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Nationaltheater Mannheim [Hrsg.]
150 Jahre National-Theater Mannheim: 1779 - 1929 — Mannheim, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.20765#0005
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verließ er den Ort, der sein künstlerisches Werden und
Wachsen, seine großen Erfolge als Schauspieler gesehen
hatte, um dem wiederholten Rufe Friedrich Wilhelms II. von
Preußen als Direktor der Nationalbühne in Berlin zu folgen.
Dalbergs bitteren Vorwürfen über den Bruch des geschlos-
senen Vertrags hielt Iffland die Pflicht der Selbsterhaltung,
den W'unsch ungehemmten Fortschreitens, das unsichere
Schicksal der Hofbühne überhaupt, schließlich die Ungewiß-
heit entgegen, ob der Thronerbe die persönlichen Verpflich-

Bühne durch seinen patriotischen Mut und seinen Opfersinn
durch alle Nöte und Kämpfe.

Von seiner außerordentlichen, nur durch seine selten
geistige und physische Spannkraft ermöglichte Wirksamkeit
in Berlin, die ihm 1811 den Rang eines „Direktors der König-
lichen Schauspiele" einbrachte, gibt E. Devrient in seiner
„Geschichte des Schauspiels" eine treffende Schilderung. Sie
läßt es uns verstehen, daß die so mächtige Natur Ifflands
durch die Ueberanstrengungen und namentlich durch seine
Gastspielhetzjagden gebrochen wurde. Er erlag am 22. Sep-
tember 1S14 einem Brustleiden. „Dem edlen Menschen",
schreibt Karolin e Ja g e m a n n in ihren Le'bens-
erinnerungen, „sind unzählige Tränen geflossen, und ganz
Deutschland hat dem großen Patrioten und einzigen Künstler
Trauerp almen gestreut. In nichts hat sich der Aufstieg
unserer Kunst deutlicher gezeigt, als in der Wertschätzung,
die man beim Tode des erlesenen Künstlers an den Tag
legte. . . Goethe hat ihm folgende Worte gewidmet:

Mächtig ist des Mimen heitre Kunst —
Nicht bloß dem eitlen Sonnenblick der Gunst
Will sie die Blüten holder Schöpfung bringen;
Zur höchsten Sphäre wagt sie's aufzudringen . . .,
Huldigt einem Geist, der bei uns bleibt und kräftig

wirkt und lebet'. . . ."

man ihn nach Wien zu engagieren. Im November 1790 wurde
er auf Lebenszeit zu Mannheim' (oder München) angestellt,
und 1792 wurde er nach dem Tode des bisherigen Direktors
zum Oberregisseur ernannt. Als solcher hatte er nunmehr
Gelegenheit, selbständig in die Führung des Theaters ein-
zugreifen, ja, er wurde von Dalberg, der infolge der poli-
tischen Verwicklungen wiederholt auf längere Zeit in Mün-
chen weilen mußte, mit der ganzen Leitung des hiesigen
Theater betreut; er'sollte nur „nach Ueberzeugung und Ge-
wissen handeln'. Dieser Weisung suchte IATand, soweit dies
in den damaligen Zeiten überhaupt möglich war, getreulich
nachzukommen. Denn seit dem Hereinbrechen der Kriegs*
nöte schwebte über der Nationalbühne das Damokles-
schwert der Auflösung, Gewallig griff namentlich die Be-
lagerung der Stadt (1794 und1 1795) in das ganze Theaterleben
ein. Wie viele andere flüchtete auch Iffland aus Mannheim.
Er schreibt darüber: „Ach! nie werde ich des Augenblicks
vergessen, wie im November — ich glaube, den 14. —, wo
ich eben im Lager vor Mannheim auf der Batterie Nr. 1
war, die Ordre gegeben wurde, Mannheim ernstlich zu bom-
bardieren. Mir schlug das Herz, meine Brust ward enge,
meine Kniee bebten. Meine Freunde waren in der Stadt.
Die schöne Stadt! Sie lag, von der Sonne hell beleuchtet, so
freundlich da! Auf einmal erbebte der Boden vom Donner,
der unaufhörlich hineingeschleudert wurde, und aus allen
flammenden Rachen der Festung wälzten dicke Rauchwolken
sich herab von den Wällen über die Ebene. Ich eilte nach
Heidelberg und bin nicht eher wieder in das Lager gekom-
men, als bis die Kapitulation unterzeichnet war. Aber in
Heidelberg, welche Tage habe ich dort gelebt, wenn in der
Wirtschaft einer diese abgebrannte Straße, ein anderer jene
mannte, und daß man in den Trancheen das Gewimmer aus
Mannheim vernehmen könne! Welche Abende, wenn in fin-
sterer Mitternacht die Berge zu Heidelberg in flammendem
Glanz standen, der von dem Ruine aus Mannheim herleuch-
tete! Mit jammerndem Herzen hin ich bei Tag und Nacht
bergab und -auf gestiegen; in Sturm und Regen habe ich das
Jammerbild gesehen, und — hüte mich mein Schicksal, daß
ich nie wieder von der Marter, von der Seelenbangigkeit ge-
quält werde, die damals mich ergriffen hat."

