20. Ltück.
Lrscbeinl
am Anfang und in der Mitte
Derausgeber:
zferdtnand Nvenarius.
KesrcUprets:
vierteljährlich 2 l/g Mark. Z.
Nuszeicknungen kur Ikünsller.
gesprochene und die gedruckte öffeutliche
Weinuug siird bekanntlich uicht immer der-
selben Ansicht. Sie habeu freilich, wenu
ihre Gedaukeu auseinandergehen, häufig
die schöne Duldsamkeit, sich gegenseitig zu ignoriren.
Gesetzt z. B., über ein Börsenunternehmem werde uur
gekrümmten Nückens und erhobner Achsel unter An-
wendung des wortes „faul" gesxrochen—es ist
noch nicht gesagt, daß auch die gedruckte öffent-
liche Meinung deshalb in ähnlichem Änue sich äußere,
obgleich doch zu vermuten ist, daß sie von der ge-
sprochenen Renntnis habe. Und anderseits: die ge-
sprochene äffeutliche Meiuuug, soweit sie überbaupt
schon vorhanden ist, wird durch jene geschriebene auch
nicht aus der Fassuug gebracht, sie bleibt, wie sie
war, und uur da, wo man vou dem betreffeuden
Börsenunternehmen überhaupt noch nichts gewußt hat,
wohnen die guteu A7enschen, auf welche die gedruckte
öffeutliche Meinung „wirkt".
Aber es liegt bei solchen Lrscheinungeu uicht
immer der Zwang vor, an die verborgene Auwesen-
heit einer Goldader gerade der Art zu deukeu, wie
sie hier zu vermuten ist, wo sie der Laie im Gesteine
wohl gar nicht, der Fachmann aber nüt stillem Lächelu
bemerkt. wird von Gerechten und Ungerechten weit-
nm im Lande nur mit Gleichgiltigkeit, bseiterkeit oder
auch Ärger von Dingeu oder j)ersoneu geredet, und
die gedruckte öffentliche Meinung behandelt sie doch
mit ehrbargesetzter Zckliene, so bringt das die
Zeitungstechnik eben so mit sich. !Nan beleidigt nicht
gern Abonnenten, denn wie leichtlich springen sie ab,
und läßt lieber zwischen als auf den Zeilen lesen, wo
etwa Gefahr in dieser Lsinsicht droht.
Auch das wesen der Auszeichnungen, der Titel,
Grden, preismünzen usw., gehört zu deu Dingeu, für
die der Zeitungsmaun, steh' er uun rechts oder links,
duldsamsten Gemütes ist, denn selbst das bserz des
liberalsteu Börsiauers pflegt höher zu schlageu, weuu
es der welt fortau eineu Rommerzieurat zu erhalteu
hat, uud der Farbensiuu ift im deutscheu Dolk so ver-
breitet, daß schier überall auf des Frackes ödes Schwarz
etwas Wetall- uud Farbeuleuchteu gewüuscht wird.
Lasseu wir das alte traurige Lied vou der deutscheu
Gitelkeit heute uugesuugeu. Ts siud freilich auch nicht
etwa Zlussprüche ueueutdeckter weisheit, die wir im
Folgeudeu sagen wolleu. Ts siud vielmehr beiuahe
Gemeiuplätze, über welche die gesprochene öffeut-
liche Meiuung fast tagtäglich läuft. wer beobachten
muß, weches Brimborium um Auszeichuungen für
Rünstler alle Tage iu den Zeituugen uud alle wocheu
iu deu Zeitschrifteu gemacht wird, der wird sedoch
verstehen, warum wir diese Selbstverständlichkeiten
einmal auch iu der gedruckte n öffeutlichen Meiuuug
eiues Runstblattes zu wort briugen möchten. wir
dürfen dabei die Diuge gauz uüchtern besehen, ohne
demokratische Lioch- uud Rraftgefühle, ohue Bosheit
uud ohne s)athos.
Auszeichnungen haben für Rüustler zuuächst ja
rein materielle werte. Tiu Bildnismaler, vor desseu
Namen ein Titel als Dorreiter läuft, oder der aus
einem kserrn weyer ein Lserr von wleyer geworden
ist, oder den der Rronenorden vierter Rlasse ziert,
kaun fröhlich seine preise aufschlagen, wie eiu Arzt,
der Sanitätsrat geworden ist. Die Sache hat also
ihre geschäftliche Seite, und wer den Aampf ums
Dasein kennt, wird die Titulirerei unter diesem Ge-
sichtspunkte nachsichtig betrachten. Ferner geben die
Auszeichnungen in weiten Rreisen gesellschaftliches An-
sehen. Ls tritt eben eine Autorität neben deu
Ausgezeichneten und sagt deu Leuteu: ich verbürge
Luch, daß der Wann eiu schätzbarer Aünstler ist.
Aber kann sie das verbürgen? Derbürgeu kann
sie vielleicht, daß er ein guter Staatsbürger und
loyaler !Nauu sei — kann sie aber verbürgen, da^
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Lrscbeinl
am Anfang und in der Mitte
Derausgeber:
zferdtnand Nvenarius.
