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ROMANISCHER STIL

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DECKE. Die Decke im Innern ist ursprünglich
flach und aus Holz; sie ruht auf den Außen¬
mauern und den Säulen, die das Mittelschiff von
den Seitenschiffen trennen (Hildesheim, Michaelis¬
und Godehardikirche; Speyrer Dom). Als man
sich wegen zahlreicher Brände daran wagt, statt
der flachen Holzdecke eine halbkreisförmige, noch
kunstlose Wölbung aus Mauerwerk (Tonnen¬
gewölbe) aufzuführen, müssen die Außenmauern
noch mehr verstärkt werden, denn sie müssen das
doppelt wirkende Gewicht dieses Gewölbes aus¬
halten: das senkrecht wirkende (Druck) und das
seitwärts wirkende (Schub). Um diesem Übel¬
stande abzuhelfen, tritt mit der Zeit an die Stelle
der Tonnenwölbung das Kreuzgewölbe. Es be¬
steht zunächst aus vier senkrechten Rundbogen
(Gurten), die über je zwei Ecken eines Quad¬
rates gespannt werden; verbindet man hierauf je
zwei gegenüberliegende Eckpunkte in der Diagonale mit einem Bogen, so ent-
stehen zwischen diesen gekreuzten Bogen und jenen vier aufrecht gespannten
kleine sphärische Flächen (Kappen), die leicht zuzumauern sind. Der Vorteil
dieses Kreuzgewölbes gegenüber dem älteren Tonnengewölbe besteht darin, daß
sein Gewicht nur auf den vier Eckpunkten ruht, also nur diese verstärkt sein müssen.
SÄULEN UND PFEILER. Solange der Raum nur mit Holz gedeckt war,
genügten Säulen, also rund gemauerte, oben schmälere (verjüngte) Mauer-
körper. An ihre Stelle treten bei Einführung des Kreuzgewölbes, um dessen
Gewicht zu tragen, die wuchtigeren Pfeiler, viereckig oder auch rund, aber
oben von gleichgroßem Durchmesser wie unten. An diese Pfeiler werden, um
sie bei aller Tragfähigkeit nicht zu plump machen zu müssen, eigene Halb-
säulen (Dienste) gelehnt, welche dazu dienen, die Gurten des Gewölbes zu
tragen. Da in den romanischen Kirchen der Rundbogen unmittelbar auf der
Säule ruht, muß das Säulenkapitäl selbst den Übergang von der zylindrisch
runden Säule zum Bogen bilden, dessen Auflager viereckig ist: daraus ent-
steht als nächstliegende Form das Würfelkapitäl, einem Würfel gleich, dessen
vier untere Ecken abgerundet werden mußten, um den Übergang zum kreisrunden
Querschnitt der Säule zu bilden. Daneben kommt bei zunehmender Verwertung
der Pflanzenmotive eine Kelchform in derber Nachbildung des korinthischen
Kapitäls vor; sie zeigt, wie weit man sich bereits von der Antike entfernt hat.
DEUTSCHLAND. Am reichsten und schönsten entfaltete sich die romanische
Baukunst in Deutschland. Besonders am Rhein, wo die Kultur am ältesten,
die kirchliche Macht am größten, die Erinnerung an Karls d. Gr. Bestrebungen
am lebendigsten. Dann aber auch in jenen Landstrichen, die gleichzeitig zur
politischen Führerrolle bestimmt sind, wie Sachsen (das heutige Braunschweig
und Thüringen neben Westfalen und Hannover umfassend), dessen mächtige
Kaiser als Ungarnbesieger und Städtegründer das unterbrochene Werk Karls
d. Gr. in ernster Arbeit fortseßen (919 bis 1024). In der Ostmark erwecken
die Babenberger mit kraftvoller Hand die Stätten römischer Grenzwacht nach
fünfhundertjährigem Scheintod zu neuem Leben. Und immer ist es der Kirchen-
bau in erster Linie, der als Kulturbote vorausschreitet. Aber da die Wanderung
in die Ostmark eine weite ist, treten die romanischen Formen in Österreich
später auf und dauern hier länger als in Westeuropa.

29. Hildesheim, Michaeliskirche.
Nach einer Photographie
von F. H. Boedeker in Hildesheim.
 
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