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INDISCHE KUNST

Als Alexander der Große nach Indien zog, hatte die seit fast
zweihundert Jahren herrschende Lehre Buddhas (T480v. u.Z.)
noch keine uns bekannten Denkmäler veranlaßt. Sie suchte ja das Heil in
der Armut und Weltentsagung. Im Zeitalter Alexanders berührten sich dann
die Gegensähe, und hellenische Schaffenskraft wirkte auf den indischen Geist,
der inmitten einer schwelgerisch üppigen Natur die Sehnsucht nach Vergäng-
lichkeit (Nirwana) lehrte. Ein Volk, das keinen Kampf mit der Natur, also
kein Kraftgefühl, und keinen Kampf mit anderen Völkern, also keine Geschichte
kennt und in seiner träumerischen Phantasie zeitlos fruchtbar ist gleich den
Ufern des Ganges — nicht durch regelmäßige Überschwemmungen wie jene
des Nils an Wechsel, Ordnung und Regelmäßigkeit gewöhnt, sondern durch
immer gleichen Reichtum entnervt — ein solches Volk sucht nicht in der
bildenden Kunst sich über die Sorgen des Alltags zu erheben. Und wenn es
einmal zu bauen beginnt, baut es anders als Ägypter und Griechen, selbst
anders als' seine trofjigen Nachbarn, die Assyrer, Babylonier und Perser.
Erst hundert Jahre nach Alexander, erst unter König Asoka (263—226 v. u. Z.)
entstehen die uns erhaltenen Bauten: Reliquienbehälter (Stupa, Dagoba),
halbkugelförmig auf einer Terrasse, die von einem steinernen Zaun umgeben
ist. Dieser Zaun ahmt Zimmerarbeit nach und zeigt, daß auch in Indien zu-
erst und lange ausschließlich in Holz gearbeitet worden ist, ehe man den Stein
zu bearbeiten begann. Die Bedeutung des Tores, das im Orient als Gerichts-
stätte diente und in ganz Asien künstlerisch bevorzugt wurde, verhilft auch
den Eingängen jener Steinzäune zu überreichem figürlichen Reliefschmuck, wie
ja überhaupt alles indische Bauwerk infolge des Mangels konstruktiver Ge-
danken eigentlich nur Bildwerk, Plastik ist. Hoch entwickelter Holzbau, den
schon Alexanders Begleiter an den Pendschabvölkern bemerkenswert gefunden
hatten, ahmen auch die Klosteranlagen nach, die in Grotten verlegt an der
Felsenwand eine Steinfassade und innen eine der Zimmerei nachgebildete
Wölbung erhalten. Spät entwickelt sich der freistehende Tempelbau, die steil an-
steigende Pyramide über der Götterzelle (Pagode), eine Ausgestaltung der Stupa.
Während die Malerei Indiens Zeugnis von
scharfer Beobachtung gibt (Adschanta, um
400 u. Z.), gleicht die bevorzugte Reliefplastik dem orientalischen Teppich
in der Aneinanderreihung gleichwertiger Einzelheiten, einer Republik, in ihrer
fast anarchischen Zügellosigkeit ein Spiegelbild der Natur. Am besten geraten
die Tiere, namentlich Elefanten; geringer der Mensch, von dem die Gottheit
sich nur durch zahlreichere Arme, Beine und Brüste als allgewaltiger unter-
scheidet. Körperliche Veredelung und seelische Vertiefung fehlen.
Grottentempel: auf den Inseln Elefanta, Salsette, dann in Ellora bei Bombay
(500—800 u. Z.) Bengalen, Ceylon. — Pagoden: Bhuwaneswar (7. Jahrhundert u. Z.),
Kanaruk (13. Jahrhundert).

MALEREI UND BILDNEREI

BAUKUNST

Leisching, Die Wege der Kunst.

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