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108

DIE WEGE DER KUNST

96. Giovannni B. Tiepolo: Hochzeit der
Catarina Cornaro.
Nach einer Photographie der Brüder Alinari, Florenz.


wollen nichts mehr von der Antike, selbst
die gerade Linie der Stirnmauern schwingt
sich unter ihren Händen, um auch kleinere
Bauten größer erscheinen zu lassen, als
sie sind, und Großes in einheitlicher
Raumwirkung zusammenzuschließen. So
baut Borromini die Kirche San Carlo
alle quattro fontane und Bernini die
Säulenhallen vor St. Peter, um die Kraft
der Kuppel von Michelangelo zu heben,
nachdem Carlo Maderna aus dem
Zentralbau dem Bedürfnisse entsprechend
ein Langhaus gemacht und davor eine
palastartige Vorhalle erbaut hatte (seit
1612). Berninis gewundene Säulen am
Tabernakel in St. Peter übertragen das
malerische Teppichmotiv Raffaels ins
plastisch Monumentale. Mit glänzender
Berechnung der Luftwirkung errichtet in
Venedig Longhena um 1650 die Kuppel
von S. Maria della Salute.
BILDHAUER. Bernini ist auch Bild-
hauer, als solcher schleift er den Marmor

seiner Gruppen, in denen die Gesamtwirkung bedeutender ist als der Wert
der einzelnen Teile, bis der Marmor jenen spiegelnden Glanz bekommt, der für
die Barockkunst kennzeichnend ist. Unübersehbar wie die ihrer harrenden
Aufträge ist die Zahl der Bildhauer, die in Ermanglung des teuren Marmors
im billigeren Stuck dieselbe Wirkung erstreben. Die leichte Bildsamkeit
des Stuckes, sein geringes Gewicht ermöglicht, die Decken und alle Bauteile
in reichster Plastik auszufüllen oder konstruktive Schwierigkeiten zu verdecken.

MALEREI. Die Begründer der Barockmalerei (Correggio, Tintoretto) wurden
schon unter den Meistern des späten 16. Jahrhunderts genannt. Venedig
tritt neuerlich im 18. Jahrhundert hervor als Geburtsstadt des genialen Fresken-
malers Giovanni Battista Tiepolo (1693 —1770), der Pastellporträtistin
Rosalba Carriera (1675—1757) und der Architektur- und Landschaftsmaler
Antonio Canale (Canaletto 1697—1768), seines Neffen Bernardo Belotto
(1724—1780) und Francesco Guardi (1712—1793); sind jene die meister-
lichen Schilderer der Baukunst allerorten, so spricht aus Guardis prickelnden
Farben auch die Lebenslust des venezianischen Volkes.

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DIE MALEREI erreicht hier im 17. Jahrhundert jene Be-
deutung, die sie im 16. Jahrhundert in Italien, dann im
18. in England, im 19. Jahrhundert in Frankreich gehabt. Zwei Künstler be-
herrschen ihre nach religiösen, nationalen und politischen Grundsätjen in zwei
Heerlager gespaltenen Volksstämme: Rembrandt im Norden das protestantische
unabhängige, rein germanische Holland, Rubens im Süden die von Spanien
beherrschten, katholischen Vlamen.
PETER PAUL RUBENS (1577—1640), das Haupt der vlämischen Schule von
Antwerpen, ist von flandrischen Eltern in Siegen bei Köln geboren und nach

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