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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

DOI Heft:
Heft 11 (Augustheft 1927)
DOI Artikel:
Reisner, Erwin: Protestantische Religiosität und philosophische Erkenntnis
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0350

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des Opfers erkennt und mit allem Nnchdruck bekonk, reflekkiert er doch wieder
auf sich als auf den Vollbringer, als auf den A u f e r ft a n d e n e n, nnd
machk damik die Auferftehnng zum äfthekifchen Schäusgiel, zur Farce. Die
Philosoghen sind die Gerechken im Geift, deren linke Hand —^ bildlich ge-
sgrochen — innner weiß, was die rechke kuk, die Pharifäer, die ferner sind von
Gokk als die Zöllner und Sünder, d. h. hier als die Einfälkigen. Während
der Gläubige, der posikiv Gläubige nämlich, durch Chriftum um die Auf-
erftehung weiß, will der Philosoph ihre mekaphysifche Nokwendigkeik auf-
zeigen und verlegk damik das Auferftehende in das erft zu Kreuzigende. So
bleibk jede Werkphilosophie eine „Odyssee des Geiftes", die aber niemals
ihr Jkhaka finden kann, sondern diese Jnsel der Verheißung, wenn sie sie
endlich erreichk glaubk, enkkäufchk als Faka Morgana erkennen muß.

Der prinzipielle GegensaH zwifchen idealiftifcher Werkphilosophie und Chri-
ftenkum kommk nakürlich in der reinen Ekhik am fchärfften zum Ausdruck.
Der Idealift bekrachkek den Prozeß der Selbftläukerung opkimiftifch als ein
Forkfchreiten zu immer höherer Vollendung und Wesenklichkeik, der evange-
lifche Chrift umgekehrk als das unaufhalksame Sich-Annähern an das radikale
Opfer auch des LeHken. Was fchließlich übrigbleibk, ift hier kemeswegs das
reine Ich, sondern nur das noch nichk Geopferke und auch noch zu Opfernde.
Eine Übereinftimmung, die Läufchen kann, beftehk zwifchen beiden Auffassungen
allerdings, nämlich die dork wie hier bekonke Pflichk zur Selbftbewah-
rung. Aber dieselbe Forderung hak jedesmal einen ganz anderen Sinn. Aus
der fchuldhafken Selbftabfchließung des Menfchen von Gokk erwächft dem Chri-
ften die geseHhafke Verpflichkung, diese Schuld auch auf sich zu nehmen,
d.. h. die sich aus ihr ergebende peinvolle I ch - E i n s a m k e i k der vbjektivcn
WirklichkeiL gegenüber zu kragen und nichk zu versuchen, sich auf Schleich-
wegen wieder in das verlorene Paradies zurückzuftehlen. Dem Idealismus
hingegen wird, wenigftens kheorekifch, die pflichkmäßig übernommene Eiu-
samkeik zur Errungenfchafk, zur Selbftinnewerdung des sich enkwickelnden
Geiftes. Das Endergebnis ift die ganz verkehrte EinfchäHung des Bekennk-
nisses znr Eigenschuld als Bekennknis zum Eigenwerk. Der Sub-
jekkivismus gibk sich als die endliche Befreiung von äußeren Bedingkheiken.
Diese idealiftifche Ethik enksprichk, wie unfchwer zu bemerken ift, der Heils-
seikc der Religion; denn der bewcrkeke Ichreft ift im Grunde nichks weiker
als eben das noch vorhandene Ouankum an posikiver Gläubigkeik, an Offen-
heik für Gokk. Weil aber die idealiftifche Ekhik nichk Glaube, sondcrn Philo-
sophie ift, also der sich immer von Gokk abfchließenden Reflerion enkftammk,
hak sie kein Rechk, irgendekwas zu bewerkcn, und so verpflichkek gerade
sie am Ende zum exkremen Opferftandpunkk. Das reflekkierke Selbft ift
immer auch das zu opfernde und jedenfalls vor Gokk uiemals zu bewah-
rende. „Alles menfchliche Pakhos lebk irgendwie und zuleHk vou dem Pakhos
des Mrius sieut lv-us«,!" (Barkh), auch das Pathos der idealiftifchen
Selbftbewahrung nakürlich.

TroH alldem aber beftehk zwifchen dem Ekhos des prokeftankifchen Chriftcn-
kums und dem der idealiftifchen Philosophie ein Gemeinsames, das nichk über-
sehen werden darf. Die idealiftifche und das heißk die ftoische Aukarkie
ift prokeftankifch, weil ja Prokeftankismus eine Geifteshalkung bedeukek, dic au

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