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Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner u. Sammler — 14.1917

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Nr. 5 (27. Oktober 1916)
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https://doi.org/10.11588/diglit.54676#0032

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22

DER KUNSTMARKT

Lande. Der Ertrag der Kriegsanleihen zeigt es deutlich
genug. Und daß das Geld nur im Inlande umgesetzt werden
darf, kommt, wie jedem Markte, so auch dem Kunstmarkte
zu gute. Man darf auch nicht vergessen, daß die Kauf-
kraft des Geldes erheblich gesunken ist. Alle Gebrauchs-
gegenstände und Lebensmittel sind teurer geworden, wie
man zu sagen pflegt. Aber es wäre richtiger davon zu
reden, daß das Geld billiger geworden ist, denn das Gleich-
bleibende ist das Pfund Brot, als konstanter Nährwert, das
Variable ist die Mark in ihrer Kaufkraft. Es sind ferner
ganz neue Zahlbegriffe in Umlauf gelangt. Der Respekt
vor der Million ist endgültig geschwunden, seitdem jeder-
mann weiß, wie viele Millionen ein jeder Tag dieses Krieges
kostet. Früher waren sich viele nicht einmal recht im klaren,
was eine Milliarde bedeute, ob sie 10 oder 100 oder 1000
oder gar eine Million Millionen darstelle, jetzt ist der Be-
griff der Milliarde weit ins Volksbewußtsein gedrungen,
und wer hört, daß auf einer Bilderversteigerung im Laufe
eines kurzen Vormittags eine Million Mark und darüber
erzielt wurde, ist keineswegs sonderlich erstaunt. Und mit
all dem ist endlich das Wesen des Geldes überhaupt ein
anderes geworden. Es ist eine Unsicherheit entstanden
gegenüber all dem Papier, das man sieht, und selbst gegen-
über dem Golde, das sich verbirgt. Darum suchen die
Menschen, die Geld übrig haben, nach anderen Werten,
nach Werten, denen sie vertrauen zu können meinen, die
die Gewähr der Dauer in sich tragen. Und sie verfallen
auf die Kunst.
Es macht dem gegenüber weniger aus, oder es ist
doch nur eine Äußerlichkeit, daß neue Reichtümer durch
Kriegslieferungen entstanden. Der Begriff des Kriegsliefe-
ranten ist nur ein Kinderschreck. Reichtümer vergehen
und entstehen zu allen Zeiten. Und wie in allen Dingen,
so ist auch in diesem nur das Tempo beschleunigt und
die Dimension vergrößert. Tatsache aber bleibt, daß die
Kunstwerte in rapider Steigerung begriffen sind, daß ein
Zustand auf dem Kunstmarkte entstanden ist, der etwas
Beängstigendes an sich hat, und daß Prophezeiungen für
einen abermaligen Umsturz der Verhältnisse nach dem
Friedensschluß wiederum Tür und Tor geöffnet sind.
Als im Frühjahr die ersten Kriegsversteigerungen in
Berlin stattfanden, als Beckeraths Nachlaß bei Lepke, die
Sammlung Stern bei Cassirer unter den Hammer kam, war
man noch ohne Erfahrung und einigermaßen besorgt um
das Resultat. Heute haben sich die Verhältnisse geklärt,
und man beeilt sich, auf den Markt zu werfen, wessen man
habhaft werden kann, denn die Käufer drängen sich, und
es ist schwer, genügend Ware zu beschaffen, um alle zu
befriedigen. So war der Dresdener Kommerzienrat Schmeil
sehr wohl beraten, wenn er seine Sammlung jetzt ver-
steigern ließ. Denn zu anderer Zeit hätten diese knapp
anderthalb hundert Bilder ganz gewiß nicht die erstaunliche
Summe von fast einer Million und zweihunderttausend Mark
gebracht.
Es war wohl vorauszusehen, daß die Bilder von Leibi
hoch bewertet werden würden, obwohl es alles andere als
markante Hauptstücke des Meisters waren. Preise von
40000 M. für die kleinen Bildnisköpfe konnten Kundige
voraussagen, und sie sind nicht jetzt das erstemal gezahlt
worden. Aber daß auch der Leibikreis nunmehr Höhen
erreicht, die bis vor nicht langer Zeit dem Meister allein
vorbehalten blieben, ist ein bedenkliches Zeichen. Karl
Schuch ist ein Künstler von Rang, aber er hat sich nie zu
derjenigen Klarheit durchgerungen, die das reife Werk be-
zeichnet. Daß das große Bild mit dem Diener Matteo
40000 M. brachte, mag man verstehen, obwohl es ein un-
förmiges und schwer genießbares Werk war. Aber daß durch-

