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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

DOI Heft:
Heft 9 (Juniheft 1927)
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Trentini, Albert: Zwischenspiel
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0190

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hatte ich auch diesmal auf der Zunge gehabt; aber schließlich auch diesmal uicht
herausgebracht.

Jm Freien unten gelandek, las ich vou einer Laternuhr "ö. 2ln der

nächsten Straßenecke seHte ich mich in das nächsie Anto. „Ganz gleichgültig,
wohin!" bedeukete ich dem Chausseur. „2lus der Stadt hinaus! So weit, bis
wir Land kriegen! Los!"

Während der Fahrt noch, aber auch, als ich bereits über ein violekkes Feld
trabte, dann über einen Skreifen Wiese, dann über ein pläkscherndes blitz-
schnelles Rinnsal sprang, hierauf den Fuß in die staudige Hügellehne setzte,
den Hügel schnell bis aus seine Höhe hinankletterte, und nun endlich frei zwi-
schen allen vier Winden über seine Kuppe dahinschrikt, dachte ich immer noch
nach. 2lrme, brave, gnte Debattierer, Grübler, Frager und — Erlösenwoller!
Wie, o wie ganz verstehe ich euch! „2lber", sagte ich entschlossen vor mich hin,
als ich, am Ostrand der Kuppe angekommen, mich ins Gras niedersallen ließ,
und dieses war die Antwort, die ich ihnen vorenthalten hatke, „aber — ihr
täuschet ench! Genau so, wie auch ich mich bis zur Erschöpsnng gekäuscht
habe! Denn alles, worüber ihr ench den Kops zerbrecht, geht uns — nichts an!
Gar nichts an! Fst nicht unsere Sache! Sondern einzig und allein Gottes
Sache! Oder sind etwa wir dieser Gott, der „Welk" macht und „Leben"
und „Zeit"? Unsinn! Wir haben einsach zu leben, was uns aufgelegt wird!
Ieder so guk, als ers ebcn vermag! Nlcht aber uns in eine Assäre
zu mischen."

In vollkommener Ruhe sah ich, so im Grase liegend, der Reihe nach: das Land
bis in die fernsten Horizonte hinaus sich ins Licht der Gestalt erheben; unten im
Tal zu meinen Füßen von einer Schar moosdachiger Hütken her vier Menschen
mit zwei Rössern und zwei Pflügen nach den Feldern herauf ziehen; geradeaus
vor meinen Augen drei blitzblank neugeborene Himmelschlüssel von einer Spitz-
maus umtanzt werden; und, zuletzk, die Sonne durch die gesprengken Wolken
brechen.

lllein, nein, lächelte ich vor mich hin, als der Strahl der Sonne mich schon
warm beschien, die Pslüge bereits blinkend die Furchen ritzken, eine Handvoll
blauer Aprilwind über die drei Blnmen hinfuhr, die Augen der Spitzmaus
toll vor Lebenslust aufsunkeltcn, und eine Menschenstimme, freundlich, nahe,
zu mir herüberscholl; nein, keine 2lngst, ich werde nichk senkimental! Es gibt
kein „Zurück!" mehr heutzutage! Auch kein „Zurück zur Rkatur!" mehr! Und
wer Lrotzdem herausslieht aus der Mühle der Skadt und einer Sonne auf den
Leim geht, heute, einem „biederen Landmann", drei Himmelsschlüsseln odcr gar
einer Spitzmaus, der muß sich gefallen lassen, daß man chn nicht einen harm-
losen Toren, nein, einen verstockken Egoisten schilt, um den nicht schade ist! Aber
— die Himmel sind immer noch unversehrk heute! Und die Erde ist immer noch
unverändert heute! Und der Herzschlag der Welt branst immer noch nnge-
brochcn heute! Und auch in mir, in diesem sterblich zerbrcchlichcn Gehäuse aus
Korn und aus Wolke drin donnert Er immer noch herrlich wie am erstcn Tage,
derselbe Gokk-Schöpfer! Derselbe...

Da krähte ein Hahn unten im Dorfe.

Schmckternder Brustton unüberwindlicher GewißheiL, dreimal, viermal, sünf-
mal hintcreinander, und noch einmal nnd noch einmal, nnd immer noch cin-
 
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