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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 5.1891-1892

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Heft 12 (2. Märzheft 1892)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11726#0183

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Läxpisch ist das j)oem nicht nur wegen des Atit-
gefühls für den vogel, der wohl dem sanften j)oeten
Federn sxenden mußte zum Reinigen der Tabaks-
pfeife, sondern auch darum, weil der Apxarat, der
getragene elegische Ton dem Gegenstande so gar
nicht angemessen ist. Aber Zachariae hat in seinem
»Renommisten« doch auch unbedeutende Fakta in auf-
gedonnerter Nede rnit mythologischer Maschinerie be-
handelt, und damit das beste komische Lxos der
Deutschen geschaffen! Mit verlaub, beim Zachariae
liegt der Fall anders als bei fenem Nabendichter.
Die satirische Absicht rechtfertigt und überbrückt dort
den Abstand zwischen Gehalt und Form, hier klafft
unausgechllt die Lücke zwischen Znhalt und Dar-
stellung. Lin anderes ist läppisch, ein anderes witzig.
Zean j)aul nennt den Witz einen s)riester, der die
ungleichartigsten j)aare traut. Auf der Art der Oer-
knüpfung heterogener Dinge, nicht auf diesen selbst
liegt also der bsauxtakzent. N)enn Berge schwanger
gehen und ein winzig Mäuslein geboren wird, so
ist das komisch. wollten die Berge durch den Gegen-
satz die Trbärmlichkeit der Mäuse ins rechte Licht
setzen, so wären sie witzig. Thäten sie aber, als wäre
alles so in bester Grdnung, so benähmen sie sich
läpxisch. Nun beobachte man aber, worüber Ainder
zu lachen im 5tande sind, und man wird finden, daß
sie nach jenem j)riester gar nicht verlangen, vollauf
befriedigt, wenn zusammengestellt wird, was nicht zu-
sammen gehört. Das Läppische ist der IDitz der
Rinder und der Rindischen. Solches besagt auch die
Ttymologie des wortes, denn »Lapxe« hieß ursxrüng-
lich »chäugling«. Mo der Mitz nicht reicht und der
salzlose Unsinn aushelfen soll, da tritt das Läpxische
auf. So kann der unbegabte Satiriker fich selbst
lächerlich machen. ^chiller kannte die )lntixenien-
schreiber zum Voraus, als er schrieb:

»was das entsetzlichfte fei von allen entsetzlichen Dingen?

Lin Pedant, den es jückt, lose und locker zu fein.«

Als ein Unvermögen, das etwas zu prätendiren
scheint, kennzeichnet sich das Läxxische auch in der
bsäufung von Wortwitzen. So nennt Uant des Läp-
pische eine Ausartung des witzigen. Anklänge sind
für mittelmäßige Uöpfe immer noch leicht zu ffnden,
und irgend eine lahme Verbindung stellt schon zu
rechter Zeit sich ein. Der Läppische ist nie wirklich
graziös, weil er seine psychischen Reflexe sowenig be-
herrscht, wie der Täppische — nicht umsonst ähneln
sich die worte — seine kärperlichen. Nkeist vermag
er's nicht, aber manchmal will er auch nicht, obwohl
er könnte. Dem unbewußt und ungewollt Läpxischen
steht nämlich ein bewußtes gegenüber. — Auch ein
gewolltes? Das will ich nicht sagen, nur ein nicht
gehindertes und gern zugelassenes. Manchem kommt
einmal das Bedürfnis, alles von sich zu weisen, was
als Vernunft und Denkgesetz seinen Geist beengt; er
redet und handelt unsinnig und hat seine Lust daran.
Niemand wird hier auf den anderen einen ^tein
werfen; war einer einmal läppisch, so ist er darum
noch kein Laffe; wer aber nicht vermag, »die weg-
geworfene Mürde der j)ersönlichkeit jeden Augenblick
wieder aufzunehmen« (Goethe), der sei vorsichtig, denn
das Läpxische wird leicht habituell. Rant sagt: »man
merket leicht, daß auch kluge Leute bisweilen faseln,
und daß nicht wenig Geist dazu gehöre, den Verstand

