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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

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Dell'Antonio, Cirillo: Über Holzbildkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0238

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C. Dell’Antonio, Warmbrunn: C. Dell’Antonio, Warmbrunn: Kanzelfüllung
Studie nach der Natur, 1913 Votivbild in der evangel. Kirche in Krummhübel
Unmittelbar aus dem Brett geschnitzt, 1908

C. Dell’Antonio, Warmbrunn:
Studie nach der Natur, 1913

heit bieten würden, in Holz zu bilden, um so das
richtige Empfinden für das plastisch Darstellbare früh-
zeitig zu wecken. Zugleich kann der Kunstjünger
auf ein Arbeitsfeld hingewiesen werden, das ihm das
Fortkommen bedeutend erleichtert und er bei guter
Begabung und Fleiß sich frühzeitiger sein Brot er-
werben kann als in einem anderen Zweige der Bild-
hauerkunst. Denn jetzt, nachdem man in der Innen-
architektur von dem einfach sachlichen zu einem
sachlich schmückenden Stil übergegangen ist, sind die
Aussichten für den tüchtigen Holzbildhauer bedeutend
günstiger als es noch vor wenigen Jahren der Fall
war. Und selbst, wenn der Kunstjünger später zur
Steinplastik übergehen möchte, wird er es nicht be-
reuen, eine Zeitlang in Holz gebildet zu haben, weil
diese Übung auch die beste Vorschule des Steinbild-
hauers ist. Wenn auch die Lehrwerkstätten der Schulen
die Werkstätten der Praxis in mancher Hinsicht nicht
ersetzen können, so bieten sie doch dem jungen
Kunsthandwerker die Gelegenheit, unter richtiger An-
leitung sich praktisch zu betätigen und sich eine ge-
sunde Grundlage anzueignen, worauf er später als
Werkkünstler mit Erfolg weiterbauen kann.
Ein wichtiges Gebiet der Holzbildkunst, sowie
der Plastik überhaupt, war von jeher das Porträt.
Wenn ein Porträt modelliert ist, dann muß es erst
in Bronze, Stein oder Marmor übertragen werden,
was mit hohen Kosten verbunden ist, und das können
sich nur wenige leisten. So wird meist ein Gips-
abguß gemacht, der immer etwas Kaltes, Minder-
wertiges an sich hat. Da ist das Holzporträt ein
Zwischending. Der geübte Holzplastiker, der den
technischen Vorgang beherrscht, kann ein Relief-

porträt unmittelbar aus dem Brett und später
auch eine Büste aus dem Holzblock schnitzen, ohne
große Vorstudien zu machen. So könnte der Bild-
hauer in den meisten Fällen das zeitraubende Gips-
gießen ersparen und mehr Zeit auf das Holzporträt
verwenden. Außerdem paßt das feingemaserte Holz
mit seinem warmen Ton doch viel besser in unsere
Wohnräume als die dunkle Bronze oder der weiße,
kalte Marmor.
Die Zukunft wird noch mehr als unsere Gegen-
wart nicht so sehr Künstler und Handwerker ge-
trennt, sondern Kunsthandwerker verlangen. Darum
könnte mancher Bildhauer, mancher Künstler sich
vielleicht eine gewinnbringende, erfolgreiche Zukunft
sichern, wenn er auf dem Gebiete der Holzbildkunst
sich die nötige handwerkliche Erfahrung und voll-
ständige Materialbeherrschung rechtzeitig erwerben
würde. Denn die handwerkliche Erfahrung war zu
allen Zeiten die Grundlage der Kunst und ganz be-
sonders der Holzbildkunst.

» Wenn wir die Geschichte mit einigem Nachdenken lesen,
so werden wir finden, daß die Hemmungen und die Her-
stellung des Gleichgewichts von Verlust und Gewinn niemals
die treibenden Kräfte der Menschheit gewesen sind, daß diese
niemals durch eine berechenbare Aussicht auf Gewinn oder
Verlust, für einen sichtbaren endlichen Zweck, zu bedeutungs-
vollen Unternehmungen hingerissen wurden, sondern allein
für einen unsichtbaren, unendlichen.«
Carlyle, Zeichen der Zeit.
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