Lrstes Zult-Dett 1892.
19. Stück.
Lrscbetnt
Derausgeber:
zferdtnaud Aveuartus.
Kestcllprets:
Vierteljährlich 2^/z Nlark.
5. Zadrct.
Czeckiscke Musik.
ezechische Oper des j>ager National-
theaters hat kürzlich in wien auf der
Nlusik. und Theaterausstellung mit einer
Reihe von Gastspielen ganz außerordent-
lich große Lrfolge errungen. Die Berichte überbieten
einander in begeisterter Anerkennung. Staunendes
Ropfschütteln und Bedauern darüber, daß werke von
so hoher künstlerischer Bedeutung, von solch eigenartigem
Neiz wie besonders die Gpern von Friedrich Smstana
in unsrer musikhungrigen Zeit erst jetzt zur Renntnis
weiterer Rreise gelangen, und noch dazu sozusagen zu-
fälliger weise, mischt sich in die Freude. Die lebhaftesten
Lrörterungen darüber sind durch die s)resse gegangen
und haben auch die politische Seite des Lreignisses
beleuchtet. Und man erkennt es: eben der politische
Hader, die jungczechischen Agitationen, der Deutschen-
haß der Slaven trägt die Schuld daran, daß nicht
nur die czechische Gper, nein, daß überhaupt im All-
gemeinen die außerordentlichen Leistungen slavischer
Romponisten wie Dvorschak, Tschaikowsky, Zdenko
Fibich, lVeiß, Bendl u. a. m. bei uns noch nicht ge-
bührend gewürdigt worden sind. Der Grundsatz, daß
in die Runstpflege und Runstkritik sich die j)olitik nicht
einzumischen habe, wird ja zunächst nur in der Theorie
anerkannt, durch die That aber nur von dem geringen
Bruchteile des volks beherzigt, der einen wahren
künstlerischen Genuß als ein zu hohes Geschenk em-
pfindet, als daß er für ihn dem Schenkenden nicht
dankbar sein sollte, sei er nun, wer er sei. Lrst dann
also, wenn das Benehmen der Tzechen gegen die
Deutschen ruhiger und anständiger geworden sein
wird, erst dann dürfte die czechische Ulusik auch bei
uns die j)flege finden, die sie nach ihrem künstlerischen
werte beanspruchen darf.
8ie ist kaum ein vierteljahrhundert alt, sie stammt
aus den sechsziger Iahren, diese eigentlich czechische
Tonkunst, die hier in Frage kommt. vortreffliche
czechische Musiker gab es ja bekanntlich genug vor
dieser Zeit, aber sie waren fast ausschließlich tüchtige
Znstrumentalisten, die sich selbstschöpferisch wenig be-
thätigten. Zn der Romposition leisteten die Böhmen
so auffallend wenig, daß es bis dahin als ausgemacht
galt, Böhmen bringe zwar treffliche Nlusikanten, jc-
doch keine Romponisten hervor. kängst bekannt und
geschätzt sind ja die stimmungsvollen czechischen volks-
lieder gewesen — 8chlüsse aber, die man aus ihrem
Dasein auf die kompositorische Begabung des Volkes
etwa zog, schienen sich nicht zu bestätigen.
Als eigentlicher Begründer der selbständigen
czechischen Nlusik ist Friedrich Smetana anzu-
sehen. <Lr ist zugleich der Schöpfer der czechischen
Gper. Durch eine Neihe von Rlavierkompositionen
und Grchesterwerken, umfangreichen symphonischen Dicht-
ungen nach Lisztschem Zuschnitt, hatte er sich bereits
einenNamen erworben und sein tonschöpferisches Talent
glänzend bewiesen, bevor er sich der Gper zuwandte.
Liszt nahm lebhaft für ihn j)artei und führte seine
Orchesterkompositionen mit Lrfolg in Deutschland ein.
Mit dem wiener Rapellmeister kserbeck zusammen war
Smetana zu jener Zeit einmal bei Liszt in weimar
zu Besuch. An einem der berühmt gewordenen
Nlusikabende bei diesem sprach sich Herbeck gering-
schätzig über die untergeordneten Leistungen in der
Romposition bei den für die praktische Ausübung so
hochbegabten Böhmen aus. 8>metana hat später
selbst erzählt, daß dieser vorwurf ihn tief im Znnern
getroffen und er an jenem Abend sich vorgenommen
habe, seine ganze Rraft einzusetzen, um die böhmische
Nlusik auch nach dieser 8eite hin zu Lhren zu bringen.
Schon t863 vollendete er seine erste Gper, die jedsch
erst t866 zur Aufführung kam und sich nun glänzend
als die erste wirkliche czechische Gper vorstellte, als
ein ausgereiftes werk von kräftiger Ligenart, so eng
es sich an die böhmische volksmusik anschloß. Zn
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19. Stück.