Nachdem dann Ifflands Rückkehr wieder möglich war,
gings „fort über die zertrümmerte Brücke, hinein in die
totenstille Stadt, deren Bewohner noch alle in den Kellern
waren, fort über Schutt, durch Rauch, zusammengestürzte
Steinimassen, an zerschlagenen Menschen und zerstreuten
Gliedern vorbei, atemlos, mit enger Brust zu meinem
Freund Beck. Er lebt, er umarmt mich, sein Weib, seine
Kinder erheben ein Freudengeschrei; ihre langen Todeszüge
beleben sich durch die Wonne der Freundschaft. Wir spre-
chen nichts, weinen, umarmen uns, weinen laut. Hin in die
Stadt, die Menschen kommen aus den Kellern. Ach,
welch ein Tag; die armen guten' Menschen; was haben

sie gelitten....." Nachdem Intendant Freiherr von

Dalberg aus München zurückgekommen war, war er mit
allen Anordnungen und Maßnahmen, die Iffland getroffen,
unzufrieden. Er bedachte nicht, daß die eiserne Notwen-
digkeit der besonderen Umstände, die kriegerischen Er-
eignisse, das Ausbleiben der kurfürstlichen Zuschüsse und
anderes jede freie Bewegung Ifflands hatten unterbinden
müssen. Das Verhältnis zwischen Dalberg und Iffland wurde
immer unhaltbarer und hatte ein unheilvolles Zerwürfnis zur
Folge, das das fernere Verbleiben Ifflands an der Mann-
heimer Nationalbühne unmöglich machte. Am 10. Juli 1796
trat er zum letztenmale auf, und am nächsten Tage schon

MICHAEL BOECK

Schauspieler in Gotha, 1779 nach Mannheim engagiert,
t 18. Mai 1793 an einem SchlagfluR in Mannheim.
Der erste Karl Moor in Schillers »Räubern«.

tungen Karl Theodors übernehmen werde. Doch konnte
Iffland das ihm liebgewordene Mannheim nicht vergessen!
Dieses sah ihn wiederholt als Gast wieder und jubelte ihm
jedesmal freudigst zu. 1800 kam er zweimal, 1802 fünfmal,

1804 siebenmal, 1811 viermal und 1812 neunmal zum Gastspiel.
An der Spitze des Berliner Nationaltheaters mußte ein Mann
wie Iffland Großes wirken! Sein Ehrgeiz, das ihm an-
vertraute neue Institut zu einer führenden Stellung in
Deutschland zu bringen, war bis zu den Katastrophen von

1805 und 1806 von den besten Erfolgen begleitet. Aber auch
in den schweren politischen Jahren führte Iffland die junge

Eng mit dem Wirken Ifflands als Mime hängt seine Tätig«
keit als dramaturgischer Schriftsteller und
Theaterdichter zusammen. Er schrieb viele Aufsätze
über Gegenstände der mimischen Kunst, die zum größten
Teil in seinem „Almanach für Theater und Theaterfreunde"
und in einzelnen Zeitschriften zerstreut liegen. Er dichtete
gegen 70 Dramen, die mehrere jahrzehntelang die deutsche
Bühne beherrschten. In Miannheim allein wurden von 1781
bis 1808 37 verschiedene Stücke von ihm an 476 Abenden
aufgeführt, während Schillers „Räuber", die den Ruhm der
Mannheimer Bühne begründet hatten, nur fünfzehnmal, „Ka-
bale und Liebe" nur siebenmal „Fiesco" und „Don Carlos""
nur je dreimal zur Darstellung kamen. Ifflands Stück „Ver-
brecher aus Ehrsucht", das 1784 hier seine Erstaufführung
erlebte, begründete seinen Ruhm als Dramatiker. Als seine
bedeutendsten Dramen gelten „Die Jäger", die O. Ludwig
zu seinem „Erbförster" begeisterten, sodann „Die Hage-
stolzen" eine Komödie, welche Goethe sehr hoch einschätzte
und s. Zt. in Weimar aufführen ließ. Daß Iffland es mit
seinem Dichten herzlich ernst und gut meinte, zeigt das Ge-
löbnis, das er am Tage seines großen Erfolges als Theater-
dichter ablegte. Er schreibt darüber in seiner Biographie:
„Als bei jener Vorstellung' (des „Verbrechers") das Pub-
likum von Mannheim sich herzlich, laut, so feurig äußerte,
— an dem Tag habe ich mir selbst das Gelöbnis getan, die
Möglichkeit auf eine Volksversammlung zu wirken, niemals
anders als in der Stimmung für das Gute zu gebrauchen.
Mit meinem Wissen habe ich dies Gelübde nie gebrochen." ■
Trotz seiner dramatischen Kenntnisse war Iffland kein wah-
rer Dichter. Sein gutös Herz verleitete ihn, auch die faulsten
Zustände in einem rosigen Licht darzustellen und zu entschul-
digen. Das Publikum liebte ihn eben darum.

