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ROKOKOSTIL

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die Technik wieder aufgenommen und
der Betrieb 1630 in das Haus der aus
Reims stammenden Wirkerfamilie
Gobelin verlegt, deren Name später
auf die ganze Art der Bildweberei am
aufrechten Webstuhl (haute-lisse) über-
ging. Seit 1662 besteht die Anstalt als
Königliche Manufaktur (des Meubles
de la Couronne) unter der Leitung
Le Bruns und verbindet ihre Werkstätte
mit einer Schule.

KUNSTGEWERBE. Voran schreitet
auch das Kunstgewerbe. Jean Berain
(gest. 1711) entwirft und veröffentlicht
in Kupferstich Vorlagen für alle kunst-
gewerblichen Zweige, deren Meister im
Louvre Werkstätten erhalten.
P. Mignard: Ludwig XIV. (Wien, Hofmus.). -
H. Rigaud: Bildnis eines französischen Wür-
denträgers, Elisabeth Charlotte v. Lothringen
(Wien, Hofmuseum); Ludwig XIV. (Versailles).


120. Louvre in Paris. Nach einer Photographie
aus dem Verlage der Gilbertschen Hofbh. in Dresden.

ROKOKOSTIL

FRANKREICH

Mit dem Tode Ludwigs XIV. erfolgt ein Rückschlag: man
ist der pathetischen, steifen Größe überdrüssig und sehnt
sich nach Anmut und Zierlichkeit. Das Ornament leistet diesen Dienst, und
von seinen an Muscheln (rocaille) erinnernden Zierlinien erhält der neue,
das 18. Jahrhundert beherrschende Stil seinen Namen. Er ist von den natura-
listischen Malereien chinesischer Porzellane beeinflußt und verläßt das Geseß
der Symmetrie. Paris ist jeßt die hohe Schule: der jüngere Fischer v. Erlach
studiert hier, der Franzose Jadot baut in Wien.

KUNSTGEWERBE. Gille Marie op den Oordt (Openort, 1672—1742), der
Sohn eines niederländischen Tischlers, und der Zeichner Juste Aurel Meis-
sonier (1693—1750) sind die Begründer dieser zierlich bewegten Dekorations-
kunst. Charles Andre Boulle (1642 — 1732) hatte die Einlegearbeit von Metall
in Schildkrot (Boulletechnik) eingeführt. Die Möbel werden, je zarter und
unkonstruktiver ihr Aufbau, um so reicher mit vergoldeten Bronzebeschlägen
verziert, besonders durch die aus Italien eingewanderte Familie der Caffieri.
Gießer (Gouttiere) und Goldschmiede (Germain, Thomire) wetteifern in
fein ziselierter Kleinplastik.
MALEREI. Auch die Malerei wird zarter und meidet die tiefen bombastischen
Farbengegensäße. Antoine Watteau (1684—1721), der aus dem ehemals
niederländischen Valenciennes nach Paris kam und nur das Alter Raffaels
erreichte, hat diesen Umschwung bewirkt. Er malt, was er als einsamer Schwer-
kranker kaum je erlebt: galante Feste, von der Poesie der verzagenden Lebens-
lust verklärt. Liebe ohne Leidenschaft, heitere Ruhe in den lichten Farben
des jungen Frühlings. Nicolas Lancret (1690—1743) und Jean Baptiste
Pater (1696—1736) folgen ihm darin. Francois Boucher (1703—1770)
 
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