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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 5.1891-1892

DOI Heft:
Heft 18 (2. Juniheft 1892)
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Wirklichkeit im Theaterlicht
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https://doi.org/10.11588/diglit.11726#0276

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Lweitcs Zuni-Dckr ISS2.

16. Stück.


Derausgeber:

Zferdinand Nvenarius.

Kestellpreis:
Vierteljährlich 2>/z lNark.

5. Zakra.

Mirkliekkeit im Tkeaterlicbt

> Sache will's, mag es die Leitung dieser
Blätter wollen oder nicht, daß im „Aunst-
wart" zur Winterszeit besonders viel vom
Theater geschrieben wird. Aber selbst jetzt,
wo schon so lange der Schnee vom Regen abgelöst
worden ist, läßt uns die Übergewalt der Schaubühne
noch nicht los. Die Berichte über „Trstaufsührungen"
werden zwar spärlich und dürftig, aber die Lrörter-
ungen über allgemeinere Fragen des Theaters be-
schäftigen gerade jetzt lebhast die Geister. Man sucht
eben das Fazit der Nechnung aus den tausend j)osten
zu ziehen, von denen jeder wichtigere Theaterzettel
einer ist, und bemüht sich, dieses Lrgebnis zu deuten.
Bei der gewaltigen Wichtigkeit, die gerade das
Bühnenwesen für die gesamte Aunstübung unsres
volkes hat, müssen auch wir uns wohl oder übel
mit diesen Versuchen beschäftigen.

Tiner Frage, zu deren Beurteilung halbwegs aus-
reichender ^toff erst im vergangenen winter zusammen-
getragen wcrden konnte, ist denn auch die Flugschrift
gewidmet, von der wir heute sprechen müssen, der i
Frage: wird jene Dichtung, die sich die genaueste ^
wiedergabe der wirklichkeit zu ihrer ersten Aufgabe
macht, auf der chchaubühne Fuß fassen oder nicht?
Line kleine Neihe von Dramen „konsequenter" Rea-
listen ist nun schon über die Bretter gegangen, die
ersten Mirkungen des Ungewohnten beim Anschauen
jener werke sind der Fähigkeit zu ruhigerer Aritik
gewichen, man steht nicht mehr schlechtweg zujubelnd
auf der einen, schlechtweg verdammend auf der an-
deren 5eite den Neuerern gegenüber. Ts ist möglich
geworden, eine Beantwortung der Frage zu ver-
suchen, ohne ihr allein mit grauen Theorien auf den
Leib zu rücken, denn wir haben einige Lrfahrung
gewonnen. Die Streitschrift, von der wir reden, heißt
„»Aonsequenter« Nealismus, Bühne und j?ublikum",*

*) Aus der Flugschrifteusammlunq „Gegen den Strom" ,
(wien, Larl Gerolds Oerlag). I

und ihr noch ungenannter verfasser, der der „jungen
^iteratur" durchaus freundlich gegenübersteht, glaubt
jene Frage verneinen zu müssen.

Lr eröffnet den Rampf, indeni er Stellung nimmt
gegen die Behauptung, die neue Richtung dringe auch
auf der Bühne schon überall unwiderstehlich vor,
eine Behauptung naturalistischer ^chriftsteller, deren
Dater der wunsch aber nicht die Lrkenntnis dcr Sach-
lage sei. Wit einer wtenge feststehender Zahlen sucht
der Verfasser zu beweisen, daß beim größeren s)ubli-
kum die Trfolge der betreffenden Stücke außerordent-
lich bescheidene geblieben seien, während die eigent-
lichen „großen Trfolge" des verflossenen Zahres
„werken" wie der Blumenthalschen „Großstadtluft"
zugefallen sind. „Und das j?ublikum", fährt er fort,
„das alle die mehr oder weniger literarisch wert-
vollen Arbeiten der ncuen Aunst erbarmungslos fallen
ließ, sich gleichgiltig oder unwillig von ihnen ab-
wendete, es soll mündig geworden sein, es soll ^>inn
und vorliebe für wahrheit und wirklichkeit in sich
entdeckt haben?" wir denken auch nicht, daß dies
in dem wlaße der Fall ist, wie sanguinische Bekenner
des neuesten literarischen Glaubens meinen, aber daß
an ihrer Annahme auch nicht ein Rörnchen wahrheit
sei, davon überzeugt uns der wiener riritiker doch
nicht. Langsam und wenig nur, aber ein wenig eben
doch von Linfluß auf die welt der Bretter hat der
Nealismus wohl gewonnen. Das geht aus zweierlei
Dingen hervor: daraus, daß an mehreren Orten doch
wenigflens Bersuche mit realistischen chtücken gemacht
werden, und daraus, daß fast jedes neuere Achauspiei
fast jedes Bühnenschriftstellers, der es ernsthaft mit
seiner Aunst meint, Ginflüsse der neuen Richtung ganz
unverkennbar zeigt. Daß die überwältigende wlehr-
heit des Aublikums von Nealismus auf der Bühne
noch heute nichts wissen will, es bewiese nichts gegen
ein langsames Anwachsen seiner Nlacht bis zu seinem
Siege. Aber vielleicht ergeben sich aus dem wesen
 
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