So hat sichi Iffland in vier Wirkungskreisen, als
Schauspieler, als Dichter, als Theaterleiter und dramatischer
Schriftsteller, jeden durch den andern stützend, in die Vorder-
reihe jener wenigen Männer gestellt, die als formende und
führende Geister am Kulturleben unseres Volkes
mitgewirkt haben. O. E. Heü'g

Der Theaterdiromft im Soufflierkaßen

Bei diesem Theaterjubiläum wird all der Großen,
die am Mannheimer Theater gewirkt und sich unver-
gänglichen Ruhm erworben haben, in Wort und
Schrift gedacht. Der im Folgenden behandelte Johann
Daniel T r i n k 1 e träumte auch in jungen Jahren, als
Bühnenkünstler eine Rolle spielen zu können. Sein
Organ hätte wohl genügt, aber sein mimisches Talent
scheint gering gewesen zu sein. Dalberg, der ihn
anfänglich als „Lückenbüßer" verwenden wollte, wies
ihm die rechte Stelle als Kopist, Protokollschreiber
und Souffleur. 3 5 Jahre hat Trinkle dem Mann-
heimer Theater in stiller, fleißiger Arbeit gedient,
seiner Hände Werk bildet einen Schatz unseres
Theaterarchivs. Drum sei im Jubiläumsjahre auch
seines Namens in Ehren gedacht.

In den reichen Beständen des Mannheimer Theater-
archivs befinden sich eine Anzahl Protokollbände und Manu-
skripte, die sich durch eine ungewöhnlich schöne Handschrift,
durch klare übersichtliche Einteilung und große Genauigkeit
auszeichnen. Es ist eine wahre Augenweide, in diesen Archi-
valien zu blättern und zu studieren. Für die Geschichte des
Theaters sind sie von unschätzbarem Werte; eine Reihe
Theaterhistoriker haben diese Quellen für ihre Forschungen
benützt.

Johann DanielTrinkle, Kopist, Protokollschreiber
und Souffleur, hat diese Arbeiten gefertigt; sie sind das Er»
gebnis ungemeinen Fleißes von fast dreieinhalb Jahrzehnten.

Ueber den Lebensgang dieses talentvollen Schreibkünst-
lers ließ sich nur wenig ermitteln. Um die Mitte des 18.
Jahrhunderts ist er in der Reichsstadt Nördlingen geboren.
Ueber seine Jugendjahre wissen wir nichts. Um 1778 gehörte
er zur Theatergesellschaft Seylers in Mainz. Als Freiherr
v. Dalberg diesen als Theaterdirektor nach Mannheim
verpflichtete, wurden von dessen Gesellschaft als Mitglieder
beibehalten: Hr. und Mad. Toscani, Zuccarini, Hr. und Mad.
Pöschel, Familie Kirchhöfer, Herter, Haferung und Trinkle.
Am 2. Oktober 1779 traf auch die Schauspielertruppe aus
Gotha ein, die Dalberg für die Mannheimer Bühne gewonnen
hatte: Iffland, Beil, Beck, Meyer u. a. In dem projektierten
Gagen-Etat 1779 findet sich der Vermerk: „Hrn. Haferung,
Trinkle und Toscani, kleine Ausfüll-Rollen und eigentliche
Bouche-Troux (d. h. Lückenbüßer), 1206 fl. Md. Meyer, zum
Soufflieren und Copie der Rollen, 400 fl."

Von der Hand Trinkies stammt folgende Aufzeichnung
in seinem Theaterrepertoire über die Entstehung des Natio-
naltheaters:

„Als der Churfürst im Jahr 1778 seine Residenz nach
München verlegte, nahm Er die Marchandsche Hof-
Schauspieler-Gesellsdiaft mit; authorisirte aber den Freiherrn
von Dalberg, für die hiesige Bühne eine neue Schau-
spieler-Gesellschaft zu errichten. Derselbe engagierte dem
zu Folge die vorzüglichsten Mitglieder des eingegangenen
Herzoglichen Gothaer Hoftheaters, durch den mit hinläng-
licher Vollmacht versehenen Theater=Cassier Sartory.

