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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

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Heft 10 (Juliheft 1927)
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Tribüne
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0287

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durchweg Holzdeckel mit Lederüberzug, der mit dem Stricheisen in verschiedene
Felder ausgeteilt tvorden, m die mittels Stempel Ornamente, Fignren oder sigür-
liche Darstellnngen als Relief eingepreßt werden — Blindpressung. Die besten Mei-
ster schusen sich ihre Stempel selbst, die schwächeren gebrauchten sie mit; ost traten
sie weite Wanderschaften an. Jhre Motive sind der zeitgenössischen Graphik und vor
allem den Spielkarten entnommen. Neben dem Reiz der Erfindung und Darstellung ist
die Art und Weise, wie sie zueinander geseht sind, um die Fläche zu beleben,
das entscheidende Merkmal der künstlerischen Oualität. Dazu kommt die Wirkung
der Beschläge, die Austeilung des Rückens in Schrist und ornamentaler Glie-
derung. Der Handwerker wird hier durchaus zum Künstler. Daneben wurde der
Lederschnitt geübt, der wie der Stempeldruck in den modernen Liebhaberbänden wie-
der wirksam geworden ist. Jhn besorgte aber im Mittelalter nicht wie heute der
Buchbinder, sondern der Lederschnittkünstler, der auch Futterale, Möbel u. a. auf
solche Weise verzierte. Durch die Ersindung der Buchdruckerkunst trat eine gewal-
tigc Steigerung der Buchproduktion ein, sür die man eine neue, bequemere und
billigere Schmuckweise der Einbände brauchte. Und so kam der schon im Mittelalter
gepslegte Plattendruck in Übung, sür größere Darstellungen und ganze Seiten.
Wappen, allegorische Darstellungen und selbst Bildnisse — z. B. jenes von Luther —
wurden aus solche Weise eingepreßt; manchmal auch in Holzschnittmanier, die aber
weniger wirksam ist, weil ihre Striche sich zu wenig ausprägen. Daneben wurde die
Rolle ausgiebig benützt. Sie ermöglicht durch die streisenweise Aneinandersetzung
des gleichen MotiveS eine bandmäßige Verzierung, die allmählich so reich wurde,
daß die Platte dadurch immer kleiner geriet. Der alterprobte Stempel wurde außer-
dem weiterbenützt. Dadurch vereinigt ein alter Einband ost alle drei Arten der
Behandlung -— zumal in den Renaissance-Arbeiten.

Durch die Säkularisation zahlreicher Klöster und Stiste der protestantischen Länder
hörten viele mittelalterliche Buchbindereien und Bibliotheken aus; aber mancher Fürst
pslegte die Einbandkunst weiter. Jakob Krause, der größte deutsche Buchbinder des
ik.Jahrhunderts, von iö66 bis 9z, der vorher sür die Augsburger Fugger gearbeitet
hatte, trat in die Dienste des sächsischen Kursürsten August. Wir kennen von ihm
über 700 Bände. Nicht weniger berühmt ist sein Nachsolger Meuser. Auch die
Gattin des Herzogs Albrecht von Preußen pslegte den Prachteinband. Eine bedeu-
tende Stätte der Buchbinderei schusen die braunschweigischen Herzöge in Wolsen-
büttel, deren Bibliothek durch Lessing weiten Kreisen bekannt geworden. Aber auch
in Frankreich, z. B. in Lyon, blühte die Buchbinderei, nicht weniger in Jtalien,
das stark nach dem Norden gewirkt hat. Und so war es vielsach durch den Barock
bis in den Ansang des ig. Jahrhunderts. Selbst die Pappbände der Biedernieier-
zeit haben noch Kultur und sind handwerklich tüchtige Leistungen. Jn den 80 er
und 90 er Jahren des ig. Jahrhunderts waren die beliebten Prachtbände unserer
Klassiker und anderer Schriftsteller nur ein trauriges Seitenstück zu den über-
zierten Dillen und össentlichen Bauten der Zeit, deren breitspurige Ausdring-
lichkeit unS heute peinlich ist. Dagegen erhob sich vor etwa zo Jahren die moderne
Künstlerschast. Sie schus zunächst charaktervolle Schristen, erstrebte deren harmo-
nischen Satz, paßte die Bilder gut dazu und zeichnete die Einbände. Allmählich
erkannten die sür solche Arbeiten Berusenen — und nicht jeder Künstler eignet
sich hiezu, was heute viele Verleger immer noch nicht einsehen —, daß sie sich
um die Kenntnis der handwerklichen Herstellung bemühen müssen, um von den bloßen
Papierentwürfen loSzukommen. So wurde mancher Künstler zum Buchbinder. Mit
dem wachsenden Sinn sür das Zweckmäßig-Sachliche und Einfach-KIare näherte
sich der moderne Bucheinband immer mehr dem Charakter deS alten und
damit seinen Arbeitsweisen. Heute haben wir in Deutschland, Dsterreich, Schweiz,
Paris, Prag, Budapest, in Dänemark, Schweden und Norwegen wie in England

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