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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

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Heft 10 (Juliheft 1927)
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Tribüne
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0286

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und loooo Teilabreibungen hinterlassen, nach Ort und Motiven in überlegtester
Ordnung gebranchssertig gemacht; und das alleS neben einer Riesenlast von Berufs-
arbeit. — Man hat in Laienkreisen meist wenig Ahnung von dem opferfreudigen
JdealiSmus der Gelehrten. — Neben der Verarbeitung solchen AnfchauungS-
materials bedarf es aber meist umständlicher Archivforschungen in Jnnungsverzeich-
nissen, alten Rechnungen, Jnventarien. Und doch ist das alles nicht bloß gelehrter
Spezialistenkram. Diese alten Bucheinbände vermitteln viel örtlichen Geist in öer
Wahl des Materials und der Formen, mancherlei Beziehungen zu den graphischen
Künsten und der allgemeinen Kultur; sie sind oft hoheS künstlerischeS Gut, dessen
Grad tvir für unsere Zeit erst wieöer erwerben müssen.

Dem ganzen Gebiet des Bucheinbands, in alter und neuer Zeit, dient das eben er-
schienene „I ahrbuch der Einbandkunst" (Berlag für Einbandkunst in
Leipzig), eine Meister- und Musterleistung in der Redaktion, im Wert der vielen
und vielfältigen Beiträge von ersten Fachleuten, in der typographischen Ausstattung
und den ganz ausgezeichneten Tafeln; über 100 an der Zahl bei Zäo Seiten Text.
Nur erprobten Kennern mit solch internationalen Beziehungen wie Loubier und
Klette, dem Redakteur des „Archivs für Buchbinderei", konnte ein derartigeS
Werk gelingen. Trotz seiner gründlichen Gelehrsamkeit ist der stattliche Band frei
von allem Bücherstaub, immer lebendig und vielseitig anregend, ob es über mittel-
alterliche Blindpressungen und Nenaissance-Meister geht oder eine internationale
Übersicht dcr jüngsten Literatur gegeben wird. Gegen 200 Seiten behandeln ver-
schiedene grundsätzliche Fragen und Anregungen zum modernen Bucheinband, der
in einer Übersicht der europäischen Buchbinderei interessant gewürdigt wird. Jch
habe den Band nicht gelesen, sondern verschlungen, ohne daß er mir Beschwerden
gemacht hätte — nur Bergnügen und Belehrung mannigfacher Art hat er mir ge-
bracht. Jch möchte allen Buchfreunden, die über etwas reichere Mittel verfügen,
dicses Jahrbuch wärmstens empfehlen und weiteren Kreisen, die für die Kultur des
BucheS etwas übrig haben, davon einiges ausplaudern dürfen.

Die Stärke und Tiefe einer künstlerifchen Kultur erkennt man an dem Umfang und
Grad, in dem die Kunst alle Lebensgebiete durchdringt — wie in unserem industriel-
len Zeitalter das die Maschine besorgt: erst durch solche allseitige Gestaltung
wird ein „Stil" Ausdrucksform einer Zeit, eines Dolkes. Was Wnnder, daß das
Buch als einer der edelsten Träger und Verbreiter geistiger Werte in „stil-vollen"
Zeiten besonderer Pflege sich erfreute. Schon in frühromanifcher Zeit sind die
kirchlichen Bücher der Klöster, Bischöfe und Fürsten oft Meisterwerke des Schrei-
bens und MalenS, der Goldschmiede und Elfenbemschnitzer. Als eigeneS Gewerbe
crscheint die Buchbinderei mit wenig AuSnahmen um die Mitte des 12. Jahrhun-
derts, als typisches Klostergewerbe wie jeneS der ältesten Prachteinbände. Und so
blieb es bis in die Renaissance. Noch im iä. Jahrhundert sind Klosterbrüder die
schärfsten Konkurrenten der Laien, die gegen sie den Schutz der Zünfte und Be°
hörden aufrufen. AuS dem Bamberger Benediktinerkloster Michaelsberg hat sich
ein Jnventar vom Jahr i/söZ erhalten, das einen erstaunlichen Reichtum von Werk-
zeugen und Geräten für die Buchbinderei aufzählt. Und der Nürnberger Domi-
nikanerbruder Konrad Forster (iisög—67) war der Erste, der seine Werke mit
Namen bezeichnete.

Die mittelalterlichen Einbände gehören nach dem Urteil der berufensten Kenner zu
den bcsten Leistungen, und ihre Blindpressung ist „eine der wichtigsten, wenn nicht
die wichtigste Periode in der Geschichte des Bucheinbandes". Sie erstand m einer
plötzlichen Blüte, kurz vor 11Z7, in Nordfrankreich und kam durch Benediktiner nach
England, wo sich heute noch die meisten derartigen Werke finden; weshalb man biö
vor kurzem den Ursprung fälschlich dorthin verlegt hatte. Nach dem Festland zurückge-
kehrt, gedeiht die Blindpressung hier bis über läoo hinauö. Diese Einbände sind

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