Wozu noch von mehreren Bühnen einige Mitglieder berufen
wurden. Da gedachte Mitglieder erst nach Ablauf ihrer
Contracte hier eintreffen konnten: so engagierte sich Seiler,
mit seiner Gesellschaft erst wöchentlich einmal, in der Fasten
aber 3mal hier zu spielen. Als seine Gesellschaft nach der
Frankfurther Herbstmesse auseinander ging, kam Er mit
seiner Frau hieher, um als Director der hiesigen Bühne vor-
zustehen.

JOHANN DAVID BEIL

geboren am 11. Mai 1754 in Chemnitz als Sohn ein»
facher Bürgersleute. Besuchte dort das Gymnasium,
studierte in Leipzig, wurde in Gotha unter Eckhof
engagiert, kam 1779 nach Mannheim an das National»
theater, spielte in den Räubern, in Kabale und Liebe
und Fiesco mit großem Beifall und zur vollsten Zu-
friedenheit Schillers. Schrieb verschiedene Scha uspiele und
Lustspiele. Heiratete am 10. Oktober 1787 Louise geb.
Ziegler, Schauspielerin. Beil f 13. August 1794 in
Mannheim, 40 Jahre alt

Damaliger Personal-Stand:

Hr. u. Mad. Seiler. Die Familie Brandes. Hr. u.
Mad. Toscani. Mad. Kummerfeld. Mad. Wallen-
ste i n. Hr. Meyer u. Frau als Souffleuse. Mlle B a u -
mann (jetzige Mad. Ritter). Hr. Böck. Hr. Beil.
Hr. Iffland. Hr. Beck. Hr. Zuccarini. Hr. Back-
haus. Hr. H ö n i c k e, als Correpetitor. Trinkle als
Kopist. Dazu kamen noch Hr. u. Mad. Pöschel. Die
Familie Kirchhöffe r. Hr. H e r t e r."

Ueber die meisten dieser Künstler finden sich Nachrichten
im Mannheimer Theaterarchiv. Hier hat sich auch eine Ein-
gabe des Rollenschreibers Trinkle vom 1. November 1780,
seine Arbeit und Gage betr., erhalten.

Nachdem der Theaterdirektor Seiler im Frühjahr 1781
abgedankt war (am 7. März reiste er ab), wurde Chr. D.
Meyer Regisseur, Madame Meyer übernahm die Verwaltung
der Garderobe, und Trinkle wurde an deren Stelle
Souffleur; die Kopistenstelle behielt er jedoch bei. Mit seinen
Leistungen als Souffleur scheint man nicht immer zufrieden
gewesen zu sein. Der Schauspieler Beck macht einmal die
Bemerkung über ihn: „ein sehr guter Buchhalter inbezug auf
die Theatertextbücher, aber ein sehr schlechter Souffleur."

Im Juni 1781 ließ Freiherr v. Dalberg u. a. folgendes zu
Protokoll geben: „Das zu laute Soufflieren mit ganzer
Stimme ist Störung, weshalb der Souffleur zu ermahnen wäre,
auf sich selbst in Zukunft Acht zu geben." In der Ausschuß-
sitzung vom 7. November 1787 wurden von Dalberg folgende
„Fehler gegen Theaterordnung" gerügt:

„1. Das unverständige Sprechen der meisten Schau-
spielerinnen durch schiefes Drehen und Wortver-
schluckung.

2. Derselben unachtsamer Gebrauch, der Garderobe-
Kleider, wobei sie selten Abwechslung einführen
wollen.

3. Die Vernachlässigung und einreißende Unordnung im
Gang der Dekorationen.

4. Das beständige Knarren des Maschinenwerks ober
und unter dem Theater.

5. Des Souffleurs lautes, durch das ganze Haus er»
schallendes Sprechen, wodurch alle Illusion verloren
geht."

Als Kopist hatte Trinkle mannigfaltige Schreibarbeiten
zu besorgen. Im Jahre 1780 fertigte er einen alphabetischen
Katalog der sämtlichen Musikalien, sowohl deutsch als fran-
zösisch; für Schreibgebühr erhielt er 1 fl. 48 Kr.

1797 machte Trinkle Verzeichnisse der fehlenden Bücher
und Manuskripte der Theaterbibliothek; im März 1805 wurde
ihm die Verwaltung der Bibliothek übertragen.

Ein interessantes und wichtiges Werk von der Hand
Trinkies ist das Hauptbuch der Ma nnheimer
Schaubühne, begonnen im Jahre 1798. Die Intendanz
äußerte über diese Arbeit „das größte Wohlgefallen." In

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