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DAS 19. JAHRHUNDERT

DIE ROMANTIKER

Im volkstümlichen Empfinden allein lag ein starker
Widerspruch gegen jene idealisierende Anlehnung an das
Fremde, längst Abgelebte. In Schottland fängt man schon 1724, in Deutschland
erst unter Musäus und den Brüdern Grimm an, die Volksmärchen zu sammeln.
Der Engländer Thomas Chippendale veröffentlicht 1754 Entwürfe in goti-
schem Stil, Goethe begeistert sich 1771 für Erwin von Steinbachs Straßburger
Münster. Die Brüder Boisseree sammeln rheinische Werke des Mittelalters,
die Brüder Schlegel wirken literarisch in derselben Richtung. Raimund verseht
Volksstück und Zaubermärchen auf die Bühne.

BAUKUNST. Je mehr die kunstwissenschaftliche Forschung auch allen späteren
Kunstabschnitten gerecht wird, um so entschiedener vertiefen sich die Archi-
tekten, durch die Romantiker in der Dichtung und das erwachte Nationalgefühl
nadh den Befreiungskriegen angeregt, nunmehr wieder in die gotische Bau-
weise. Ihr Hauptvertreter in Frankreich ist Viollet-le-Duc (1814—1879);
in Österreich und Deutschland die Gruppe der Dombaumeister, denen die
Erneuerung und der Ausbau der gotischen Kirchen anvertraut war; der Württem-
berger Friedrich Schmidt (1825—1891) und der Schweizer Joh. Georg
Müller (1822—1849) in Wien, Wilhelm Hase (geb. 1818) in Hannover, der
Österreicher Georg Hauberrisser in München; in England Georg Gilbert
Scott (1811—1878) und Norman Shaw (geb. 1831).
Die Romantiker beginnen den Kampf gegen den akademischen
Zwang. Im Jahre 1812 wurde der Lübecker Friedrich Overbeck
(1789—1869) von der Wiener Kunstakademie ausgeschlossen. Er geht nach Rom
und gründet hier im Zeichen der Vorläufer Raffaels die Schule der N azarener,
jene von warmem religiösen Empfinden erfüllte Richtung, der u. a. Philipp
Veit (1793—1877) und der Österreicher Scheffer von Leonhartshoff
(1795—1822) angehören. Auch der deutsche Bauernsohn Böhmens Josef
Führich (1800—1876) und der Wiener Eduard von Steinle (1810—1886)
gehören hierher.
PRÄRAFFAELITEN. Unter diesem Namen der Vorläufer Raffaels faßt man
insbesondere auch die englischen Romantiker Holman Hunt (1827—1910),
Dante Gabriel Rossetti (1828—1882) und Edward Burne-Jones (1833 bis
1898) zusammen. Wie Mengs schon durch seine Taufnamen Anton auf Cor-
reggio und Raffael auf den Urbinaten als Hauptmeister der Hochrenaissance
hingeleitet worden war, so jeßt Rossetti durch seinen Vornamen Dante auf das
Mittelalter, dessen Naivität wieder lebendig werden sollte. Nicht Schönheit,
sondern Hingebung erstreben die Präraffaeliten; je mehr ihnen hierbei das
Unbewußte mittelalterlicher Frömmigkeit fehlt, um so stärker ist ihre Be-
obachtungsgabe. Hunt studiert in Palästina selbst die Natur und Gestalten
seiner biblischen Bilder.
GESCHICHTSMALEREI. Auch das Studium der vaterländischen Geschichte
ist ein Ergebnis der romantischen Stimmung in der 1. Hälfte des 19. Jahr-
hunderts. Alsbald steht der Historienmaler in der Schäßung der Zeitgenossen
obenan: in Paris Paul Delaroche (1797—1856), der in die Fußtapfen Davids
getreten war; in Brüssel Louis Gallait (1810—1887), der eben zurechtkam,
das Nationalgefühl des 1830 gegründeten belgischen Königreiches durch den
Hinweis auf seine Geschichte zu stärken; in Wien Peter Krafft (1780—1856),
der Schilderer der Napoleonischen Befreiungskriege; in München Wilhelm

MALEREI
 
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