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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

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Heft 10 (Juliheft 1927)
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Tribüne
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0293

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F. Th. Vischer, Geibel und Hektner, dann den unvergleichüch schönen Aussatz Hos-
rnannschals über seinen RitL durch Phokis, den ein wenig pedantischen Birt. Aus-
gesprochen schlecht ist nur der Bericht über die Jnsel Ägina von Jsolde Kurz. Die
neunzig Bildtaseln sind wahre Meisterleistungen des guten Geschmacks und geben
Lust und Licht mit allen Stimmungen wieder, soweit es die Schwarzweiß-Technik
nur möglich macht.

Daß das Lichtbild beinahe Poesie werden kann, zeigt Karl Gröbers Bildwerk
„Sicilia" (Berlag Benno Filser, Augsburg), daS sich in seinem Text auf Baedeker-
notizen beschränkt, dasür aber in den Abbildungen stimmungsvolle Ausnahmen
bringt, deren künstlerischer Wert als hervorragend angesprochen werden muß. Das
stechende Licht, die stahlharten Schatten, der Silberschimmer der Oliven sind gut sest-
gehalten, weniger gut die Helligkeit des Himmels, die beim Gebrauch des Gelb-
silters zu erreichen wäre.

Photographischen Dilettantismus und dichterische Landschaftsschau vereinigt das
schöne Buch des Arbeiterdichters Heinrich Lersch „Capri" (Wolsgang Jeß, Berlag,
Dresden), das endlich einmal keine Beschreibung, sondern ein poetisches Träumen
und Weiterspinnen südlicher Lichtsarben ist, die sich im Temperamcnt eines urtüm-
lich empsindenden Menschen spiegeln. Lersch schwelgt nicht in schablonenhaster
Landschastswonne, er empsindet den Trug, die Grausamkeit und Tragik des
Südens in Worten voller Tiessinn und Schwermut, die stellenweise so schön sind,
daß man an Francis Jammes denken muß. Schade, daß die Abbildungen unzn-
länglich sür ein Dichtwerk so hohen Ranges sind!

Ebenso wie Lersch kann Emil Ludwig in seinem Buch „Am Mittelmeer" (E. Ro-
wohlt, Berlin) jedes Wvrt verantworten. Er wil! keine Dichtung von Stimmungen
geben, sondern er umreißt in großen Zügen die Menschheitsprobleme, die sich im
Mittelmeerbecken entwickelt haben. Scine Sprachmelodie schmiegt sich einschmei-
chelnd dem südlichen Farbenrhythmus an, ist mit dem Aroma der durchwanderten
Länder gesättigt, ist bald wirkungsvolles Feuilleton, bald dichterische Tiesenschau,
aber immer gepflegt, so daß das Lesen den smnlichen Genuß der Landschast ver-
mittelt.

Als irmerlichstes Reisebuch der letzten Jahre möchte ich Rols Schotts „Rcise in
Jtalien" (Sibyllen-Verlag, Dresden) bezeichnen, ein Erlebniü und eine Deutung in-
wendiger Antike. Jch hielt Rolf Schott bisher sür einen Maler; er hat vor Iahren
ein Aretinobüchlein von mir illustriert, recht mäßig. Umso überraschter, ja ergrisfen
war ich, als ich sein Jtalienbuch mit steigendem Genuß las. Hier spricht ein Dichter,
der zuinnerst das Problem der Antike ersaßt hat. Jn seiner Seele schwingen Stim-
mnngen, die von den seinsten Negungen des hellenischen Geistes wissen, die Geist
und Form als Geheimnis einer naturinnigen Menschlichkeit ersühlen, so daß in
diesem edel humanistischen Werk lebendige Ströme quellen. Nicht mit Daten und
Vergangenem wird der Leser überschütket, nein, alles lebt, die Tempel von Paestum
ebenso wie die i'mperialistische Geste deS Mittelalters.

Ein günstiger Zufall brachte mir das spanische Gegenstück zu Schotts Buch gerade
zur richtigen Zeit in die Hände: „Jnbrunst und Düsternis", ein Spanienbuch von
Emil Lucka (Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart). Auch Luckas Blick dringt unter
die Oberfläche des bloß Koloristischen und deckt die Schichten der übereinander ge-
wachsenen Kulturen auf. Er zeigt als Grundmotive der spanischen Seele die chao-
ckische Ekstase in el Greco, den Visionären und den Kathedralen Kastiliens. Fast wil!
es bedünken, daß die Wirklichkeitsserne der spanischen Mystik ein Erbteil der ver-
seinerten arabischen Kultur wäre. So wird dem Spanier jedes Gefühl zum in-
brünstigen Jenseitskult. Und als Gegensatz zeigt Lucka die Düsternis der Grausam-
keit in Stierkämpsen und in der Jnquisition. Höllenglut und Himmelswonnen
mischen sich zu einer Kultureinheit, deren Tragik erschütternd ergreist, die lähmend

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