Lrscbetnt
Derausgeber:
zferdtnaud Aveuartus.
Kestcllprets:
Vierteljährlich 2^/z Nlark.
5. Zadrct.
Czeckiscke Musik.
ezechische Oper des j>ager National-
theaters hat kürzlich in wien auf der
Nlusik. und Theaterausstellung mit einer
Reihe von Gastspielen ganz außerordent-
lich große Lrfolge errungen. Die Berichte überbieten
einander in begeisterter Anerkennung. Staunendes
Ropfschütteln und Bedauern darüber, daß werke von
so hoher künstlerischer Bedeutung, von solch eigenartigem
Neiz wie besonders die Gpern von Friedrich Smstana
in unsrer musikhungrigen Zeit erst jetzt zur Renntnis
weiterer Rreise gelangen, und noch dazu sozusagen zu-
fälliger weise, mischt sich in die Freude. Die lebhaftesten
Lrörterungen darüber sind durch die s)resse gegangen
und haben auch die politische Seite des Lreignisses
beleuchtet. Und man erkennt es: eben der politische
Hader, die jungczechischen Agitationen, der Deutschen-
haß der Slaven trägt die Schuld daran, daß nicht
nur die czechische Gper, nein, daß überhaupt im All-
gemeinen die außerordentlichen Leistungen slavischer
Romponisten wie Dvorschak, Tschaikowsky, Zdenko
Fibich, lVeiß, Bendl u. a. m. bei uns noch nicht ge-
bührend gewürdigt worden sind. Der Grundsatz, daß
in die Runstpflege und Runstkritik sich die j)olitik nicht
einzumischen habe, wird ja zunächst nur in der Theorie
anerkannt, durch die That aber nur von dem geringen
Bruchteile des volks beherzigt, der einen wahren
künstlerischen Genuß als ein zu hohes Geschenk em-
pfindet, als daß er für ihn dem Schenkenden nicht
dankbar sein sollte, sei er nun, wer er sei. Lrst dann
also, wenn das Benehmen der Tzechen gegen die
Deutschen ruhiger und anständiger geworden sein
wird, erst dann dürfte die czechische Ulusik auch bei
uns die j)flege finden, die sie nach ihrem künstlerischen
werte beanspruchen darf.
8ie ist kaum ein vierteljahrhundert alt, sie stammt
aus den sechsziger Iahren, diese eigentlich czechische
Tonkunst, die hier in Frage kommt. vortreffliche
czechische Musiker gab es ja bekanntlich genug vor
dieser Zeit, aber sie waren fast ausschließlich tüchtige
Znstrumentalisten, die sich selbstschöpferisch wenig be-
thätigten. Zn der Romposition leisteten die Böhmen
so auffallend wenig, daß es bis dahin als ausgemacht
galt, Böhmen bringe zwar treffliche Nlusikanten, jc-
doch keine Romponisten hervor. kängst bekannt und
geschätzt sind ja die stimmungsvollen czechischen volks-
lieder gewesen — 8chlüsse aber, die man aus ihrem
Dasein auf die kompositorische Begabung des Volkes
etwa zog, schienen sich nicht zu bestätigen.
Als eigentlicher Begründer der selbständigen
czechischen Nlusik ist Friedrich Smetana anzu-
sehen. <Lr ist zugleich der Schöpfer der czechischen
Gper. Durch eine Neihe von Rlavierkompositionen
und Grchesterwerken, umfangreichen symphonischen Dicht-
ungen nach Lisztschem Zuschnitt, hatte er sich bereits
einenNamen erworben und sein tonschöpferisches Talent
glänzend bewiesen, bevor er sich der Gper zuwandte.
Liszt nahm lebhaft für ihn j)artei und führte seine
Orchesterkompositionen mit Lrfolg in Deutschland ein.
Mit dem wiener Rapellmeister kserbeck zusammen war
Smetana zu jener Zeit einmal bei Liszt in weimar
zu Besuch. An einem der berühmt gewordenen
Nlusikabende bei diesem sprach sich Herbeck gering-
schätzig über die untergeordneten Leistungen in der
Romposition bei den für die praktische Ausübung so
hochbegabten Böhmen aus. 8>metana hat später
selbst erzählt, daß dieser vorwurf ihn tief im Znnern
getroffen und er an jenem Abend sich vorgenommen
habe, seine ganze Rraft einzusetzen, um die böhmische
Nlusik auch nach dieser 8eite hin zu Lhren zu bringen.
Schon t863 vollendete er seine erste Gper, die jedsch
erst t866 zur Aufführung kam und sich nun glänzend
als die erste wirkliche czechische Gper vorstellte, als
ein ausgereiftes werk von kräftiger Ligenart, so eng
es sich an die böhmische volksmusik anschloß. Zn
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