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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 5.1891-1892

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Heft 4 (2. Novemberheft 1891)
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Ein Deutscher Staatsbau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11726#0056

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Lweires Oovember-Dekr rö9l.

4. Stück.

Lrscbcint

Derausgeber:

Ferdinand Nvenarius.

Kcsrellpreis:

vierteljährlich Mcirk.

5. Zakrg.

Lin deutscker Ltaatsbau.

wir außerordentlich gescheit sind, so kanren
wir bekanntlich weit über den Glanben
hinaus, noch irgend etwas von den Antiken
lernen zu können. Der Geist des s)erikles,
der etwa durch eines verschmitzten Medinms Runst
in diese aufgeklärte IVelt verlockt würde, thäte wohl
an schleunigem Nückzng, damit ihm nicht der erstbeste
Aunstakademiker den ästhetischen weisheitszahn be-
fühle. einigem wenigen branchte sich s)erikles

trotzdem doch selbst vor der Gegenwart nicht zu schenen.
Wäre er z. B. ehrfurchtslos genug vor dem kseute,
um die öffentliche Bautenherstellung im Athen seiner
Zeit mit den s)reiskonkurrenzen, verleihungen an den
Mindestfordernden, Grsetzungen des Gchten durch Nach-
gemachtes usw. zu vergleichen, die das deutsche Neich
zur Blütezeit seiner politischen Nlacht bei seinen Staats-
bauten verwendet, so könnte er, fürchte ich, sogar
unserm Aunstakademiker mit seinen Bemerkungen un-
bequem werden. —

Wir, die gezwungen sind, es init Achselzucken hin-
zunehmen, daß selbst in das neue Neichstagsgebäude
in Gestalt von „Zmitationen" die künstlerische !tüge
einziehen wird, wir müssen hoffen, daß die Nach-
kommen unsere ^taatsbauten einmal nicht als das
ansehen, was sie eigentlich doch sein sollten, als den
architektonischen Ausdruck unseres ^taatswesens, wir
müssen hoffen, daß sie uns mit der Zensur laufen
lassen: ihr habt künstlerisch geflunkert, ihr wart immerhin
besser, als ihr bei eurer architektonischen Romödianterei
euch gabt. !Nan frage sich auf's Gewifsen, wie viele
unserer Staatsbauten dienen der ehrlichen Gharakteristik
dessen, um was es sich handelt, wie viele dagegen
sind sozusagen statt tüchtiger Leute von Normalgröße
aufgedonnerte Gernegroße mit Schminke im Gesicht
und Flittern an den Aleidern? Das j)rotzentum, das
so tief im Innersten unserer Aunstpflege schmarotzt,

daß selbst Künstler und Aunstgelehrte es oft nicht los-
zulösen vermögen vom Grganischen der Runstwerke
selber, es hat sich's auch in unsern öffentlichen Ge-
bäuden längst behaglich gemacht. Zu früheren Zahr-
zehnten knauserte man bei Staats- und städtischen
Bauten, jetzt giebt man Geld für sie aus, verlangt
aber, daß sie schließlich aussehen sollen, als habe man
noch viel mehr ausgegeben.

Und noch weit weniger verbreitet, als das
Bewußtsein von der wichtigkeit edler, schöner und
charaktervoller Staatsgebäude einfach als künstlerischen
Ausdrucks der ^taatsgedanken ist das Bewußtsein von
der IVichtigkeit, die solche Bauten für Aunst und
Aunstgewerbe im Lande haben, für deren Grziehung,
für ihre Gebung oder auch für ihre Verschlechterung
bis zum völligeu Verkommen. Nicht nur der steinerne
Bau kommt hierbei in Frage. Vielleicht größer, weil
mannigfaltiger noch kann auf Aunst und Aunstgewerbe
die )lns stattung des Gebäudes wirken, die bisher

fast immer als so ziemlich nebensächlich betrachtet

worden ist.

Gerade der Frage der Ausstattung nun von

^taatsbauten widmet sich eine kleine ^chrift, die das
Zeug in sich hat, den Blinden die Augen hell zu
inachen — ich meine fene „Denkschrift" über die

Ausstattung des neuen Liamburger Nathauses, die
A. tichtwark verfaßt und die eine Anzahl angesehener
Gamburger dem Seuat der Gansastadt übergeben hat.
Neben einer Nlenge von Natschlägen, die für die be-
sondern Verhältnisse der Dansastadt gelten, werden
hier klar und einleuchtend die allgemeinen Gesichts-
punkte festgestellt, die überhaupt bei großen Staats-
bauten in Betracht komnren.

Sie ist vom stolzesten Bürgersinn getragen, diese
Denkschrift. Das Lsamburger Nathaus, so führt sie
aus, „dient nicht als ^itz einer Nommunalbehörde


l»)


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