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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 5.1891-1892

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Heft 12 (2. Märzheft 1892)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11726#0191

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Revolutionszeit, daß inan der Ligeilart von Laud
und volk mit sinniger Aufmerksamkeit nachging und
sede volkstümliche Überlieferung neu belebte. Das er-
strebten jene Meister geschichtlicher Lorschung. zu denen
wir wie Lpigonen hinaufschauen, Niebuhr, Savigny,
Lichhorn, Schleiermacher, Böckh, die Grimms, wil-
helm von Ljumboldt. In gleichem Geiste wirkten als
schöpferische Meister Lornelius und Schinkel. Das
waren Blüten einer großen Zeit, deren werke noch
die beiden letzten Iahrzehnte von Goethes Leben er-
freuten.

Dem Geistesfrühling solgte ein halbes Zahrhundert
deutscher Geschichte, in welchem das Gesühl überwog,
daß die ösfentlichen Zustände dem nicht entsprächen,
was das volk gethan und gelitten hatte, bis nach
langen unbehaglichen Zuständen auf neuen Schlacht-
feldern dem vaterlande endlich der j)reis errungen
wurde, wofür die Lreiheitshelden geblutet hatten.
politische Arbeit war nun die Hauptaufgabe des volkes,
und mit hochherzigen Lürsten, großen Ltaatsmännern
und Leldherren an seiner Spitze hat es in Rrieg und
Lrieden ein werk zu Stande gebracht, das zu den
ruhmreichsten Denkmälern der Wenschengeschichte ge-
hört. Der Lrnst der Tagesarbeit nahm alle Geistes-
kräfte in Anspruch, und die Lntscheidungen waren zu
gewaltig, zu rasch, um in werken der Runst ent-
sprechenden Ausdruck zu finden. Auch ist ja das
menschliche Lserz so geartet, daß es durch das
Ltreben nach den höchsten Lebengütern mehr be-
geistert wird als durch den Besitz. Sehen wir, wie
ratlos man noch immer den höchsten Aufgaben schöpfe-
rischer Thätigkeit gegenübersteht, so müssen wir er-
kennen, daß die Zeit noch nicht reif ist; es ist noch
nicht gelungen, dem Lbenbürtiges zu leisten, was bei
sehr beschränkten wütteln und ohne persönliche Herrscher-
gunst in der Zeit nach den Lreiheitskriegen gebaut
ist. Ls wird aber die Zeit kommen, da wir in dank-
barem Bewußtsein dessen, was in der glorreichen Zeit
unseres ersten Raisers dem deutschen volke zu Teil
geworden ist, der größten Zeit unserer vaterländischen
Geschichte würdiges zu Stande bringen."

Turtius weist daraus hin, daß „in monumentalen
Gemälden, welche sich an Tornelius' größte Schöpfungen
würdig anreihen, die deutsche Runst bei uns schon
eine großartige Siegesfeier begonnen" habe — eiu
Ausspruch allerdings, den im Lfinblich auf die Berliner
wtalereien, die hier allein gemeint sein können, kaum
viele Runstfreunde unterschreiben dürften. „Auch Archi-
tektur und jAastik werden wieder den alten Bund
schließen, so daß die Bildhauerwerke nicht nur gelegent-
lich zu dekorativen Zwecken verwendet werden, son-
dern in organischer verbindung mit dem Bau dem-
selben eine höhere Weihe geben."

» Auch m Düsseldork ist das Auseinandergehen der
„Alten" und „Iungen" jetzt schroff zu Tage getreten. Den März-
Ausstellungen, die iin Gegensatze zu den in der Lsauxtsache
Marktzwecken gewidmeten ssfingstausstellungen die Lsöhe des
Aönnens der Düsseldorfer bezeugen sollten und daher strenge
Aufnahmeprüfungen anstellten, erwuchsen Gegner in der
Aünstlerschaft, und schließlich kam es dazu, daß der Aünstler-
Unterstützungsverein als Mitbesitzer der Aunsthalle erklarte,
die März-Ausstellungen selber übernehmen zu wollen. Nun
schied die Minderheit aus diesem vereine aus und eröffnete

in der Schulteschen Runsthandlung eiue eigene Ausstellung
gleichzeitig mit der „offiziellen" der Nehrheit. chören wir
über den Erfolg den Bericht jderfalls:

„Allgemein war in den außerhalb des Streites stehenden
Areisen die Meinung verbreitet, es handle sich dabei um den
Gegensatz revolutionärer Stüriner und Dränger, jugendlich un-
gestüiner Streber zur besonnenen Aünstlerschaft, und inan
werde daher bei Schulte eine Sammlung der tollsten Lreilicht-
malerei, des ungeschlachtesten Naturalismus zu sehen bekommen,
wenigstens würde dort die meueste Richtung« ihre Allein-
herrschaft üben. Als aber das publiknm der besten Stände
und kunstverständigsten Kreise am Morgen der Lröffnung die
»revolutionäre« Ausstellung betrat, da fand es nicht nur all-
bekannte, angesehene Namen, wie Geder, Munthe, L. L.
Deiker, Irmer, Bochmann, volkhart, Rarl Sohn, Rasmusfen,
Morten-Müller, die mit radikalen Runstrichtungen nicht das
geringste zu schaffen haben, sondern auch eine Ausstellung, über
deren Gesamteindruck nur Line Stimme herrscht, daß alle
früheren März-Ausstellungen an innerm wert übertroffen
sind und sich eine in die besten Bahnen gelenkte Regfamkeit,
eine Araft des Rönnens und ein Lrnst des wollens zeigen,
die für die Zukunft der Düsseldorfer Schule die erfreulichsten
kjoffnungen wecken. Lbenso einstimmig ist aber auch das
Urteil darüber, daß die in der Aunsthalle ausstellende Grupxe
der Mehrheit eine schwere Niederlage erleidet. Man findet
dort eine beschränkte Anzahl hervorragender Meister vertreten,
welche aus konservativem Sinn und aus Lriedensliebe vor
der Trennung Scheu trugen. Diese vermögen aber doch nicht
den Lindruck zu verwifchen. daß man in der Runsthalle mit
dem Grundsatze, die Närz-Ausstellung müsse eine Aatastrophe
der höchsten Leistungsfähigkeit der Düsseldorfer Schule dar-
stellen, völlig gebrochen hat und in die alte ksandhabung
weitestgehender Nachsicht verfallen ist. Auch die Gruppe der
»Iungen«, wie man sie nun einmal nennt, führt einige werke
von minderm werte mit, wie das bei keiner Ausstellung zu
vermeiden ist, aber ihre Zahl ist verschwindend gering, und
sie 'sind so angeordnet, daß man ihrer in der Lülle des Gnten
kaum gewahr wird. In der Aunsthalle nehmen aber Bilder,
die nie und nimmer auf großen Ausstellnngen wettbewerbs-
fähig wären, zum Teil jene plätze ein, die auf frühern März-
Ausstellungen von Meisterwerken ersten Ranges besetzt waren.
Das mochte wohl auch ganz wesentlich durch den Mnstand
herbeigeführt fein, daß man eben nach der Trennung der
»Iungen« nicht genug hervorragende Bilder zur verfügung
hatte. Ausstellungen, die jedem Aünstler ein Sporn sind,
seine ganze Araft für einen Sieg einzusetzen, sind für die
Düsseldorfer Schule ebenso notwendig wie für jede andere, denn
auch sie kann ihren Ruhm, ihr Ansehen nur auf das Ergeb-
nis stützen, welches sich aus dein vergleiche mit der deutschen
Gesamtkunst ergiebt. Der begabteste Aünstler aber unterliegt
der versuchung, wenn ihm Sporn und Anregung fehlen, in
bequeme Selbstgefälligkeit zu verfallen und seine schöpferische
Araft erstarren zu lassen, oder es tritt eine andere Gefahr
für die Schule ein, daß der junge strebsame Nachwuchs in der
Lrkenntnis, daß ihm der geeignete Boden zu einer richtigen
Lntfaltung fehlt, ihr den Rücken wendet und den Lockungen,
die Berlin als Millionenstadt oder München als großer Rampf-
platz bietet, folgt. wie konservativ man aber auch sein ntag,
wird man die Wahrheit nicht beiseite schaffen können, daß
Lntwicklung, Zukunft von dem Nachwuchse abhängen und
daß eine Schule, deren Nachwuchs nicht gehegt und gepflegt
wird, stirbt. Nuß man noch überdies anerkennen, daß es
sich in Düsseldorf gar nicht um grundsätzliche Aämpfe der
Aunstrichtungen handelt, daß die März-Ausstellung nach wie
 
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