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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

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Heft 9 (Juniheft 1927)
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Happ, Alfred: Die Landschaftsbetrachtung im klassischen Deutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0170

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den noch sammelnden beutschen Naturforschern; von ihm ward Alexander von
HumboldL unkerwiesen, dem er auch diese seine „unverkilgbare Sehnsuchk nach
der Tropengegend" eingepslanzk hak. Und in der Tak keilen wenige Seiken
deukscher Prosa den gikkoresken Reiz jener Beschreibung des Anblickes der
Jnsel O-Tahiki im herrlichsten Frühlichk, die Forster enkworsen, wo dem leise-
gleitenden Segelschisfe vom Lande her die ersrischendsten Wohlgerüche enk-
gegenwehen, über niedere Klippen die anrollende Seebrandung hinschäumk, und
königliche Palmenwipfel die zu sanften Hügeln sich erhebende Uferebene be-
schatten, — und schon glühen waldgekrönte Berge im ersten Morgenstrahl
der Sonne. Man verstehe diese Begeisterung nicht falsch und denke Forsters
sirperlativisches Emgfinden, das von dem Schönen wie Majestätifchen glei-
chermaßen erregk wird, nicht mit der nur pathetischen Rraturschwärmerei zu-
sammen, wie sie freilich seine um den jungen Goethe sich fcharenden Zeitge-
nossen getrieben haben. Sie ift, weil in und über einer ebenso sachlich wie künft-
lerifch dargeftellken Landfchaft fchwebend, von dem wollüftigen Herzensschwall
jener nicht weniger entfernk, als diese selbft wieder von der kühlen nnd strengen
LandschafLsbetrachtung eines Mannes wie Sulzer, der alt in ihre Zeit hinein-
ragt. Die spätere reisebefchreibcnde Schrift Forfters, seine „Ansichten vom
Niederrhein, von Brabant, Flandern, Holland, England und Frankreich",
enthalten den ftärksten und vergeistigksten Ausbruch seines künstlerischen Welk-
gefühls in einer Schilderung des hohen, sich allmählich verdunkelnden Jnnen-
gewölbes des Kölner Doms. Während die malerifch effektvollen Auffchrei-
bungen von dem Anfange seiner Rheinfahrt ihn noch nn'tten in seinen gelehrtcn
Znteressen zeigen: hier maß er sich und seine große Seele mit dem Größten,
das ihm begegnet ift. Er ahnte, wie Herder, aus seiner Begeifternng heraus
das klassische Bildungsideal, die Humanitäk, die wirkende Bollkommenheit
eines Menschen, ohne sie selbst, der ein einsames, elendes Ende nahm, besihen
zu sollen. 2lber Alexander von Humboldk besaß sie, kraft seines Wesens und
universalen Wissens, und hat mit dieser gesammelten Krafk, diesem kosmifchen
Weltsinne die Beschreibung der Natur auf eben ihre klassisch-vollkommeye
Form bringen können. Wir sind uns klar, daß es unmöglich ist, von Humboldts
Werk an dieser Stelle einen innigeren Begriff zu geben, auch will uns ein
gerechtes Beispiel nicht leicht in die Hand springen, damit wir das Zusammen-
fließen einzelner naturwissenschaftlicher Disziplinen in Humboldks Landfchafks-
blicke zeigen dürfken. Doch sei an das prachtvolle Gesamtbild „Über die Step-
pen und Wüften" in den „Ansichten der Tkatur" erinnert, das die Salzsteppen
Asiens, die europäischen Heideländer und die pflanzenleeren Wüsten Afrikas
mit de/r Ebenen von Südamerika in Bergleich setzt, die topographifchen Ber-
hältnisse bestimmt, die Klimate erkundet, den Begetakionscharakter ableitet,
die Bodenbeschaffenheit ergründet und die Tierwelt beschreibk: alles in leben-
diger Wechselwirkung, von einem Auge erfaßt und zu einem Gemälde erhoben.
Denn nirgends entscheidet sich dieser ernste Beobachter für das bloße kakego-
rifche Begreifen, sondern immer für die sinnfällige Gestaltung, immer für die
gekreueste Wiedergabe des Objekts mit seinen eigensten Merkmalen; und nur
so beobachtend vermochte er sich den unerreichten Stil zu schaffen, mik dem
er die organifche Und die toke Rkatur mit der sie einhüllenden Luft in Bewegnng
und Erftarrung gleich vollendct darftelltc.
 
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