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Alper, Götz; Römer-Strehl, Christiane
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Band 32): "Johanneser Kurhaus": ein mittelalterlicher Blei-/Silbergewinnungsplatz bei Clausthal-Zellerfeld im Oberharz — Rahden /​ Westf.: Verlag Marie Leidorf, 2003

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.68366#0377
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Klappauf 1995). Ein deutlicher Abdruck auf der
Oberfläche dürfte von einem Silberregulus stam-
men; sein Durchmesser ist auf 10 bis 15 cm zu
schätzen. Dass am Johanneser Kurhaus Glätte auch
durch Abziehen entfernt worden ist, zeigen zwei
Bleiglätteröllchen; es deutet sich auch in der che-
mischen Zusammensetzung von mehreren analy-
sierten Bleiglättefunden an (Abb. 144,3) (Beitrag
Heimbruch, Koerfer, Brockner, Tabelle 3). Die
Fundzusammenhänge der verschiedenen Blei-
glättefunde lassen auch kombinierte Verfahren
durchaus möglich erscheinen.
Bei drei runden Herden beziehungsweise Öfen
vom Johanneser Kurhaus handelt es sich mit gro-
ßer Wahrscheinlichkeit um Kupellationsöfen, Be-
fund 801,444 und 688 (Abb. 27-30, 60, 62, 72, 73)
(vgl. Kapitel 6.1, 6.3). Die Anlagen der Phasen 1
und 3 ähneln sich in den Grundzügen stark. Sie
bestehen aus runden verziegelten Lehmplatten,
die von einem Streifen unverziegelten Lehms/
Tons umgeben waren. Die Durchmesser der ver-
ziegelten Zonen lagen zwischen ca. 0,6 m und 1 m,
die Gesamtdurchmesser zwischen ca. 1 m und 1,4 m.
Der äußere Lehm-/Tonring markiert vermutlich
eine Kuppel oder Abdeckung. An der Südseite
eines Herdes, Befund 444, standen ursprünglich
offenbar zwei Steinplatten, zwischen denen sich
ein schmaler Spalt befand. Es ist anzunehmen,
dass sie als Schutz für einen Blasebalg und als Füh-
rung für die Blasebalgdüse gedient haben, wie ver-
gleichbare Steinsetzungen bei einfachen Schmie-
deessen (vgl. Kapitel 8.1). Zur Fixierung einer
Luftzufuhrdüse könnte auch eine Stake, Befund
693, am westlichen Rand des Herdes, Befund 688,
genutzt worden sein. Möglicherweise steht auch
eine pfostenlochartige Grube, Befund 897, 30 cm
westlich von Befund 801 in Zusammenhang mit
einem Blaseblag. Stakenlöcher, die auf ein Ofen-
kuppelgerüst weisen, wurden nicht beobachtet.
Bei Befund 444 ist gut vorstellbar, dass eine brand-
gerötete bis verziegelte Sand-/Lehmschicht über
der eigentlichen verziegelten Ofenplatte von einer
Ofenkuppel stammt. Bei allen Herden wurden auf
den verziegelten Lehmplatten mehr oder weniger
stark ausgeprägte Schichten/Spuren weißlichen
oder grauen (tonigen) Materials beobachtet, die
als Kupellenreste interpretiert werden können.
Zum Schutz vor Bodenfeuchtigkeit waren die
Herde mit Lehm-Steinpackungen fundamentiert.
Bei Befund 801 ließ sich deutlich eine mehrpha-
sige Nutzung erkennen, von der auch einige klei-
ne Stückchen Bleiglätte sowie Bleiverwitterungs-
produkte unter der jüngsten Ofenplatte zeugten.
Bei diesem Herd ließ sich außerdem deutlich eine

leichte Eintiefung im Zentrum der Ofenplatte
erkennen, die die Lage des Bleiglättekuchens be-
zeichnen dürfte. Auch bei den zwei anderen, leicht
gestörten Kuppelationsöfen deutet sich eine
schwache Absenkung zum Zentrum hin an. Ein-
deutige Hinweise auf die Nutzung der runden
Öfen geben Bleiglättestücke aus den zugehörigen
Nutzungshorizonten oder der Umgebung der
Öfen. Insbesondere ist auf das größere Bruchstück
eines Bleiglättekuchens hinzuweisen, das sich bei
Befund 444 fand (Abb. 144,2). Das zweite größe-
re von Th. Rehren analysierte Stück könnte aus
Befund 688 stammen (Abb. 144,1); es lag etwa 2 m
südöstlich des Herdes in Schichten der gleichen
Phase (3b). Ebenfalls zu diesem Ofen könnte ein
kleineres Stück mit einem Stock abgezogener
Bleiglätte stammen. Interessant ist außerdem ein
kleines, 9 g schweres Fundstück aus Befund 801,
das offenbar aus reinem Bleiglanz und aus Blei-
glätte besteht. Nach H.-G. Bachmann (1993b, 38)
kann reiches „Silbererz“ auch „direkt in das Blei-
bad des Treibherdes ,eingetränkt‘ werden“, wo es
sich zersetzt und die Bleibestandteile sowie Ver-
unreinigungen von der Bleiglätte aufgenommen
werden.
Reste von runden, flachmuldigen Treiböfen zur
Gewinnung von Silber aus Werkblei sind aus der
Antike von verschiedenen Orten bekannt, zum
Beispiel auch aus Laurion (Conophagos 1989,
308. Craddock 1995, 227). In Großbritannien
wurden Fragmente von römischen Kupellations-
öfen in Silchester, Wroxeter and Hengistbury Head
gefunden (Gowland 1915. Tylecote 1986, 60.
Vgl. Northover 1987,194). Materialanalysen ha-
ben gezeigt, dass die Öfen von den britischen
Inseln eher der Kupellation von silberhaltigem
Kupfer oder Kupferlegierungen (Münzen) als der
Gewinnung von Silber aus Blei gedient haben.
Das Verfahren des Abtreibens war hierbei jedoch
prinzipiell das Gleiche und auch die Konstruk-
tionsweise der Öfen dürfte ähnlich gewesen sein.
Die Rekonstruktion beziehungsweise Interpreta-
tion der spärlichen Reste der Öfen ist sicher durch
frühneuzeitliche Darstellungen von überwölbten
Kupellationsöfen beeinflusst (vgl. Abb. 182), könn-
te der Realität aber nahe kommen (Abb. 183): Eine
Mulde im Lehmboden von etwas mehr als 50 cm
Durchmesser und ca. 10 cm Tiefe ist mit Knoche-
nasche gefüllt. Auf der Knochenasche liegt im
Zentrum des Ofens das silberhaltige Metall. Dar-
überbefindet sich eine Schicht Holzkohle, die von
einer Kuppel aus Lehm/Ton oder Ziegeln bedeckt
ist, und von der Seite wird mit einer langen Düse
Luft auf das Schmelzgut geblasen. Auf dieselbe

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