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Nationaltheater Mannheim [Hrsg.]
150 Jahre National-Theater Mannheim: 1779 - 1929 — Mannheim, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.20765#0016
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Kapellmeisters schmerzbewegter Abschied

Der Kapellmeister am Mannheimer Hoftheater, Näher befreundet- war Eschborn mit den Hoftheater- durch besonderen Aufwand für Bühnendekorationen (durch

Joseph Eschborn, verließ am 3. September 1834 sängern Karl Kühn und Friedrich Dietz, dem Hof- Mühldorfer) könne die Kasse vor Verlust geschützt werden.

mit seiner Familie Mannheim. Bei dieser Gelegenheit theatermaschinisten Franz Joseph Mühldorfer und Obwohl ausgezeichnete Sänger und Sängerinnen Vorzüg-

wurde ihm ein Abschiedsgedicht gewidmet, das so dem Musikalienhändler Karl Ferdinand Hecke 1. liches leisteten, gehe die Oper ihrem Verfalle entgegen. Es

recht den rührseligen Geist der Biedermeierzeit erscheine nötig, dem Orchester eine andere Leitung zu geben.

widerspiegelt. (Die Anfangsbuchstaben der Vers- ■ . .... , . . ,- ...„ .... , .

v ° v ° Auch das Publikum beschwerte sich über Mißstande beim

zeilen ergeben den Namen des Kapellmeisters und —' *™——^»^^^

°. r Theater. Man bekäme nichts mehr zu hören als Rossini,

en Abschie sgru .) Auber und Herold; die herrlichsten deutschen Meisterwerke

Nachruf an die Familie Eschborn. würden vorenthalten. „Putzmacherinnen und andere Damen

, . . „ . , .„», werden statt mit barem Gelde für geleistete Dienste

Mannheim am 4. September 1834. °

mit Billeten abgespeist und versperren dem Publikum nicht

Euch, die trauten Freunde, jetzt verlieren, , m * t^ • i j v » t. i v. u *

' ' ' ' selten den Platz. Frisch und buntscheckig bemalte, teure

S ast, wen sollte nicht die Trennung rühren? — T . , . , ' . . ■ '■■ ~ .. . ~

& ' & Leinwand haben wir m neuerer Zeit ebenso ofl wie Zampa,

Charis stimmet uns'rer Klage bei. T-T.iiT- i-.-iot x.

ö Liebestrank, Fra Diavolo, Stumme und Consorten sehen

Harte unverdiente Neckerei .. . , ,,. , . , . ,.

müssen, worunter sich endlich einmal auch Fidelio verirrt

B oten Stoff zu vielen bittern Klagen _ nat- Die Zauberflöte sciieint aber noch auf lange Zeit, wahr-

O, dies mögen Künstler nicht ertragen. scheinlich wieder wegen neuer Malereien, uns ihre Töne vor-

R eiset darum glücklich, treu vereint. zuenthalten. Unsere wenigen Choristen, welchen der Zahn

Nehmt den Segen, der Euch nachgeweint. der Zeit bereits die Blüte ihrer Stimme geraubt hat, sollen

Bb für ihre 200—300 11. mit ihren halben Stimmen sich ganz

L ebet wohl im reinsten Seelenfrieden, zu Xode singen, und unsere Choristinnen erhalten gerade so

E ine bess're Zukunft sei beschieden viel Gage) um Scnmuck und Schuster bezahlen zu können."
B eiden Lieben, die mein Herz vermißt,

E wig Euch, Ihr Edle, nicht vergißt. Auf der einen Seite wurde der §roße Pflichteifer Esch-
borns gelobt, auf der andern Seite war er den größten An-

W ird das Schicksal wieder uns vereinen, feindungen ausgesetzt.
0 wir werden Freudenthränen weinen;

Heller strahlt uns dann der Sonne Licht, . Am 24. August 1834 trat Madame Eschborn hier

Lebet wohl, vergeßt der Freunde nicht!" *um letzten Male au[ als KÖIliSin der Nachl in der Zauber"

RICHARD WEICHERT

Oberregisseur des Schauspiels am Nationaltheater
von 1914 bis ,1919.

Am Mannheimer Hof= und Nationaltheater, das ich
schon vor der Revolution als demokratisches
nationales Kulturtheater empfand, habe ich meine
künstlerischen Lehrjahre erlebt. Voller Dank und
Erinnerung an diese fruchtbareWerdezeit, die mir als
Künstler und Mensch Entscheidendstes gab, möchte
ich in der Reihe derer nicht fehlen, die sich selbst
ehren, wenn sie zum Ehrentage dieser würdigen
Kunststätte Gruß und Erinnerung senden. Ohne
Mannheim wäre ich nicht der, der ich heute bin.
So gratuliere ich in unwandelbarer Treue

(7^

ELSE TUSCHKAU DOROTHEA MANSKI

Sängerin am Nationaltheater von 1906 bis 1922...........___________ Sängerin am Nationaltheater von 1914 bis 1919.

