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Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner u. Sammler — 14.1917

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Nr. 37 (15. Juni 1917)
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https://doi.org/10.11588/diglit.54676#0240

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DER KUNSTMARKT

sondern immer mehr hinaufzutreiben. Das Ende dieser
Treiberei ist dann mehr als einmal das, daß das Bild
überhaupt nicht richtig an einen Privatmann verkauft
ist, sondern in irgend welcher Weise einem Händler-
konsortium gehört, für das große Publikum aber die
stolze Fassade eines sensationellen Rekordpreises be-
stehen bleibt. Damit sind wir zu jenen wenig erbau-
lichen Erscheinungen gekommen, die freilich nicht
von heute sind, aber in Deutschland nicht einzureißen
brauchen, wenn sie auch in Paris zuweilen anzutreffen
sind. Es darf nicht vorkommen, daß Händler Bilder
aus ihrem Bestand in Auktionen stecken, die Preise
treiben lassen, das Bild zu einem Preis, der doch
fingiert genannt werden muß, »zurückkaufen« und
das Bild nach der Auktion zu einem billigeren Preis,
als es die Auktionsziffer war, aber immer noch erheblich
teurer als ursprünglich wieder ausbieten. Wenig er-
baulich ist es auch, wenn nach einer Auktion Gerüchte
ausgesprengt werden können, ein Bild aus der Auktion
sei schon vor der Versteigerung zur Hälfte des auf
der Auktion scheinbar erzielten Preises fest verkauft
gewesen und der der Öffentlichkeit gegenüber genannte
Preis sei nur eine Farce zum Nutzen des Käufers, der
das Bild dann um so teurer wieder zu verkaufen
hofft, und des Auktionators, dem durch solche Rekord-
preise erst recht viele Angebote von solchen Leuten
zufließen, die einzelne Gegenstände oder ganze Samm-
lungen verkaufen wollen. In jedem Fall hat der
Auktionsbetrieb zuweilen etwas Unsolides bekommen.
Vor allem aber ist zu betonen, daß die heutigen Auktions-
resultate weniger denn je ein Bild von dem Markt-
wert der einzelnen Objekte geben. Was der Heraus-
geber der »Werkstatt der Kunst« in einem längeren
Aufsatz in Nr. 35 seiner Zeitschrift in überzeugender
Weise für die moderne Kunst dargetan hat, gilt für
den ganzen Kunstmarkt überhaupt. Es ist deshalb
auch gar keine Rede davon, daß die größeren und
kleineren Händler nun ihre Preise den Auktions-
resultaten entsprechend hinaufsetzen. Um so klaffender
wird daher der Unterschied zwischen den Auktions-
und Ladenpreisen. Um nur noch ein Beispiel anzu-
führen: Auf einer Münchener Auktion wurden für ein
Fragment eines Wandteppichs von einem rheinischen
Sammler über 70 000 Mark gezahlt. Würde ein Händler
in seinem Geschäft mehr als 30000 bis 40000 Mark
dafür verlangt haben, so wäre der betreffende Samm-
ler sicherlich entrüstet fortgegangen.
Es muß nach alledem ein leichtes Erstaunen er-
regen, wenn ein so kluger und geschickter Kunst-
händler, wie Paul Cassirer, in einem Vorwort, das er
zum Auktionskatalog der Galerie Flechtheim geschrieben
hat, den Vorschlag macht, jungen, »noch nicht arri-
vierten« Künstlern durch Auktionen zu helfen. Er
meint, daß damit nicht nur dem Künstler selbst ge-
holfen würde, sondern daß viel weitere Kreise zum
Ankauf von Kunstwerken ermutigt würden, die jetzt
vor den hohen Preisen zurückschrecken. Er glaubt,
es würde die Künstler freuen, wenn sie etwa statt
5 Bilder für tausend Mark dadurch 15 zu fünfhundert
Mark losschlagen könnten.
Ich weiß nicht, ob unsere jungen Künstler von

