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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

DOI Heft:
Heft 7 (Aprilheft 1927)
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Gregori, Ferdinand: Goethe und das Theater
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0037

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Tanzposition ans (und die KriLik hak das ofLmals gerügL und sogar parodierL),
aber es war immer noch erLräglicher, als wenn die Darsieller ihre kleine
Nakur nackk aus die Bühne gebrachL häLLen.

Aber ob auch GoeLhe keinen schöpserischen Gewinn aus diesen 26 Jahren
zog, eben weil er das TheaLer nur sür das beschränkLe Weimar als UnLer-
halLung leiLeLe, in seinen großen dramaLischen DichLungen, die er dorL ungern
aussühren ließ, haLLe er dennoch ein TheaLer im Auge, aber freilich eines, das
noch nichL exislierLe und für das sein TheaLerpublikum nichL reif war. Keiner
wie er hak vielleichL so inbrüusiig auf die ZukunfL gehossL, ja, miL ihr gerech-
uek. Schiller siand seiner Zeik näher, das sühlke er; deshalb haL er ihn sleißig
ausgesühri; und auch als er seine „Regeln sür Schauspieler" aufsiellke, wählke
er die rhekorischen Beispiele nichL aus den eigenen Dramen aus, sondern aus
der „BrauL von Messina". llnd nun meinL die WelL heuke noch, GoeLhe
habe überhaupL keine RheLorik! Jch weiß aber nichk nur, daß seine Satz-
und Szenen-EnLwicklung ebenso wie die Schillers graphisch zu symbolisieren
sind, sondern auch, daß GoeLhe den Schauspielern regelrechk Fallen siellL, in
die sie 150 Jahre hineingefallen sind. Es isi viel leichker möglich, sich in einem
Schillerschen Drama „gehen zu lassen" als in einem GoeLhischen; er forderL
(wie Kleisi) nichL nur vom Publikum, sondern ganz besonders auch vom Dar-
sieller eine nie aussetzende AusmerksamkeiL und Hingabe, ein immer reges Vor-
und RückwärLs- und Jn-die-Tiese-Schauen, weil nur dadurch die geheimnis-
vollen Verknüpsungen auf Augenblicke bloßgelegL werden können.

Man haL viel zu lange das Drama GoeLhes als Bildungsguk und -mikkel
mißbrauchL. Ohne Zuziehung von Dämonen aber, die doch in Schulsiunden
nichk vorhanden sein dürfen, isi weder „Götz" noch „Clavigo" oder „Skella",
weder „Egmonk" noch die „IraLürliche Tochker", weder „Jphigenie" noch
„Tasso", isi no,ch weniger sein „Fausi" zu verleiblichen. Wir haben bis nun
keine Aussührung eines dieser Werke zusiandegebrachL — ich schließe die nahezu
vollkommcnen Bersuche ein, die Max ReinhardL miL „Skella" und „Clavigo"
gemachL —, die der dichkerischen Borlage im ganzen und im einzelnen Genüge
gekan häLLen. Rreben einem vorkresslichen Götz siand ekwa eine kleine Dirne
oder eine Schablonen-Salondame als Adelheid; neben einem persönlich glaub-
hasken Karlos ein unpersönlicher Clavigo; Skella schien in einen langweiligen
Fernando verliebL zu sein; ein srischer, sröhlicher EgmonL mußke miL einem
Alba kämpsen, der höchsiens ein Dutzend-Regimenksobcrsi war, aber nichk der
ihm überlegcne SLaaksmann; Orest warm, Jphigenie marmorkalL; Tasso —
GoldschniLLdichLer miL gepflegker Lockensrisur, Ankonio MonLecaLino ein Schul-
meisier; Eugcnie — ein bezauberndcr Mensch, der Herzog, ihr BaLer — ein
deklamierender Heldenvaker; endlich ein Faust, der das Zeug haLLe, den Famu-
lus Wagner zu spielen!

Goekhe bleibL uoch auf lange Zeik hinaus eine Forderung an die Bühne,
wie er für die Bühne, ob auch allgemein unerkannk, von Ansang an eine Er-
füllung gewesen ist. Wird das bis zu deni 100. Todeskage, der in 5 Jahren
heranrückk, wesenklich anders werden? Oder müssen solche Bücher wie das
über Karoline Iagemann inzwischen noch ein paarmal geschrieben werden, um
die kleinen Schwächen GoeLhes aufzudecken, die seine Skärke ersi rechk deuklich
werden lassen?

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