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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

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Heft 9 (Juniheft 1927)
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Umschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0210

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Blick verdient? Jst es nicht möglich, so
viel Arbeiten zusammenznbringen, daß
eine Ansstellung präsentiert wird, dann
heißt es besser roarten; man entspräche
damit durchans der Würde deS vov-
nehmsten preußischen Künstlergremiums.
Selbstoerständlich haben einige von den
Älteren noch ein natürliches Gefühl sür
den Unterschied zwischen Werk und No-
tiz. Kampf und Ulrich Hübner, Mosson,
Langhammer und Otto H. Engel z. B. nnd
der vortresfliche, unermüdliche Julius Ja-
cob, der sicherlich längst sehr berühmt
wärg, wenn er nicht so viel nnd so gern
Berli'n gemalt hätte. Diesmal schildert
er Sturm und Herbst mit einem ganz
erstaunlich srischen Gefühl, man spürt mit
dem Eröreich und den flatternden Zwei-
gen die wehende Fenchtigkeit der Luft.
Jch halte es für ein sehr gutes Zeichen,
daß wieder bemerkenswerte Menschen-
schilderungen in größerer Zahl erscheinen:
Orlik hat virkuos und sehr charakteristisch
Annemarie von Nathnsius gemalt, Ko-
koschka den Professor Kestenberg, freilich
ohne Schmeichelei, aber mit schwer ver-
geßlichem Ausdruck, Philipp Franck den
Geheimrat Pau! Straßmann, im hellen
Arbeitsranm, im weißen Arbeitskittel, breit
fest, sicher und prachtvoll durch die Schil-
dernng eines strahlenden Weiß. Derselbe
Strich wirkk in zwei danebenhängenden
venezianischen Ansichten des Meisters et-
was schwer nnd hart. Franck hat eine
lange und mühevolle Arbeit hinter sich,
ist sich immer treu geblieben, und aus
dieser Treue sind ihm dann von Zeit zu
Zeit Arbeiten erwachsen, die zu den aller-
besten Berliner Malereien gehvren.

Auch bei der mittleren Generation spielt
das Bildnis seine Rolle. Willy Jaeckel
stellt zwei Porträts junger Damen aus,
von denen besonders das eine in roten,
braunen und blauschwarzen Tönen gegen
ein fein gelbliches Gesicht harmonisch
wirkt. Koloristische Begabung ist ja
Jaeckels stärkste Seite nicht, aber er
i'st in der Lage, sie nicht vermissen zu las-
sen. Nur manchmal verführt ihn das
Entzücken an jugendlicher Haut zu einer
gewissen Süßigkeit, die dann aufsallen
muß, weil sie in den übrigen Teilcn seiner
Bilder keinen AuSgleich findet. Sein be-
stes Bild dieömal, und vielleicht das beste
der ganzen Ausstellung, ist das Gruppen-
porträt der fünf Gebrüder Ullstein. Der
Künstler hat diese fünf dunkelgekleideten
Herrn in reiferem Alter um einen runden,

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grünbezognen Konferenztisch herumsitzend
gemalt. Das schwierige Problem ist glän-
zend gelöst. Rechts sind drei, links zwei
Köpfe als Gruppe gegeben, die Kompo-
sition also ist ein wenig, wenn anch nicht
so radikal wie beim Bildnis der Geschwi-
ster Wilke, in zwei schwebende Hälften
geteilt. Die auf dem Schreibtisch ver-
teilten hellen Papiere leiten dann zu dem
schön gemalten bunten Perserteppich des
FußbodenS über. Sicherlich ist das Bild
bestimmt, in einen großen, aber verhält-
msmäßig niedrigen Raum gehängt zu
werden. Jaeckel hat daher alle Figuren
in Verkürzung gezeichnet. Dazu gehörte
eine Portivn Kühnheit, aber sie hat sich
in diesem Fall gelohnt. Die Porträts
selbst sind vortresflich gezeichnet, der Ge-
samteindruck ist der einer zurückhaltenden
Sachlichkeit, — sicherlich eben das, was
Besteller und Künstler hier wollten.

Sein schlesischer Landsmann Plontke hat
e!n natürliches Empfinden für eine stark
individuell gefärbte Farbenskala und einen
völlig ausreichenden Gefühlshorizont für
daü Jdyllische, Gemütvolle und leicht Gro-
teske. Was ihm merkwürdigerweise mehr
und mehr verloren geht, ist nun aber daS
Gefühl für die materielle Schönhcit der
Farbe. Er malt seine Bilder beinah, als
ob er Freöken machen wollte. Eirie große
Flucht nach Ägypten hat außerordentliche
Vorzüge, das Emzelne bezaubert, aber
das Ganze zerflattert. Es ist freilich
unmöglich, einem Maler raten zu wol-
len. Dazu tst die innere Arbeit des be-
gabten JndividuumS denn doch viel zu
kompliziert. Aber wenn irgendwo dieGe-
gend, die ein Talent bebaut, einem gar
zu unfruchtbar erscheint, das kann man
sagen. Georgc Grosz ist zu einer kleinen
Sonderausstellung aufgefordert worden.
Trotzdem er sichtlich den Antrieb zum
Schassen immer wieder den Kränkungcn
seines sozialen Gerechtigkeitsgefühls ver-
dankt, sind die künstlerisch reifsten und
ausgeglichensten Arbeiten wieder zwei
Bildnisse. Magnus Zeller hat eine ent-
zückende kleine Ballettszene von besonders
gelungenen Farbenreiz gcsandt.

Jn der Kunst hängt ja alles am Jndivi-
duum. Die Richtungcn, die Stiltendenzen,
die Schulen, all das überragt das ssndi-
viduum. Reichtum einer Blütezeit ist
nichts andereö als Reichtum schasfender
Jndividuen. Ja sogar die Höhe des all-
gemeinen Niveaus, der malerischen Kul-
tur, des zeichnerischen Könuens, werden
 
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