diesem Gedanken wirklich so sehr erbaut sein werden.
Die schon oft gemachte bedauerliche Erscheinung,
daß unsere jungen deutschen Künstler unverhältnis-
mäßig viel teurer sind als ihre französischen Kollegen,
rührt nicht nur daher, daß die ausstellenden Vereine
und Händler durch den Verkauf gut verdienen wollen,
und ist auch nicht durch einen zu geringen Kontakt
des Künstlers mit dem kaufenden Publikum erklärt,
sondern hat zum Teil ihren Grund in der geringeren
Produktivität, in der langsameren Schaffensweise. Es
wird daher mehr als ein Künstler lieber hungern und
noch ein paar Jahre länger auf den materiellen Er-
folg warten wollen, als seine Arbeiten auf einmal
billig loszuschlagen. Umsomehr als das wirklich Neue
und Gute noch niemals gleich von einem großen
Publikum verstanden worden ist und der Spekulation
durch Händler und Private erst recht Tür und Tor
offen stehen. Ich glaube, daß Herr Cassirer ganz ge-
waltig übertreibt, wenn er schreibt: »Die Verhältnisse
sind bei uns für jeden Eingeweihten so, daß ein noch
so begabter Künstler, der selbst schon große Erfolge
in der Presse erzielt hat, in der Not oft nicht im-
stande ist, auch nur 50 oder 100 Mark für ein Bild
zu erhalten«. Ich möchte den Händler sehen, der
sich für einen jungen Künstler, der in der Presse
großen Erfolg erzielt hat, nicht mit seinem eigenen
Geld derart einsetzt, daß er ihm doch etwas mehr
als 100 Mark für ein Bild bezahlt Doch sei auf dieses
Verhältnis von Kunsthändler und Künstler ein ander-
mal ausführlich eingegangen. Cassirer schreibt dann
weiter: »Der Sinn der Versteigerung ist nicht der, höhere
Preise zu erzielen, der Sinn der Versteigerung ist, den
wirklichen Marktwert des Kunstwerkes festzustellen und
die breite Masse des Volkes zum Ankauf von Kunst-
werken anzuregen. Die Versteigerungen müssen neben
der Kritik dazu beitragen, ein wirkliches Bild der
Schätzung der Künstler zu geben. Wir wissen heute
alle, daß durch Vereine, durch alle möglichen Prak-
tiken, auch Kunsthändler-Praktiken, die dabei nicht die
größte Rolle spielen, ganz falsche Schätzungen ver-
breitet werden«. Nach dem aber, was die Auktionen
der jüngsten Zeit ergeben haben, sind heute Auktionen
weniger denn je imstande, den wirklichen Marktwert
des Kunstwerkes festzustellen, wenn dies überhaupt
durch eine Auktion jemals möglich ist Es liest sich
sehr nett, wenn gerade Paul Cassirer ausruft: »Die
Sensation der hohen Preise wird freilich wegfallen,
aber diese Sensation ist auch nichts weiter, als eine
ganz gleichgültige, wenn man will, sogar eine be-
klagenswerte Erscheinung«. Ich will gerne glauben,
daß Herr Cassirer dies wirklich aufrichtig gedacht hat,
als er es zu Papier brachte. Aber die große und ge-
schickte Aufmachung gerade seiner Auktionen hat
diesen in jeder Hinsicht etwas Sensationelles gegeben.
Gewiß hat Cassirer recht, wenn er sagt, daß viele
Künstler gänzlich wertloser Art den wertvollen die
Luft wegnehmen und sie in ihrer besten Zeit zu
einem sozialen Kampf zwingen, dem gerade die
tüchtigsten unter ihnen am allerwenigsten gewachsen
sind. Gewiß gibt es Bilder, die nicht die rohe
Leinwand wert sind, jedoch durch allerhand Machen-
 
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