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DIE WEGE DER KUNST

In den Klöstern erblüht ja vor allem die Buchmalerei. Sie
steht im engsten Zusammenhang mit der Schrift und setjt
zunächst noch immer die Überlieferung gotischer Vorbilder in antikisierender
Weise fort, ohne die Natur aus eignen Augen zu beobachten, ohne Karls des
Großen Verbot, heidnischer Allegorien zu beachten. Übung und Nachfolge bildet
an den Hauptsitjen derartiger einsamer Kunstpflege ganze Schulen heraus, so in
Metz, Reims, Tours, St. Gallen, Fulda. Seit dem 8. Jahrhundert macht sich
hier die Einwirkung der irischen Buchmalerei bemerkbar, die seit dem
5. Jahrhundert das Kalligraphische selbst auf Steindenkmälern bevorzugt, aus
Tieren schnörkelreiche Schriftzeichen, aus Schriftzeichen phantastische Tier-
formen bildet oder wie auf gotischen Goldschmiedearbeiten an gewebte und
geflochtene Muster erinnert und durch irische Mönche an den Rhein und nach
Süddeutschland gebracht wurde (St. Jakob in Regensburg; dessen Tochter-
kloster in Wien, hier irrtümlich Schottenkloster genannt).
Ähnlich bevorzugt wurde die Elfenbeinschnißerei, da sie vor
allem die Deckel für die geschriebenen Bücher zu zieren hatte,
in Ermangelung eigener Schulung römische und byzantinische
Vorbilder nach und hört mit dem Beginn bodenständigen Schaffens im
12. Jahrhundert auf.
Als Karl der Große den Plan faßte, der Baukunst eine neue
Heimat zu bereiten, kannte er bereits Rom und besaß einen Plan
von Byzanz; entscheidend aber war die Möglichkeit, aus dem Palaste des Theo-
dorich zu Ravenna ganze Bauteile, Säulen und Mosaik nach Aachen bringen zu
lassen. So wurde das ravennatische San Vitale zum Vorbild des Aachener
Münsters, das ebenfalls ein Zentralbau im Achteck ist, von einem Umgang im
Sechzehneck umgeben. Vor dem Eingang lag wie in der altchristlichen Kirche ein
von Säulen umstellter Vorhof mit Brunnen. Auch Maria im Kapitol und St. Gereon
zu Köln waren ursprünglich Zentralbauten. Aber das Aachener Muster griff als
Vorbild doch nicht durch; es war eben als Palastkapelle, also nur für den Hof
erbaut. Karls Berater Einhard dagegen nahm sich bei der Gründung der
Klöster Michelstadt und Seligenstadt für die Kirchen die Kreuzform der
römischen Basilika zum Vorbild. Auch hierzu war die geistige Veranlassung
durch ein Ereignis von weittragender Bedeutung gegeben: die Begründung
christlicher Ordensgemeinschaft durch den heiligen Benedikt und die
Bekehrung der zum Teil noch heidnischen Germanen durch seine Jünger.
So kam der römische Geist in die Kirche und in die Kunst des Nordens.
Die Benediktiner, deren Stifter 480 im römischen Sabinergebirge geboren
worden war, erbauten zu Karls Zeiten auf deutschem Boden bedeutende An-
lagen wie jene zu St. Gallen (Schweiz), dessen alter Plan auf Pergament
sich noch erhalten hat. Sie nennen ihre Heimstätte, das Kloster, fortan in
allen Sprachen nach jenem von Säulenhallen umgebenen Vorhof (Claustrum),
der zum Mittelpunkt der ganzen Klosterbaulichkeiten wird und es als Kreuz-
gang während des ganzen Mittelalters bleibt; aber er ist jetjt nicht mehr der Vor-
hof, sondern liegt an einer Langseite der Kirche und bildet an seinen anderen
drei Seiten den Zugang zum Beratungssaal (Kapitel), zum Schlafraum (Dor-
mitorium) und zum Speisesaal (Refectorium) und Keller (Cellarium). Die
Klosterkirche erfährt durch die Höherführung des unterirdischen Heiligengrabes
zu einer wirklichen ünterkirche (Krypta) eine wesentliche Umgestaltung: die
dem Hauptaltare eingeräumte Ostapsis wird dementsprechend auf Stufen erhöht,
da sie über der Krypta liegt. Hier wird zugleich der Ordensgeistlichkeit ein
Raum für sich eingebaut (Presbyterium). Mit Rücksicht auf den wachsenden

BAUKUNST

BILDNEREI
Auch sie ahmt

BUCHMALEREI
 
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