schnittliche Stilleben mit Summen, die sich um 20000 M. be-
wegten, bezahlt wurden, ist ein Zeichen, daß es sich nicht mehr
um Kunstwerte allein handelt. Auch eine einfache Land-
schaft von Thoma und ein hartes Stilleben von Trübner
brachte Summen über 20000 M. Und ein Birkenwald von
Karl Hagemeister, den der Kunstmarkt erst vor ein paar
Jahren entdeckte, kam beinahe auf die Hälfte dieses Preises.
Es war ein ganz gefälliges Bild, aber nicht viel mehr. Daß
es jedoch fast so hoch bezahlt wurde wie ein schöner und
ernster Courbet mit einem ähnlichen Motiv, mag allen denen
vorgehalten werden, die noch immer behaupten, in Deutsch-
land würden französische Bilder überzahlt, und es sei kein
Geld da für deutsche Maler. Auch bei Lepke, wo acht
Tage zuvor eine kleinere Sammlung ähnlichen Inhalts wie
die des Herrn Schmeil versteigert wurde, war das Ver-
hältnis etwa das gleiche. Die Preise für Courbet und
Trübner hielten sich auf annähernd einheitlicher Höhe.
Andererseits wird man auch nicht den Schluß ziehen dürfen,
daß die Werke von Malern aus heute feindlichen Ländern
aus nationalen Gründen niedriger bezahlt würden. Die
Sammlung Schmeil bot nicht viel Gelegenheit, diese Tat-
sache zu konstatieren. Immerhin wurde ein kleines Bild
des gewiß problematischen Segantini, der noch keineswegs
so sicher klassiert ist wie die Meister des französischen
Impressionismus, mit 28500 M. bewertet, und es hatte inner-
halb der Ausstellung in nicht gerade imponierender Um-
gebung keineswegs gute Figur gemacht. Auch Hodler, der
durch wenig deutschfreundliche Äußerungen einen Sturm
in der deutschen Presse heraufbeschworen hatte, mußte
durchaus nicht mit seinen Bildern dafür büßen. Bei Lepke
brachten neuere Landschaften über 5000 M., bei Cassirer,
eine hübsche ältere Ansicht vom Mont Saleve 12100, andere
Landschaften kleinen Formates 8200 und 7500 M. Den
Rekord aber hielt Liebermann. Das kleine Bild der Kon-
servenmacherinnen von 1873 war mit 61200 M. das weitaus
teuerste Stück der Sammlung. Das Dorfidyll von 1879,
eine der schwächsten Arbeiten des Meisters brachte
27800 M., eine ziemlich reizlose Landschaft aus Nord-
wijk von 1907, die also nicht einmal das höhere Alter
für sich hatte, 15100 M. Sollen diese Preise für maß-
gebend gelten, so werden die Kunsthändler eifrig ihr
Lager durchsehen und die Notierungen ändern müssen.
Neben diesen Summen bedeuten die 21200 M., die für
einen wirklich hübschen Munkacsy bezahlt wurden, nicht
eben viel. Der Preis von 11600 M. für ein kleines Aquarell
von Israels ist eher geeignet, wieder Staunen zu erregen.
Auch Spitzweg, der doch bei aller Liebenswürdigkeit nur
ein bescheidenes Talent ist, wurde mit Summen bezahlt,
die im Bereiche der älteren Kunst nur für Meisterwerke
angelegt zu werden pflegen, 19500 M. für den Urlauber,
12200 M. für das Bild »Vor dem Gewitter«, 10800 M. für
den Dachauer Fronleichnam, 10000 M. für ein Exemplar
des Frauenbades in Dieppe, dessen man nicht ganz froh
werden konnte.
Das alles sind hohe Preise, zum Teil Rekordpreise,
aber wer den Kunstmarkt im Laufe der letzten Monate
verfolgt hatte, konnte voraussagen, daß für Werke, die
allgemein anerkannte Namen tragen, sehr große Summen
angelegt werden würden. Dagegen müßte nach allen
bisherigen Erfahrungen angenommen werden, daß alles
übrige mehr oder minder durchfallen würde, wie es noch
acht Tage zuvor bei Lepke der Fall war, wo ein riesen-
großes Bild des doch einigermaßen berühmten Schmid-
Reutte mit 500 M. zugeschlagen wurde. In der Auktion
Schmeil war es anders. Es war, als gebe es gar keine
anderen als vierstellige Zahlen mehr, und selbst die fünf-
stelligen wurden an Bilder verschwendet wie das trockene
 
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