Zeilengießmaschinen her-
vorgehoben. Von der Weltausstel-
lung der Graphik mit ihren über
5000 Kunstblättern in 28 Sälen so-
wie von der kolossalen Abteilung
Photographie kann nur im Vorbei-
gehen berichtet werden. Das alte
Papiermacher- und Druckgewerbe
beobachten wir in der Haynsburger
Papiermühle, in der uns die Her-
stellungsweisen des 15. und 16. Jahr-
hunderts in glaubhaftester Weise ent-
gegentreten. Hier werden ganz nach
der alten Art herrliche Büttenpapiere
hergestellt, ein alter Schriftgießer
gießt mit den ehrwürdigen Instru-
menten Gutenbergs Lettern, auf einer
alten Handpresse sehen wir dann
schöne Büttendrucke in handwerk-
lichem Sinne hervorgehen. Dies In-
einander des Ästhetischen und Ge-
werblichen, des Geistigen und des
Mechanischen ist überhaupt das
charakteristische Moment dieser Ausstellung.
Wenn auch die historischen Teile der Bugra er-
lesenste Schaustücke bieten, am wichtigsten ist für den
heutigen Kunstgewerbler doch die moderne Produktion
und zu dieser sei nun übergegangen. Der künstlerisch
wirkende Buchgewerbler muß dabei als ein Mitglied
des allgemeinen Kunstgewerbes aufgefaßt werden.
Es soll sich in dieser Betrachtung auch nicht allein
um den Schriftgießer, Buchdrucker und Buchbinder,
sondern vor allem auch um den Verleger handeln,
also nicht so sehr um ihn als Beherrscher geistiger
Bewegungen, als großen Vermittler von Kultur-
strömungen des Buchinhalts, sondern als Hersteller,
als Auftraggeber und Geschmacksfaktor in der Ge-
staltung seiner Handelsware, des Buches. Das ge-
samte Herstellungsgewerbe nun finden wir vereinigt
in der Haupthalle der Ausstellung, und besonders in
den gewaltigen Flügelbauten dieser Halle. Der linke
Flügel beherbergt besonders den Verlagsbuchhandel
und das Bibliothekswesen, ein Teil des Mittelbaus den
Musikalienverlag und das Verkaufs-Sortiment mit seinen
technisch vollendet eingerichteten Musterkontoren, ein
anderer Teil moderne Kunstbuchbindereien, der rechte

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