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Alper, Götz; Römer-Strehl, Christiane
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Band 32): "Johanneser Kurhaus": ein mittelalterlicher Blei-/Silbergewinnungsplatz bei Clausthal-Zellerfeld im Oberharz — Rahden /​ Westf.: Verlag Marie Leidorf, 2003

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.68366#0375
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Tylecote 1987, 179, 180 Abb. 6.1). Für derartige
Schmelzöfen ist die Verwendung eines auf der
Grubensohle stehenden Steinsockels, wie er in
Befund 50 freigelegt wurde, auf dem vermutlich
ein Tiegel stand, ebenfalls belegt. Hinzuweisen ist
auch auf zwei kleine mit Steinplatten ausgeklei-
dete, allerdings rechteckige Grubenöfen aus der
Bergbausiedlung des 13. Jahrhunderts auf dem
Altenberg im Siegerland, für die eine Nutzung als
Probierofen angenommen wird (Dahm, Lobbe-
dey, Weisgerber 1998/1,34; 94-96; 120; 121). Am
Johanneser Kurhaus könnten verschiedene als
Schmiedeessen interpretierte flache Herdgruben,
insbesondere Befund 136 in Schnitt 2, ebenfalls
derartigen Aufgaben gedient haben, aber auch auf
den quadratischen Herdstellen und in den Öfen,
Befund 100 und 250, der Phase 3 könnten Erze
probiert worden sein (vgl. Kapitel 6.3, 8.1, 8.4).
Beim Probieren von Erzen könnten die Tiegel, von
denen sich am Johanneser Kurhaus einige Scher-
ben gefunden haben, benutzt worden sein (Abb.
110,18.19) (vgl. Kapitel 7.1.3) - naturwissen-
schaftliche Analysen der Tiegelscherben liegen lei-
der nicht vor. Zu der so genannten „Ansiedepro-
be“ fanden vermutlich einige der flachen Ton-
schälchen, die in erster Linie als Lampen dienten,
Verwendung (Abb. 101,1-16) (vgl. Kapitel 7.1.3.
Eckstein, Rehren, Hauptmann 1994, 126-129).
Das Ansieden ähnelt dem im nächsten Kapitel
beschriebenen Kupellationsprozess. Das Probe-
material wird hierbei, gegebenenfalls mit zugesetz-
tem Blei, unter Luftzutritt erhitzt. Um die notwen-
dige Sauerstoffzufuhr zu gewährleisten, werden
flache Keramikschälchen, „Ansiedescherben“, be-
nutzt. Das sich bildende Bleioxid nimmt Verun-
reinigungen auf und zersetzt zugleich Sulfide teil-
weise zu Metall; oft ist ein mehrfaches Wiederho-
len des Ansiedeprozesses notwendig, bevor ein
von Verunreinigungen hinreichend befreiter Me-
tallkörper (silberhaltiges Blei) vorliegt.
8.4. Silbergewinnung durch Kupellation
In dem erschmolzenen Werkblei hatte sich der
überwiegende Teil des im Ausgangsgut vorhande-
nen Silbers angereichert, da Blei als Edelmetall-
sammler fungiert. Das Silber kann aus dem Werk-
oder „Reichblei“ im Kupellationsverfahren ge-
wonnen werden; als Reichblei bezeichnet man
Werkblei mit Silbergehalten über einem Prozent -
zu den Silbergehalten des am Johanneser Kurhaus
angefallenen Werkbleis können keine genauen Aus-
sagen gemacht werden, da unter den analysierten

Bleifunden kein derartiges Material festgestellt
wurde.
Im Kupellations- oder Treibprozess erfolgt die
Trennung des Silbers vom Sammlermetall Blei,
indem das Blei mit Sauerstoff zu Bleiglätte (PbO)
oxidiert wird. Die Bleiglätte nimmt hierbei auch
verschiedenste Verunreinigungen und Beimen-
gungen des Werkbleis auf, zum Beispiel Kupfer.
Während das Edelmetall Silber und gegebenen-
falls auch Gold in metallischer Form verbleiben,
wird die Glätte von der Herdauskleidung (Kupel-
le) aufgesogen oder wird abgezogen und ein Teil
von ihr verdampft. Wahrscheinlich wurde die
Kupellation schon im 4. vorchristlichen Jahrtau-
send beherrscht und stellte bis in die jüngere Neu-
zeit praktisch das einzige pyrometallurgische Sil-
bergewinnungsverfahren dar (zur Kupellation sie-
he Bachmann 1993a, 34-36. 1993b, 38. Crad-
dock 1995, 221-228. Goldenberg 1996, 35; 36.
Moesta 1983, 78-88. Tylecote 1986,59-61; 1987,
139-140).
Wie bereits angesprochen, gibt es prinzipiell zwei
Verfahren zur Entfernung der Bleiglätte, die oft
kombiniert angewendet werden:
1. Abziehen
2. Einsickern in einen saugfähigen Untergrund.
In beiden Fällen wird mittels Blasebälgen Luft auf
die Oberfläche eines hoch erhitzten Bades ge-
schmolzenen Bleis geblasen. Die sich auf der Ober-
fläche bildende Schicht aus flüssigem Bleioxid
(Bleiglätte) kann nun fortlaufend durch Abstrei-
chen entfernt werden, wobei die Glätte stets flüs-
sig gehalten werden muss. Dieses Verfahren wird
von G. Agricola (1556, 403-406) detailliert be-
schrieben (Abb. 182). Als Brennmaterial finden
Holzkohle sowie Holz Verwendung - der Schmelz-
punkt von Bleioxid liegt bei 886 °C und für den
Treibprozess sind Temperaturen von 900 bis 1000 °C
erforderlich; gegen Ende eines Durchlaufes sollte
G. Goldenberg (1996, 36) zufolge die Möglich-
keit einer Steigerung der Temperatur über dem
Schmelzpunkt des Silbers (960 °C) auf 1000-1100 °C
gegeben sein. Nach Entfernen des letzten zu Glät-
te oxidierten Bleis erscheint das geschmolzene Sil-
ber auf dem Boden des Tiegels (Blick- oder Gül-
dischsilber). Die Tiegel beziehungsweise Herdbö-
den sollten aus weitgehend SiO9-freiem Material
bestehen, G. Agricola (1556,399) nennt „Erdge-
stübbe“ (vermutlich Mergel) und Asche - Ver-
schlackung von Blei mit SiO2 zu Bleisilikat wür-
de den Prozess behindern und zu Silberverlusten
führen. Ein Teil des Bleioxides bleibt als „Elerd-

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