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DER ISLAM

Wie Mohammed seine Religionsgeseße nicht aus neuen Ge-
danken, sondern aus einer Verbindung semitischer und christ-
icher Lehren schöpfte, so beruht auch die Kunst des Islam auf einer Ver-
schmelzung der verschiedenartigsten älteren Kulturen. Seit der Eroberung von
Mekka (630) in raschem Sturm ihre Herrschaft ausbreitend von China und
Indien bis nach Spanien (711 unterworfen), haben die Mohammedaner aus
Mangel an eigenen, langsamer reifenden Erfahrungen und Einfällen wahllos
griechische und ägyptische, syrische, persische und byzantinische Formen an-
genommen. Namentlich in der Baukunst. Mohammed selbst und seine Nach-
folger hatten bedürfnislos in Zelten gewohnt; der Name ihrer späteren Haupt-
stadt Fostat (heute Kairo) bedeutet nichts anderes als „Zelt“. Als es gerade
hier dann (Mitte 7. Jahrhundert u. Z.) zur Erbauung ihrer ältesten ägyptischen
Moschee kommt, wurden die Säulen aus griechischen und frühchristlichen
Bauten geholt und der Spißbogen von den Persern entlehnt. Als zu Anfang
des 8. Jahrhunderts die Johanneskirche zu Damaskus, die bis dahin zur einen
Hälfte den Christen, zur anderen den Mohammedanern gedient hatte, den
leßteren allein zufällt, wird sie von byzantinischen Bauleuten umgestaltet. Die
1356 in Kairo erbaute Hassan-Moschee gruppiert um den mittleren Hof vier
Hallen in Kreuzform unbekümmert um den symbolischen Charakter dieser
den Christen heiligen Form. Auch die häufige Verwendung der Kuppel wird
den byzantinischen Kultbauten entlehnt. Nur in dekorativer Hinsicht, die aus
Bauwerk, Bildnerei und Malwerk eine Art kunstgewerblichen Erzeugnisses
macht, wird ein neues Element bemerkbar. Die Bogenform zum oberen
Abschluß der häufigen Nischen, Fenster und Tore wird vielgestaltiger, neben
den römischen runden und den persischen Spißbogen tritt ein kleeblattartiger,
bald ist er kielförmig, bald gar wie ein Hufeisen. Das Gewölbe ist nicht auf
Grund konstruktiver Berechnung aus Stein ausgeführt, sondern eine phan-
tastische Scheindecke aus Stuck oder Holz mit herabhängenden Verzierungen
wie aus Tropfstein (Stalaktitengewölbe). Auch der Turm für den Gebet-
rufer (Minaret), dessen erstes steinernes Vorbild erst 1284 erstanden war,
ist rein islamitischen Charakters und wird an der berühmten Grabmoschee
des Sultans Kait-Bai in Kairo (1463) zu einem feingegliederten vierstöckigen
Kunststück wie von Drechslerhand.
Entwickeln sich auch, den so verschiedenen Quellen entsprechend, aus
denen der Islam schöpfte, die Moscheen als einzige Aufgabe islamitischer Bau-
kunst in Persien anders als in Nordafrika und Spanien, so bleibt doch für
den Mohammedaner die immer nach Osten gegen Mekka gerichtete Gebetnische
(Mihrab, Kiblah), die in keiner Moschee neben der Kanzel (Mimbar) fehlen
darf, die Hauptsache und kann dem Wanderer nur durch den Gebetteppich,
der die Gebetnische in Knüpfarbeit nachahmt, ersetzt werden.
In Spanien war es den mohammedanischen Mauren, besonders unter dem
in Cordova wohnenden Herrschergeschlecht der Omajaden (10. Jahrhundert),
vergönnt, auf einem von Keltiberern, Phöniziern und Karthagern, von Griechen,
Römern, Westgoten und anderen Germanenstämmen gedüngten Boden in sieben-
hundertjähriger Entwicklung eine hohe Kultur zu erlangen, deren bedeutendste
Bauten die Moschee von Cordova (961 — 1001), der Glockenturm Giralda in
Sevilla (1196), die Alhambra in Granada (1248 begonnen), der Alcazar in
Sevilla (1354) sind. Der Stil, in dem sie erbaut wurden, eine Verbindung orien-
talisch-maurischer mit abendländisch-romanischen Formen, heißt Mudejarstil.

BAUKUNST
 
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