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DIE WEGE DER KUNST

dort, 1851 vom Hamburger Gottfried Semper organisiert, und das k. k. Öster-
reichische Museum für Kunst und Industrie sind, 1864 von Eitelberger ins
Leben gerufen — förderte nicht bloß im Kunstgewerbe, sondern auch in der
Baukunst den historischen Sinn und die Neigung, das Überlieferte nachzu-
ahmen. Man blieb nicht bei der Gotik stehen, sondern griff auch auf die
früheren oder späteren Stile zurück: in Wien durch Theophil Hansen auf den
griechischen (Parlament), durch Ferstel, Semper, Hasenauer auf die italie-
nische Früh- und Hochrenaissance (Österreichisches Museum, Universität, Hof-
museen, Burgtheater); in Deutschland, durch die nationale Begeisterung des
Deutsch-Französischen Krieges veranlaßt, auf die Formen der deutschen Renais-
sance; in Frankreich jene der französischen. Bald folgen Bauten im Stile
der Barocke und des Rokoko- und Empirestiles ohne Rücksicht darauf, ob
die Bedürfnisse unserer Zeit zu den durch jene überlieferten Formen be-
dingten Grundrissen passen. Genau wie in der Malerei rein historisch ver-
fahrend und gefällige Motive von überall zu neuen Zwecken entlehnend, über-
trägt die Baukunst zwischen 1870—1900 den sogenannten Schweizer Stil auch
auf den Landhausbau anderer Gegenden, ohne das Bodenständige in Bau-
weise und Landschaft, Lebensweise und technischen Fortschritten zu beachten.
Dies ist ein Gegenstück zu der „Bauernmalerei“, die gleichzeitig beliebt wird.
DER MODERNE STIL erstrebt Vereinfachung, Stoff-
echtheit, die Ableitung der Zierformen aus der Kon-
struktion und dem Material. England (William Morris, Walter Crane,
Ashbee), Belgien (van de Velde), Skandinavien schritten voraus, Österreich
mit Wien, Deutschland mit München an der Spiße schlossen sich an, ersteres
namentlich durch seine mustergültige Wiener k. k. Kunstgewerbeschule (Alfred
Roller, Koloman Moser, Josef Hoffmann, R. von Larisch). Sie kommen
aus der Bauschule Otto Wagners. Denn die Architektur kämpft gegen die-
selben Feinde wie das Kunsthandwerk: an die Stelle vorgeblendeter Fassaden
erstrebt der neue Stil des 20. Jahrhunderts die strengste Übereinstimmung des
Grundrisses mit der äußeren Erscheinung, die unbedingte Anpassung an unsere
heutigen Anforderungen. Die heimatlichen Formen kommen dank ihrer alt-
bewährten Eigenart zu neuer Anwendung. In Deutschland sind es Theodor
Fischer, Riemerschmid und von Berlepsch in München, Messel, Peter
Behrens und Muthesius in Berlin, der Österreicher Olbrich in Darmstadt,
die diesen langsam reifenden modernen Stil geprägt haben.


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