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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

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Heft 9 (Juniheft 1927)
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Trentini, Albert: Zwischenspiel
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0189

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SyrnpLome emdeutigen Abstiegs; UnLergangs! Die Ehe sei kapuk. Das Ver-
hältnis zwislhen Eltern und Kindern gelöst. Der Einsluß der Schule zer-
brochen. Das Intercsse am Staate vernichtet. Das Volk, das, was wir bisher
„Volk" nannten, in Individuen zerronnen. Die Verpflichtungskraft der Neli-
gionen dahin. Die Kirchen in Verfall. Alles also in Auflösung. Kcine Form
von Gemeinsamkeit mehr da, und nicht mehr das geringfte Gefühl von Ge-
bundenheit an irgendeine dieser Formen. Dazu gebe es Kultur henke
nur noch — „aus jedem Worke, das vorhin gesprochen worden, ging das
hervor!" — als Summe von Individualkulturen. Selbft diese aber besäße
cinzig noch die Minorität der sogenannten „Geistigen"; „wir"! „Während
die Majorität der Millionen, die Masse, nichk mehr ein Gran von Kulkur
hcute hat, sondern nur noch Zivilisation! llnd diese anbetet! Gotklos von A
bis Z ist sie, diese Masse, makerialipisch bis ins Mark, kitschselig, wissens-
seindlich, ausschließlich auf Leib, Ding und Genuß eingcftellk; wütender Hasser
des Geistes, mit cinem Wort!" Wie man sie anders machen könne? Da die
Kulturcn, dic wir Geistigen noch besihcn, sich schon untcreinander nichk ver-
tragen, dazu nicht etwa aus unserem Zusammenhang mik dcr Masse, sondern,
im Gegentcil, aus unserer hermctischen Abgespcrrtheit von ihr hervorwnchsen,
habcn wir der Masse auch nichts mehr zu geben. Aber schon gar nichks! Der
Wersuch aber, sie dazu zu bringen, daß sie an irgendeinem der alten, abgelutsch-
ten Ködcr wicdcr anbeiße, — dem cincr zclotischen Kirche ctwa, cines energi-
schen Staats, eines Ideals vom „Volke", vom „Hort der deutschen Fa-
milie," eincr biederen, frommen Ehe, usw. — aussichtslos! In diesem Punkte
teile auch er Theogrins Mcinung. Wenn aber Theogrin diese zerpnlverke,
durch und durch verlotterte, in zwei Trümmerhälften — die wahllos genuß-
süchtige Masse, und uns allersterilste Geistigen — auscinandergeborstenc
Mcnschhcit, diese ahnungslose Horde von Abgrundtänzern, dadurch in einen
Ausstieg, in cine Zukunst, in einen, wie er verheißk, ungeheuer höheren Neuan-
sang hinüberretten will, daß er deu allgemeinen Größenwahn, dem ohnehin
schon nichks mehr heilig ist, erst noch bestürmt, an das Teufelswort, „... ja,"
fchlug Iann die Faust in dcn Tisch, „an das Teufelswort zu glauben: Critis
sicut cleus! ... dann, bei meiner Seele..."

„Ganz richkig," fiel Theogrin ungcrührt ein, „der Menfch von hcuke
muß Luzifer werden! Aber auf Gottes — oder wenn Sie lieber wollen, des
Kosmos — cigensten Befehl hin! Ilnd wer diesen Ruf nichk hören will, wer
zu feige ist, ihn zu vernehmen, der..."

„Aber um Gottcswillen," donnerte ihm Iann — jcht hakte der Funke ins
Pulversaß geschlagen — wutweiß über den Tisch hinüber zu, „es handelt sich
doch nichk darum, daß Sie srevelhafter Seiltänzer genial oder nichk genial hcr-
nmphilosophieren! Sondcrn," und zum zweitenmal hieb er die Fauft ins Holz,
„daß wir retten, was noch zu retten ist! Den Unkergang aufhaltcn! Etwas muß
doch gefchehen! Ein Miktel müssen wir doch finden! Wir sind doch nicht auf
den Kopf gefallen! Wir schmden uns doch allesamk Tag und Nücht mit diescr

entncrvenden Frage ab: was denn können wir Lun, damit cndlich ..."

*

Das Weitere hörte ich nicht mehr. Ich war bei diesen Worten einfach auf-
gesprungen und ohnc noch zu überlegen aus der Tür gelanfen. Die Ankwort
 
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