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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

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Heft 9 (Juniheft 1927)
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Umschau
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das Kiinstwerk entstehen soll. Gerade die-
ses Feld mnß Kraftfeld sein, Zone,
m der sich das elgentli'che Gefchehen, das
große, fchöne Drama derBegegnung
eineö Menfchen mit der Welt abspielt.
Denn tveder auf das lsolierte Jch, noch
anf das isolierte Ding kommt es an, son-
dern auf die lebendige Beziehung
zwifchen beiden, dergeftalt, daß beide über-
haupt nur ivirklich sind im Augenblick
dec mechselseitigen Durchdringung, Er-
blicknng und Begnadung. Znm Jch nnd
znm Ding muß also ein ganz nenes Ele-
ment hinzutreten, damit zwifchen beiden
überhanpt etwas Wichtiges, Weltftiften-
deö gefchehen könne: die gegenseitige Er-
greifung, das gegenseitige Erkennen und
Anhaften; eine erotische Kraft also,
weil jede Kraft, die ein Wesen realiter
auffchließt, die es zugänglich und aus-
fließlich macht, von der Art der Liebes-
kräfte sein muß.

Dieses Kraftfeld zwifchen Jch und Ding
(zwifchen dem e r l ö ft e n fsch und dem
erlöften Ding) ift der „Ort" des Kunft-
werkes. Strahlungen vom Ding her be-
gegnen sich mit Strahlungen vom Men-
fchen her; von hüben und von drüben
glänzt das Leben. Den Glanz von bei-
den Seiten fängt das Kunftwerk wie ein
hineingeftellter Schirm auf. Jn dieser
Begegnung ift das Jch vollwertig ent-
halten und ebenso daü Ding, die Welt.
Beide aktualisieren sich in einem gemein-
samen Gefchehen, dessen höchftes, uns be-
kanntes Urbild das kindliche Welt-
erleben ift: das Kind sagt weder „Jch"
noch sagt es „Ding", aber es hat eine
Wahrheit des Welterlebens, in dem bei-
des sich unerhört, wenn auch vollkommen
fchweigend, durchdringt.

Wilhelm Michel

Frühjahrs-Ansßellung der Preußi-
schen Akademie

ie Jnftitute, denen der alte Heros
Akademos seinen fchönen Namen ge-
liehen hat, haben seit ihrer Wiedererwek-
kung im Laufe der Zeit manche Wand-
lung durchgemachk. Hof und Kirche er-
nährten sie zuerft recht ausgiebig, der
Staat zeigte sich wesentlich karger. Jm gro-
ßen nnd ganzenift die bürgerlicheSchicht in
wachsendem Maßc beftimmend gewesen.
Die Entwicklung der Akademie in Preu-
ßen war von Anfang an von einem Un-
siern befchienen. Der doppelte Charak-

ter — hier ein Ausfchuß hervorragender
Künftler als Landeskunftinftanz, dort eine
Lehranftalt — führte zu einer klaren, äber
durchaus nicht erfreulichen Trennung in
zwei Funktionen, die durch die vor einiger
Zeit erfolgte plötzliche Vereinigung der
Hochfchule mit der Kunftgewerbe-Schule
noch verfchärft worden ift. Es hat ein-
mal Zeiten gegeben, da die Akademie mit
dem Berein Berliner Künftler gemeinsam
Ausftellungen veranftaltete. Damals um-
faßte allerdings dieser Berein faft aus-
nahmslos alles, was in Berlin produktiv
war, und die Akademie ihrerseits sorgte
dafür, daß ihre auswärtigen Mitglieder,
Freunde und Gäfte würdig vertreten wa-
ren. Natürlich liegen die Verhältnisse
heute viel komplizierter, der Koftenfragen
darf man fchon gar nichk denken. Aber
wenn ganz, ganz kurz vor der Eröffnung
zweier großer, mindeftens äußerlich außer-
ordentlich großer, Sommerausftellungen
die Preußifche Akadenne eine kleine Aus-
ftellung von etwa dreihundert Bildern nnd
siebzig Skulpturen eroffnet, so muß sie
unbedingt hier Werke zeigen, die von
großem Gewicht sind, die eine Reihe von
Künftlern, die man hier sonft nie sieht,
mit Hauptwerken vorftellen. Sie inuß vor
allen Dingen einen Maßftab für das
Höchfte und Wichtigfte liefern, was heute
die in der Blüte der Jahre ftehcnde Gene-
ration hervorzubringen vermag.

All das hat diese Ausftellung nicht ge-
bracht; wenn irgendetwas, krankt sie be-
sonders sichtbar an den Nachwirkimgen
der Staatsumwälzung. Dies nicht etwa,
weil sie den rnzwifchen nachgerückten Ge-
nerationen, den Schmidt-Rottlusf, Pech-
ftein und noch ffüngeren ihre Tore ge-
ösfnet hat. Nichts war richtiger als das;
denn eine Akademie ift keine Gerusia.
Völlige Dergipsung ift diesen Jnftituten
ja lange genug und leider oft mit viel
Recht vorgeworfen worden. Was man
aber zu erwarten ein Recht hat, ift die
Vermeidung aller kleinen Atelierfchnitzel
und zufälligen notizartigen, in Rahmen
gespannten Studien und Amnerkungen.
Derlei gehört ins Atelier, allenfallö
auf die Sonderausftellungen, aber nicht
an den Pariser Platz. Natürlich wäre
mit dieser Forderung nur eine zif-
fernmäßig kleinere Ausftellung mög-
lich. Aber wäre das wirklich ein Scha-
den, wenn dem Publikum wieder zum
Bewußtsein käme, daß ein Kunsiwerk
mehr als einen einzigen, sehr flüchtigen

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