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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

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Heft 12 (Septemberheft 1927)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0477

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mensträuße ans mit samtweichen Blättern
und Blüten, leuchtend in sarbiger Fülle.
Dann ein Mastschwein von kolossalischem
Umsang, überglänzt von silberlgem Bor-
stenwerk. Weite Moorlandschasten, die
in unendlicher Ferne und Dunkelheit ver-
sinken, ertrinken, verregnete Dörser voll
glitschi'ger Nässe, zersallene Hütten, Wol-
ken und Bäume aller Art, wie Urwesen
aus Frau Holles Zeiten. Ein taumeliger
Mensch, der traumwandlerisch mit der
Lampe zum Schreibtisch wankt, das Zim-
mer mit der Wucht seiner Gestalt sast
erdrückend — und noch dies und das.
Auch ein Selbstbildnis: der mächtige Kops
eines Dreißigers, der Tag und Nacht,
bei Wind und Wetter im Freien lebt, das
breite Antlitz mit wucherigem Haar und
Bart umwaldet. Ein germanischer Her-
kules und Rübezahl zugleich; voll strotzi-
ger Gesundheit und Krast; aber auch gut-
mütig, ja gütig, kinderhast verträumt und
welterstaunt. Ein köstlicher Erdgeruch
geht von ihm auS. Ein Mensch, der sich
aus innerer Notwendigkeit der Natur
überläßt, sühlend, daß ihm aus ihr ge-
heimnisvolle Quellen aufbrechen und er
Dinge inne wird, die anderen versagt
sind. „Er ist selbst ein Stück Wald, das
sich wachsen läßt in aller Unschuld und
Sicherheit", sagt Worringer anschaulich
von ihm; und weiter: „Die Bäume sind
Pankok außerordentlich wichtig — und
was ist bei ihm nicht alles Baum! Jede
Wolke, jeder Feldweg, jede HauSwand,
jedes Menschengesicht. Dieses alles wächst
sür ihn in ein Ereignishastes hinein, wie
wenn wir aus einmal die Eristenz eines
Baumes begreifen, der sein gewachsenes
Schicksal hat vom letzten Wurzelknoten
bis zur Krone."

Von der dichterischen Schau- und Ge-
staltungskrast dieses Malers gibt der
„Sardische R e i t e r" vielleicht die
stärkste Vermittlung. Dieser Reiter ist
keine Wirklichkeit, vielmehr ein Schemen,
ein Dämon, wie sein Pferd. Dieser er-
scheint sogar wichtiger, wesentlicher —
ctwaS wie der „Schimmelreiter" wird in
unserer Erinnerung lebendig. Hampel-
männisch wackelig sitzt der Mann auf
seinem Tier; das Tier besitzt ihn mehr
als er das Tier. Aus dem vermummten
Gesicht össnen sich die Augen wie Löcher
einer Maske; hohl wirkt der ganze Kerl,
grotesk in seiner Geste des Sich-in--die-
Brust-Werfens, die mit jener des Gaules
zusammengeht. Auch dieser trägt die

Brust in breiter Ausladung wie siegesge-
schwellt, stolz steist sich der Nacken em-
por, dem eine schwere Strähne schwung-
haft entlangzieht. Der übergroße Schä-
del wiegt sich vorlaut, keck, herausfor-
dernd, die Ohren spitzen sich zu Hörnern.
Jn den Augen blinzelt verschlagene Scha-
densreude, wie im gefräßigen, lüsternen
Maul. Die kokett Länzelnden Vorder--
beine gewinnen aus solchem Zusammen-
hang etwas Spöttisches, der ganze Kör-
per eine selbstgefällig höhnende Gangart.
blnd doch liegt in der Gesamterscheinung
etwas Schwankes, wie im Boden, in den
Häusern und im Himmel. Dieser Reiter
ist Sinnbild einer menschenseindlichen
Macht, die Unheimlichkeit und Untergang
verbreitet, wo sie austaucht. Die Häuser
werden mürb und brüchig, versinken all-
mählich. Es scheint ihnen alle Stütze ent-
zogen, sie sind wie entleert. Die fahle
Wand, selbst von jäher Todesblässe über-
schauert, schiebt sich dagegen und drängt
die Straße zum Stürzen. Davor Men-
schenreste wie träger Schutt. Des Him-
mels Zusammenhang und Zusammenhalt
löst sich, er versinkt in sich selbst. Er-
staunlich, wie mit den paar Bauruinen
öas räumliche und zeitliche Ende eines
Ortes, einer Stadt, eines Landeö, einer
Welt ahnungsvoll gegeben wird: eine
grause Untergangsstimmung. Was kann
eine Form mehr als Geistiges vermit-
teln? Je zwingender sie hierin, desto stär-
ker rechtsertigt sie sich. Und so wird nur
der, dem dieser Jnhalt verschlossen bleibt,
nach dem „Richtigen" dieser Gebilde sra-
gen. Solches kann nur ein Dichter, ein
Seher aus tiessten Erlebnissen hinstellen.
Sie erschließen sich auch dem Betrachter
nur in der Versenkung immer wiederhol-
ter Hingabe. Die Wirkung ist im Map-
penblatt noch stärker, weil sich hier alles
toniger und größer gibk.

Ein echtes Nacht-Stück anderer Art ist
die „Ka tz e". Auch hier sormt sich We-
senhastes aus einer schlotterigen Gcstalt
oon seltsamen Proportionen. Schon wie
das Tier sich diagonal in die Bildsläche
wirst, darin verspannt und aufspreizt, ist
packend. Welch wilde Krast in den Vor-
derpranken, deren lastende Besitzergrei-
fung durch den Druck der Brust, den
spannigen Bogen des Rückens, die stäm-
migen Hinterbeine noch verstärkt wird:
typisch katzenmäßig. Etwas unent-
schlossen Bedrohliches liegt im hängigen
Schweif. Es gilt die Sicherung und Ab-

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