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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 5.1891-1892

DOI Heft:
Heft 6 (2. Dezemberheft 1891)
DOI Artikel:
Die Verwilderung der deutschen Sprache
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https://doi.org/10.11588/diglit.11726#0084

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6. Stück.

Lrscbetnt

Derausgeber: Kcsreilprcis: - ,

/ vierteljährlich 21/z Mark. ^

zferdmand Nvenarms. Anzeigen:Zgesp.N°np.-Zeil-40ssf. —

Dte verwtlderulrg der deulsckeu Lpracbe.

'st uuser Deutsch verwildert? Mustmauu,
desseu Schrift „Allerhaird Sxrachduuuu-
heiteu" schou setzt, bald uach ihrem Lr-
scheiueu, iu zehutauseudeu vou Abzügeu
verbreitet ist, beautwortet die Lrage mit eiuem kräs-
tigeu Da, uud keiu Meusch, der die Sachlage keuut,
dars ihm ein Neiu eutgegeusetzeu.

Ls wäre sehr überslüssig, deu !teseru des „Auust-
warts" Beweise sür die iu dieseu Blätteru ost be-
klagte «Lrscheiuuug briugeu zu wolleu. !Vir braucheu
sa uur iu die Zeituugeu zu blickeu. Alles, vou dem
Reportercheu au, das statt er uud der „uueutwegt"
welcher uud derselbe schreibt, damit mehr Zeileu
herauskommeu, bis zum Parlameutsreduer, der iu
xaxierueu Tiraden schwelgt uud zum Alouarcheu, der
iu salscheu Bilderu redet — alles, so scheiut es, hat
seiu Sprachgefühl verloreu. Uud uuu erst die Ge-
schäftsbriese. Mder gar die Auzeigeu. wir lebeu
mit eiuem tolleu Sprachbarock, das ohue Bchöuheit,
ohue konstruktive Alarheit, ohue charakteristische Rraft,
ohue organisches Leben, das iu deu Gliederu ver-
reukt ist durch uuuatürliche Schraubereieu, überall be-
klebt mit gezierteu Schuörkelu, überall verwachseu
mit Schwulst.

Aber ich glaube doch: wir steheu am tiefsteu
j)uukte, uud von jetzt au wird's wieder bergauf
geheu. Der deutsche Sprachvereiu — eiuer der
weuigeu Neformvereiue, die kräftig uud doch maß-
voll vorgeheu — hat uubestreitbar schou da uud
dort Gutes gewirkt, Schrifteu wie Schröders Büch-
leiu vom paxierueu Stil habeu Teiluahme gefuudeu
— uud lVustmauus Buch ist bereits iu vierzigtauseud
Tremplareu gedruckt wordeu. Daß es deu Gegeu-
stand uicht laugweilig uud schulmeisterud, souderu unter-
haltend uud witzig behaudelt, erklärt seineu Trfolg
uoch uicht ganz. Aanu döch der iuuere Wert die
Schuelligkeit eiues Lrfolges bei einem Buche uie

alleiu erkläreu; das beste bricht sich laugsam Bahu,
weuu es zu durchweg ueueu Gedankeu Leser zu
Leser erst gewiuueu muß. Meil bereits das Bedürf-
uis uach Besseruug uuseres Sprachgebrauchs all-
gemeiu empfuudeu wird, deshalb hört mau sofort
auf deu hin, der jetzt davou spricht. Gott sei Dauk,
daß Wustmauus Buch eiu vortreffliches Buch ist, so
wird es gewißlich zum Guteu wirkeu.

Liu vortreffliches Buch. Zch bekeuue mich dauk-
bar als wustmauus Schüler; er mag uur Geduld
habeu, auch der „Ruustwart" wird uach uud uach
zeigeu, daß er vou ihm gelernt hat — iu neunzig
vou huudert Lälleu wird er dem Lehrer mit Lreude
folgeu. Aber es giebt doch auch einige Schlüsse, zu
deueu er ihm uicht folgeu kaun. Deun gerade über
einige Gruudsätze muß ich anders denken als er.
wustmann und unsere Leser erlauben mir ein paar
worte darüber, wie ich die Sache ausehe — jedem,
der die „Sprachdummheiteu" geleseu hat, wird danu
ohue viel j)olemik klar seiu, was ich meiue. Uud
ich darf wohl hoffeu, daß alle Leser dieses Blattes
sie geleseu haben.

Lür mich scheiden sich die Sprachfehler nach ihrer
bVichtigkeit iu zwei große Gruppen, in solche, die
die Thätigkeit der Sprache, die Übermitteluug eines
Seeleuiuhalts vom einen auf deu audern, beein-
flussen, und iu solche, die das nicht thun. Sage
ich: er kömmt statt er kommt, er frug statt er
fragte, so siud das Sprachfehler, aber was ich mit-
zuteileu habe, wird deshalb uicht miuder deutlich mit-
geteilt, als bei Benutzung der richtigen Lormeu.
Ganz anders z. B., wo es sich um den Gebrauch
von Roujunktiv oder Zudikativ au falscher Stelle
handelt, um falsche Zusammeusetzungen, um alle jeue
Lälle überhaupt, wo der Lehler im feinen Gewebe
der Beziehuugen eiuen störendeu Anoteu bildet, wo
er etwa Gedaükenfädeu verbiudet, die nicht zusammen-

L>veites Dezember-Dett tSSt.

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