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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 5.1891-1892

DOI Heft:
Heft 8 (2. Januar 1892)
DOI Artikel:
Schumann, Paul: Die Kunstgeschichte an unseren Hochschulen
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https://doi.org/10.11588/diglit.11726#0116

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L>vettes Zmumr-Dett 1892.

6. Stück.

Lrscbeint

nnl Anfang und in der Mitte

Derausgeber:

Ferdinrmd Nvenarius.

Kcskcllprcis:

Vierteljährlich 2 t/z Mcirk. Z

Die Ikunstgescliicbte rnr unseren Doebscbuleir.

?ie Runstgeschichte als Wisseuschaft ist noch
so jung, daß man sich nicht wnndern darf,
wenn gerade auf diesem Gebiete noch die
verschiedensten Ansichten über Behandlung
und Zweck herrschen und der 8treit hierüber vielsach
>nit leidenschaftlicher Lrregtheit geführt wird. Abge-
sehen von dem älteren und dem jüngeren Geschlecht,
die einander auch auf dem Gebiete der Runstgeschichte
naturgemäß gegenüberstehen, komint hier noch die
Teilung ihrer beamteten Bekenner in Museumsbeamte
und Nniversitätslehrer in Betracht. Lin Streit zwischen
wilhelm Bode, dem Direktor der Gemäldegalerie und
der Abteilung für christliche Skulptur am kgl. Museum
in Berlin, und Lsermann Grimm, ordentlichem ssrofessor
der neueren Runstgeschichte an der Unioersität zu
Berlin hat Lserrn Schmarsow, dem ordentlichen j?ro-
fessor der neueren Runstgeschichte an der Universität zu
Breslau, den Anlaß gegeben, unter dem Titel der
Überschrift eine zwar recht weitschweifige aber ebenso
beifallswürdige 8chrift erscheinen zu lassen.

In dem Streite zwischen Bode und Grimm fesselt
uns weniger die Frage, ob die Berliner jDrofessoren
der Runstgeschichte mehr ihr Augenmerk darauf richten
sollten, füngere Beamte für den Uluseumsdienst vor-
zubilden; denn hierbei scheint es sich nur um ein
Berliner Bedürfnis zu handeln, da ja schon jetzt die
allermeisten Museumsbeamten in ganz Deutschland von
den Berliner Bluseen aus vorgeschlagen und geliefert
werden. viel wichtiger scheint Bodes Forderung, die
prosessoren der Runstgeschichte sollten lieber den
Studenten im Allgemeinen Freude an der Runst und
etwas verständnis für sie beibringen, als Kunsthistoriker
zu Dutzenden auszubilden, da doch kaum der zehnte
Teil davon im praktischen Leben Verwendung finden
könne. Man kann Bodes ernster Mahnung von vorn
herein nur zustimmen, zumal da sich die Behandlung
der neueren Kunstgeschichte mehr und mehr als ein

Borrecht des Beichtums herausstellt, währeud den
Mittellosen, mag er noch so begabt sein, nur bittere
Tnttäuschungen erwarten, da ihm die dem Neichen
zugänglichen kostspieligen Gilfsmittel des 8tudiums
mehr oder minder verschlosfen sind. Trotzdem ver-
mögen wir dem weiteren vorschlage Bodes, auf
kleineren Universitäten den kunstgeschichtlichen Unter-
richt mit einer j)rofessur für Geschichte, j)hilosophie
oder Aesthetik zu vereinigen, nicht zuzustimmen. Die
Runstgeschichte erfordert mit allen ihren Lfilfswissem
schasten eirten ganzen Mann; als Nebenfach in den
Ljänden eincs j)rofessors der Geschichte, j)hilosophie
oder Aesthetik würde sie wieder auf den dilettantischen
Standpunkt heruntergedrückt werden, der ihre Aner-
kennung als selbständige wissenschaft durch die Oer-
treter andercr wissenschaften so sehr erschwert hat.
Ts hieße das Lebenswerk eines Anton Springer ver-
neinen, wollte man solchem Dilettantismus nur ein
wort der Anerkennung zollen. Necht aber hat Bode,
wenn er die volls Ausnützung der Uunstsammlungen
für den kunstgeschichtlichen Unterricht an den Universi-
täten fsrdert. Höchst sonderbar klingt es, wenn Lfi
Grimm dagegen schr^bt: „Ohne Vorlagen! Alle
Merke nur in Beschreibungen sichtbar!" Das ist
nichts weiter als eine inhaltlose j)hrase. Zemand
ohne Anschauung durch bloßes Beschreiben eine wirk-
liche Norstellung von Giotto oder Torreggio oder
Ulichelangelo geben zu wollen, dieses Unternehmen
dürfte kläglich scheitern. 8 ichtbar wird durch bloßc
Beschreibung nichts, rein gar nichts; sie erzeugt nur
ganz unklare, schattenhafte Vorstellungen und befördert
das dilettantische Uunstgeschwätz, das jedem wahrhaft
Gebildeten ein Greuel ist. Dem Nedekünstler mag
es unangenehm sein, den Fluß der Nede durch das
vorzeigen von Abbildungen unterbrechen zu müssen,
zwischen sich und das eigene Uunstwerk des Vortrags
ein störendcs Drittes einschieben zu follen. Indeß
 
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