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DIE WEGE DER KUNST

wiegt — zeitweilig die treue Nachahmung des natürlichen Vorbildes, zeitweilig
dagegen nur eine innerlich erdachte, nicht äußerlich geschaute Idee — ist die
Kunst jeweilig entweder naturalistisch oder idealistisch. Naturalismus
und Idealismus sind die zwei Hauptwege der Kunst, auf denen sie seit
all den Jahrtausenden fortschreitet.

BAUKUNST

ÄGYPTEN i
Die Herrschermacht prägt sich am stärksten in der Bewältigung
__ großer Arbeiten aus, wie sie die Baukunst fordert. Nach den
erhaltenen Resten läßt sich ihre Geschichte in Ägypten nach drei Abschnitten
gliedern: das alte Reich, das seinen Sih in Memphis hatte, das mittlere Reich
von Theben und das neue Reich.
DAS ALTE REICH (bis um 2200 vor unserer Zeitrechnung) ist durch das
Gräberfeld von Memphis südlich von Kairo gekennzeichnet, dem 4. oder
5. Herrschergeschlecht um 2800 v. u. Z. zugehörig. Für den Steinsarg ist
eine Kammer in den Felsen gehauen, die darüber gehäufte Erdböschung wird
mit Ziegeln oder Steinen vor Wetter und Tieren geschüßt; sie sieht wie eine
Bank aus (arabisch Mastaba genannt). Da die Seele des Ägypters von
Zeit zu Zeit wieder in ihren Leib schlüpft, bedarf diese bankartige Erhebung
an der Ostseite einer Türe, vor der die Hinterbliebenen opfern. Der König
begnügt sich nicht mit dieser Mauerbank, sondern seßt ihrer mehrere über-
einander: das ist der Anfang der Stufenpyramide. Wird sie mit Kalkstein-
quadern belegt, so ist die wirkliche Pyramidenform gewonnen mit vier schräg
zusammenlaufenden Wänden, hinter denen sich im Innern die Kammer des
eigentlichen Königsgrabes birgt.
Sakkärah: sechsstöckige, 60 m hohe Stufenpyramide des Königs Tosorthros. — Giseh:
Pyramide des Chufu (Cheops 3091—3067), Höhe 146m; Pyramide seines Bruders Chafra
(Chefren 3067—3043), Höhe 136 m.
DAS MITTLERE REICH (3. Jahrtausend v. u. Z. bis 1600 v. u. Z.), die Zeit der
11. bis 13. Dynastie, bringt schon die schwer bearbeitbaren Basalte, Granit
und Alabaster zur Verwendung, behält aber auch in ihnen die Nachahmung
einer älteren leichteren Holzbaukunst bei. Eine neue Bauform ist die Säule.
Die Steinsäule erscheint wie aus einem Bündel gewaltiger Stengel zu-
sammengefügt. Der Fuß gleicht Wurzelblättern, der Schaft Papyrusstämmen,
das Kapitäl einer Knospe, der Lotosblume oder Palmblättern; doch ohne
organische Gliederung. Die Säule aus parallelen Stämmen, aber ohne ein der-
artiges Kapitäl, nur mit einer viereckigen Platte bedeckt, kommt auch an dem Ein-
gänge von Felsengräbern (Benihassan) vor, die im mittleren Reiche häufig sind.
Der Obelisk ist ein viereckiger, nach oben zugespitjter (verjüngter)
Pfeiler aus einem Stück Stein (Monolith); seine Flächen sind mit der aus
Bildern zusammengesefjten Schrift der Ägypter (Hieroglyphen) beschrieben.
Beni-Hassan: Felsengräber. — Medinet-el-Gayum: Labyrinth, von König Ame-
nemhat III. (12. Dynastie) zu bisher ungeklärtem Zwecke erbaut, vermutlich Wohnhäuser. —
Heliopolis: Obelisken (jetjt in Rom vor dem Lateran, Paris, London u. a. O.).
DAS NEUE REICH (1600 bis 950 v. u. Z.), die Zeit der 17. bis 20. Dynastie,
zeigt die langsame Entwicklung des ägyptischen Tempelbaues in ihrem Ab-
schlüsse. Noch bleiben seine älteren Vorbilder erkenntlich: die Wände, ob-
wohl aus Stein, sind nach außen abgeschrägt, wie zur Zeit, da sie gleich den
Nildämmen noch aus getrocknetem Schlamm und ungebrannten Lehmziegeln
errichtet waren. Die Schauseite des Tempels besteht nur aus einem mas-
sigen Torbau, dessen zwei hohe Türme (Pylonen) mehr abschließen als zum
 
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