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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

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Heft 9 (Juniheft 1927)
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Umschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0211

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von einem oder ein paar Jndividuen be-
siimmt und an ihnen gemessen. Darum
sieht man auf jeder Ausstellung aufmerk-
sam um sich, ob man nicht bei irgend-
einem Betveise solcher Fähigkeiten ent-
deckt. Jmmer lvieder bleibt man vor
Bernhard Hasler stehn. Sowohl daS Jn-
nere eines Autoomnibusses, als auch der
perlmutterfarbenschimmerndeAktsind wie-
der Proben einer sehr feinen Begabung.
Warum, fragt man sich, hat dieser Kunst-
ler nun nicht cine ganz winzige Portion
der Farbenbrutalität, die Pechstein dieö-
mal in Braun und Blau auf seinen Bil-
dern sich bis aufs letzte austoben läßt?
Haöler sieht sein Problem klar, aber
aus Furcht, geschmacklos zu werden, hört
er auf halbem Wege auf. Von den jün-
geren Kräften fcheint man sich ein paar
Namen merken zu müssen. Feibufch, der
fchon bei Neumann-Nierendorf diese
Stücke ausgestellt hatte, muß wohl seine
Technik aus München haben: Knaben und
kleine Mädchcn im unruhigen Licht der
Laubwälder mit ihren farhigen Schatten,
bewegt und reich, fast rasfiniert gemalt,
ein Fest für die Augen, aber immer nah
am Abgrundsrand der Virtuosität. Otto
Heinrich, wesentlich beruhi'gter als früher;
Felir Mescck, in Weimar jetzt Professor,
befchränkt sich in einem Porträt und einer
großzügigen Landschaft auf vornehme
graue, blaßbraune und höchstens rosa
Töne. Es ist nicht zu befürchten, daß
diese Befchränkung für ihn eine Gefahr
ist; auch der späte Goyen und so mancher
andre brauchte nicht alle Farben des Re-
genbogcns, um zu wirken. Die stille Art
dieses Künstlers findet in jedem Astwinkel,
in jeder Erdmulde etwas Wichtiges zu
sagen. Heinrich Nauen brachte einige sehr
schönfarbige Bilder, Stilleben, und Wolf
Röhricht zwei große Schweizer Land-
fchaften, von großem Zug und von atem-
barer Atmosphäre ganz erfüllt. Und
dann waren noch ein paar neue Namen
öa: Franz Stock auS Berlin, mit einem
ländlichen Tanzvcrgnügen in der grünen
Dämmerung eines Frühlingsabendö, wo
die Farben der Kleider und die Gesichter
aus dem gedämpften Grund aufleuchten,
ein wenig an Goya erinnernd, nur in der
Raumbehandlung noch nicht ganz frei;
und eine große Malerei: Wustrower Kin-
der von Hedwig Woermann. Gewiß ist
das kein Bild, diese sympathische Horde
kleiner Buben und Mädchen, auf einer
großen Leinwand durcheinander geschil-

dert, aber die Kunst der Charakterisierung
und das Maßhalten in ihr — alle Ach-
tung!

Es soll nicht verfchwiegen werden, daß
die Akademie eine Anzahl answärtiger
Gäste geladen hat. Man sah Bilder von
Clarenbach, Julius Heß, FranzStuck, und
von Pankok zwei sehr gute, nur etwas
schwarz geratene Bildnisse. Aber wemi
die Akademie ausstellt, muß sie unbedingt
auch hier dafür sorgen, daß mehr wich-
tige Arbeiten herkommen.

Die Plastik, durch die dem Krieg folgende
Armut nicht zu ihrem Nachteil zu kleine-
ren Ausmaßen gezwungen, machte eincn
erfreuli'chen Eindruck. Kolbe, der Sechzig-
jährige, stellte seinen Entwnrf für den
Hamburger Stadtpark aus, Kraus eine
Büste von Liebermann und einen beson-
ders gelungenen Zünglingstorso. Bednorz
sandte die vor ein paar Jahren gefchaffne
Mussolinibüste, die natürlich schon des
Dargestellten wegen beachtet wurde, Ed-
zard einen stehenden Jüngling; feine
kleine Arbeiten von Renee Sinteniö; von
Totila Albert eine kleine Bronze voll
Charakter und Ausdruck, wie viele Stücke
dieses feinen Künstlers. Milly Steger
kämpft in ihrer Medeagruppe mit den
lästigen Resten einer erpressionistischcn
Periode. Das ist für viele Künstler heute
eine schwere Aufgabe. Zugunften der ge-
schlossenen plastischen Form hat sie das
wesenklich Erstrebte, den Auödruck der Lei-
denschaft, auf eine Ansicht befchränkt
und ein Mittelding zwifchen Gruppe und
Relief gefchafsen, das nun gänzlich uner-
freulich wirkt. Dagegen steht G. H.
Wolff über Stoff und Aufgabe; die
hockende Gartenfigur auS Kalkstein
>n ihrer fast mystischen Geschlossen-
heit ist eine beachtenswerte Leistung, schon
wegen ihres Berzichts auf jedes Getue
und wegen ihrer natürlichen Stillheit.
Und der Münchner Koelle fällt auf, weil
er ein besonders feines Gefühl für das
Material der Bronze hat, die ja fest
und zäh und elastisch zugleich ist.

So ist die Ausstellung nicht, wie wir er-
warten mußten, die bedeutsame, daS Maß
angebende Normgebung für die kom-
menden großen Ausstellungen in Berlin
gewesen, sondern nur eine bescheidene
Akkordfolge. Sie hat uns nicht gesani-
melt, sondern eher zerstreut, und unsre
Spannung ist nicht geringer auf das, was
nun folgen wird. Walther UnuS

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