KesrcUprets:
vierteljährlich 2 l/g Mark. Z.
Nuszeicknungen kur Ikünsller.
gesprochene und die gedruckte öffeutliche
Weinuug siird bekanntlich uicht immer der-
selben Ansicht. Sie habeu freilich, wenu
ihre Gedaukeu auseinandergehen, häufig
die schöne Duldsamkeit, sich gegenseitig zu ignoriren.
Gesetzt z. B., über ein Börsenunternehmem werde uur
gekrümmten Nückens und erhobner Achsel unter An-
wendung des wortes „faul" gesxrochen—es ist
noch nicht gesagt, daß auch die gedruckte öffent-
liche Meinung deshalb in ähnlichem Änue sich äußere,
obgleich doch zu vermuten ist, daß sie von der ge-
sprochenen Renntnis habe. Und anderseits: die ge-
sprochene äffeutliche Meiuuug, soweit sie überbaupt
schon vorhanden ist, wird durch jene geschriebene auch
nicht aus der Fassuug gebracht, sie bleibt, wie sie
war, und uur da, wo man vou dem betreffeuden
Börsenunternehmen überhaupt noch nichts gewußt hat,
wohnen die guteu A7enschen, auf welche die gedruckte
öffeutliche Meinung „wirkt".
Aber es liegt bei solchen Lrscheinungeu uicht
immer der Zwang vor, an die verborgene Auwesen-
heit einer Goldader gerade der Art zu deukeu, wie
sie hier zu vermuten ist, wo sie der Laie im Gesteine
wohl gar nicht, der Fachmann aber nüt stillem Lächelu
bemerkt. wird von Gerechten und Ungerechten weit-
nm im Lande nur mit Gleichgiltigkeit, bseiterkeit oder
auch Ärger von Dingeu oder j)ersoneu geredet, und
die gedruckte öffentliche Meinung behandelt sie doch
mit ehrbargesetzter Zckliene, so bringt das die
Zeitungstechnik eben so mit sich. !Nan beleidigt nicht
gern Abonnenten, denn wie leichtlich springen sie ab,
und läßt lieber zwischen als auf den Zeilen lesen, wo
etwa Gefahr in dieser Lsinsicht droht.
Auch das wesen der Auszeichnungen, der Titel,
Grden, preismünzen usw., gehört zu deu Dingeu, für
die der Zeitungsmaun, steh' er uun rechts oder links,
duldsamsten Gemütes ist, denn selbst das bserz des
liberalsteu Börsiauers pflegt höher zu schlageu, weuu
es der welt fortau eineu Rommerzieurat zu erhalteu
hat, uud der Farbensiuu ift im deutscheu Dolk so ver-
breitet, daß schier überall auf des Frackes ödes Schwarz
etwas Wetall- uud Farbeuleuchteu gewüuscht wird.
Lasseu wir das alte traurige Lied vou der deutscheu
Gitelkeit heute uugesuugeu. Ts siud freilich auch nicht
etwa Zlussprüche ueueutdeckter weisheit, die wir im
Folgeudeu sagen wolleu. Ts siud vielmehr beiuahe
Gemeiuplätze, über welche die gesprochene öffeut-
liche Meiuung fast tagtäglich läuft. wer beobachten
muß, weches Brimborium um Auszeichuungen für
Rünstler alle Tage iu den Zeituugen uud alle wocheu
iu deu Zeitschrifteu gemacht wird, der wird sedoch
verstehen, warum wir diese Selbstverständlichkeiten
einmal auch iu der gedruckte n öffeutlichen Meiuuug
eiues Runstblattes zu wort briugen möchten. wir
dürfen dabei die Diuge gauz uüchtern besehen, ohne
demokratische Lioch- uud Rraftgefühle, ohue Bosheit
uud ohne s)athos.
Auszeichnungen haben für Rüustler zuuächst ja
rein materielle werte. Tiu Bildnismaler, vor desseu
Namen ein Titel als Dorreiter läuft, oder der aus
einem kserrn weyer ein Lserr von wleyer geworden
ist, oder den der Rronenorden vierter Rlasse ziert,
kaun fröhlich seine preise aufschlagen, wie eiu Arzt,
der Sanitätsrat geworden ist. Die Sache hat also
ihre geschäftliche Seite, und wer den Aampf ums
Dasein kennt, wird die Titulirerei unter diesem Ge-
sichtspunkte nachsichtig betrachten. Ferner geben die
Auszeichnungen in weiten Rreisen gesellschaftliches An-
sehen. Ls tritt eben eine Autorität neben deu
Ausgezeichneten und sagt deu Leuteu: ich verbürge
Luch, daß der Wann eiu schätzbarer Aünstler ist.
Aber kann sie das verbürgen? Derbürgeu kann
sie vielleicht, daß er ein guter Staatsbürger und
loyaler !Nauu sei — kann sie aber verbürgen, da^
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