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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

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Heft 10 (Juliheft 1927)
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Tribüne
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0292

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schaulich, wird durch eingestreute geschichtliche Anekdoten belebt, ohne in Flüchtig-
keit zu verfallen. Es glückt dem Verfasser, aus der Verwirrung deS iä. und 16.
Jahrhunderts klare Leitideen herauszuarbeiten und mit erfreulicher Objektivität zu
gruppieren, zumal in den Fragen der Reformation und der Papstgeschichte. Re-
naissancegesühl, Moral der Kraft und Unmoral der Triebe als AusgangSpunkte
des neuen Europa sind von Knypers in vorbildlicher Weise dargestellt worden.
Durch seine Beziehungen zur lebendigen Gegenwart ist das Buch die beste Vor-
bereitung für eine Romfahrt, die mehr als eine Vergnügungsreise sein will, und
ein nachdenkliches Werk für jeden, der in der ewigen Stadt längere Zeit gelebt hat.
Eine ähnliche Absicht dürfte dem Buch , ltalia sempiterna'' von Waldemar Frey
(Dreimasken-Verlag, München) zugrunde liegen. Auch hier eine Fülle des WissenS-
werten, aber ohne organischen Zusammenhang. Es wimmelt von Gemeinplätzen und
Redseligkeiten. Die Aufzählungen erinnern an Baedeker, die Darstellung bleibt
meist eine bloße Aneinanderreihung, das kunstgeschichtliche Erleben wird zur Scha-
blone. Alles, was Frey sagt, ist richtig, aber war es notwendig, aus fünfzig
Büchern ein neues zu machen? Und wie nüchtern und farblos ist der sprachliche AuS-
druck! Statt auf Grund eines eigenen Erlebens eine Jdee herauszuarbeiten, schüttet
der Versasser Säcke von Notizen über den Leser, die wie ein Hagel erbarmungsloö
niederprasseln. Wer Jtalien genau kennt, kann da und dort aus dem Buch Nutzen
ziehen, wer aber zum erstenmal dorthin will, dem wird der Kopf dermaßen ver-
wirrt, daß ihm jeder Genuß vergällt sein muß, wenn er dann wirklich in dem Land
weilt. Er ist dann mit Bildung vollgepfropst, daß er sich gar nicht trauen wird,
auf eigene Faust Jtalien zu erleben. Freys Buch kaut alles vor, macht alleö mund-
gcrecht und paukt unermüdlich Daten ein. Wo es sich wirklich um ein großes Er-
leben handelt, versagt er. Bewei'S: seine sechs Seiten über Assisi sind hilfloses
Gerede, von der Weihe des Ortes hat er keine Ahnung. Oder was sagt Frey über
Pompeji? „Ein nähereö Eingehen auf die Einzelheiten der Ruinen von Pompeji,
die der Gegenstand eines speziellen Jnteresses sind, erschei'nt in unserem Zusammen-
hang nicht nötig."

Nicht minder seltsam berührt das Buch von Josef Pvnten: „Griechische Land-
schaften." (Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart.) Aus Seite ig ist zu lesen: „Jch
habe mir vorgenommen, mich um Geschichte und Altertümer möglichst wenig zu
bekümmern." Und deshalb fährt er gerade nach Griechenland? Nun, Ponten hält
Wort, erzählt aber dafür umsomehr von der geologischen Formation des Landes.
Man hört ununterbrochen von Flysch, Mergel, Hornstein und Glimmerschiefer;
dann auch oiel vom Pflanzenwuchs. Will also Ponten mehr als Geologe und Bo-
taniker und nicht als Dichter gelten? Sein Deutsch ist oft übertrieben eigenwillig,
fast verschroben, gesucht, ost osfenkundig schleuderhaft. Auch in der Darstellung
läßt er es an Genauigkeit fehlen, z. B. S. 22: „Der Eurotas schrnmpft im Som-
mer zu einem Wasserfaden ein." Er ist in Lakonien gut zwei Meter tief! Oder
Seite 27: „Das größte Theater Griechenlands ist das von Megalopolis." Und
Epidauros? Oder Seite 66 über Delphi': „Jn der Mitte klasst der dunkle Spalt,
über dem die orakelnde Pythia saß." Jn Wirklichkeit i'st keine Spur von dem sagen-
haften Spalt zu sehen, vergebenS bemühen sich nvch jetzt alle Archäologen, ihn zu
finden. Dies sind nur Kleinigkeiten, aber gerade ein Geologe sollte in dieser Hin-
sicht gewi'ssenhaster sein. Nur um eines beneide i'ch Ponten, um die Kenntnis der
Strophaden, einer Jnselgruppe im ionischen Meer, deren Schilderung poetisch rein
und gcklärt ist. Sonst ist an dem Buch eine große Anzahl guter Abbildungen zu
rühmen.

Den reinsten Emdruck griechi'scher Landschaften gewinnt man aus Ernst R c i -
singers „Griechenland. Schilderungen deutscher Reisender" (Jnsel-Verlag, Leipzig).
Reisinger stellt aus alten Reiseberichten anschauliche Kapitel zusammen. Wir finden

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