eine kurze Zeit oon seinem j)osten abzurufen, ohne
daß dabey etwas versehen wird.« Die Gewalt des
Läppischen über den verstand und Geschmack ist keine
geringe und manch einer verläxpischt, fast ohne es
selbst zu merken. »wer aber erst mit der Albernheit
im Bunde steht, der läßt sein Leben für sie. Lr jagt
lieber den treuen Lsund Derstand gar aus dem Hause,
ehe er ihn das Leibkätzchen Dunnnheit auswittern und
sich vom Schooße wegbeißen läßt.«

Tritt das Läppische auf den Markt, dann wirkt
es ansteckend gleich einer epidemischen Rrankheit. Rein
Gassenhauer ist zu öde und zu geistlos, daß ihn nicht
alle sängen und pffffen; gebildete Zünglinge erfreuten
sich an den blödesten Alapphornoersen, als diese noch
in der Nlode waren, und wie viel Unterhaltungen
werden nicbt vom Ralauer beherrscht!

Der alte Aant beobachtete drei Stufen an der
Unterhaltung normaler Tischgesellschaften: t. Lrzählen
von Tagesneuigkeiten, 2. Naisonniren und Streiten,
3. bloßes Spiel des Mitzes, dem anwesenden Frauen-
zimmer zu gefallen. Die »Anthropologie« erschien
vor nun bald hundert Zahren; mir kommen gelinde
Zweifel an dem Fortschritt der sozialen Rultur in
Deutschland; denn ich glaube, der landläufige Gang
der Uonversation blieb genau derselbe, hie und da
mag die Trfahrung dämmern, daß die Frauen so zu
sagen auch denkende U)esen sind und besseres ver-
dienen als kindische Scherze, aber der staatserhaltende
Nachwuchs wahrt sich das Necht läxpisch zu sein;
den Schneidigen und den Gecken liegt nichts an der
Meiterbildung geselliger Tugenden. Goethe sagt von
diesen Leuten: »wären's Bücher, ich würd' sie nicht
lesen« und mit wünschenswerter Deutlichkeit Nant:
»die eleAants cle la cour, petits maitres genannt, sind
Mindbeutel.«"

DLcbtung.

s „Dicbter und Lrzieber" — so überschreibt
Otto Lyon einen langen Aufsatz, den die „Tägl.
Nundschau" (6t -63) bringt. Nach einer Tinleitung,
in der uns der verfasser seine Ansichten über den
gegenwärtigen Stand der deutschen Rultur auseinander-
setzt, fragt er nach der Nettung vor der völligen Auf-
lösung der jetzt so tief gesunkenen modernen Gesell-
schaft und zugleich vor der Sozialdemokratie, in der
er, im Gegensatze zu andern Beurteilern unserer Zeit,
von sittlichen Llementen nur wenige anzuerkennen
scheint. Mer die Zugend hat, hat die Zukunft — in
einer anderen, echt nationalen Lrziehung also sieht
Lyon die Lsilfe. Das führt ihn zu einer interessanten
Schlußreihe, die freilich recht reichlichem widerspruche
begegnen wird. „wir haben zwei Linrichtungen,
durch die alle Glieder unseres volkes hindurchgehen
müssen: die Armee und die volksschule. Die all-
gemeine wehrpflicht und der Hchulzwang sind zwei
parallele Schöpfungen. Die eine stellt die Lntfaltung
des volkes nach außen dar, die andere die Lntwick-
lung im Znnern. verkörpert werden beide durch die
Nlänner, die ihren Lebensberuf darin finden, Nekruten
oder Schüler auszubilden; durch den Offizier und
durch den Volksschullehrer. Gffizier und volksschul-
lehrer haben also für den Grganismus unseres volkes
genau dieselbe Bedeutung, und sie nehmen ihrer Be-
rufsarbeit nach die nämliche Stellung ein. Za, wenn




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