Das Theaterpersonal machte seinem Kapellmeister
kleine Erinnerungsgeschenke. Das Mannheimer Publikum
erhielt davon Nachricht mit folgendem

„Ausruf zum Nachruf:

Mit feuchtem Auge zeigten Herr und Madame Esch-
born ihren beim Scheiden aus ihrer Mitte tief bewegten
zahlreichen Freunden die Urkunden der Anhänglichkeit und
Liebe aller ihrer nahe gestandenen Kunstverwandlen,

1. einen mit dem Emblem der Tonkurist gezierten Ring,
zum Andenken gegeben von dem hiesigen Orchester-
personale;

2. einen solchen mit sinniger Aufschrift von den
Choristen;

3. einen schön gearbeiteten Becher von dem Sänge r-
innenchor unseres Hoftheaters.

Einstimmig ertönte der Ausruf: Wem gebührt, wohl hier
der Ehrenkranz? Den Gebern? oder den Gefeierten?"

Ein anderer Lokaldichter drückt seinen Abschieds-
schmerz in folgenden Versen aus:

„Des Schiksals Macht trennt Dich von unsrer Seite

Und leitet Dich auf einer neuen Bahn.

Dir folgt der "Wunsch zu Wohlergeh'n und Freude;

Und lächelt bald ein holdes Ziel Dich an,

Dann ist's erfüllt, was stets für Dich wir hegen, —

Dann danken wir Gott froh für seinen Segen*

Wir denken nur mit Rührung jener Stunde
Des herben Abschieds an des Rheines Strand.
Doch Hoffnung ist's, die uns in trauter Runde
Beseelt, daß einst des Weltenlenkers Hand,
Der nichts unmöglich ist, Dein Wiedersehen
Uns zuführt in erwünschtem Wohlergehen."

Der Kapellmeister Eschborn ließ in die Zeitung das
kurze Abschiedswort einrücken:

,Allen unsern Freunden ein herzliches Lebewohl."

Eschborn und Frau."

Warum wurde Eschborn verabschiedet?
Woher kamen die bittern Klagen und die „unverdiente
Neckerei?" Im Jahre 1826 (1827?) war der 29jährige Musiker
als Konzertmeister am Hoftheater angestellt worden. Seine
Gemahlin Angelica geb. Ciszewski, in Mainz gebürtig, war
eine beliebte Sängerin. Als im Jahre 1832 der Kapellmeister
Frey verstarb, trat Eschborn an seine Stelle. Er bezog
einen Gehalt von 1200 Gulden. Im folgenden Jahre liefen
beim Ministerium Klagen ein, daß der Wert und Ruf der hie-
sigen Opernvorstellungen gesunken sei. Der so sehr ver-
dienstvolle Kapellmeister sei wegen seiner angeborenen Gut-
mütigkeit zu nachgiebig. Beim Publikum herrsche große Un-
zufriedenheit wegen der Lässigkeit der Opernmitglieder. Nur

PAUL TIETSCH

Schauspieler am Nationaltheater von 1886 bis 1915.

flöte. Ihr Gemahl dirigierte am 30. August Mozarts Don
Juan. Der Theaterkritiker schrieb zu diesem letzten Auf-
treten Eschborns: „Das Orchester zeichnete sich aus durch
Reinheit und Präcision. Es wird nun nicht mehr unter
Eschborns Scepter wirken; wir sagen ihm nicht mit freu-
diger Empfindung Lebewohl."

Dem Intendanten Grafen von Luxburg, der schon
in der Anstellung des „Maschinisten" Mühldorfer eine glück-
liche Hand gezeigt hatte, war es gelungen, den in großem
Ruf stehenden, erst 30jährige.n Kapellmeister Franz
L a c h n e r in Wien für Mannheim zu gewinnen.

Am 13. Mai 1834 gab L a c h n e r in Wien im Saale des
Musikvereins sein Abschiedskonzert. Sein Freund Bauera-
f e 1 d veröffentlichte in der Wiener Theaterzeitung ein. Ab-
schiedsgedicht, das mit den Worten beginnt:

„Ein junger Künstler tritt aus uns'rer Mitte,
Der immer ernst und würdevoll sein Ziel
Verfolgt in seines eig'nen Herzens Regung,
Und klar erkennend, was er leisten konnte,
So sein Talent zur Meisterschaft gesteigert.

Er kam, ein unbekannter Jüngling, her,
Und baute, wie's dem ächten Künstler ziemt,
Im wirren Lärm der Welt sich seine Welt,
Benützend, was die große Stadt ihm darbot,
An Mustern des Gesangs, der Harmonie.

Und wie ein jeder von dem Markt des Lebens
Sich anzueignen strebt, was ihm gemäß,
So lockten unsern jungen Freund die Meister,
Die mächtig sind im Reich' der Harmonie,
Die allgewaltig mit den Massen wirken,
Gleich Donner-Rollen, Wasserfalles Brausen,
Das Heer der Töne doch zur Anmut zwingend.
Händel, Beethoven hießen seine Götter".

Im Juli 1834 reiste Lachner mit seiner Familie von Wien
ab und kam im August über Stuttgart nach Mannheim. Am
8. September dirigierte er hier zum ersten Male im Hof-
theater und zwar Beelhovens Fidelio. Ein neuer, belebender
Geist zog mit Lachner im Theater ein (siehe den Theater-
bericht über die Fidelio-Aufführung.)

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