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Nationaltheater Mannheim [Hrsg.]
150 Jahre National-Theater Mannheim: 1779 - 1929 — Mannheim, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.20765#0015
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Jede Wiederholung wird die Schönheiten der Oper im all-
gemeinen und die hiesige Darstellung insbesondere noch
, näher zu würdigen, Veranlassung geben.

Der diesmaligen Vorstellung wohnten viele Auswärtige
bei, darunter die darstellenden und leitenden Persönlichkeiten
der Bühnen in Karlsruhe, Darmstadt und Mainz. Für die
Häclisten Vorstellungen werden noch zahlreichere Gäste er-
wartet. Die um halb 6 Uhr begonnene Vorstellung war be-
reits um halb 10 Uhr zu Ende, so daß die Fremden aus der
nächsten Umgebung ganz bequem mit den letzten Zügen noch
nach Hause gelangen können.

An Fremden von Auszeichnung bemerkten wir im
Theater: Direktor Te schier von Darmstadt, Heldentenor
Mayer von Darmstadt, Kapellmeister L e v i von Karlsruhe,
Baritonist Hauser von Karlsruhe, Bassist Brouillot
von Karlsruhe, Baßbuffo K i r n e r von Karlsruhe, Bassist
C a r n o r von Mainz, Musikalienhändler Schott, Bürger*
«eister von Mainz (Verleger der Meistersinger), Musik-
direktor Föckeler von Mainz, Dr. Pohl von Baden."

Vincenz Lachner hatte im 1. und 2. Akt starke Kür-
zungen vorgenommen; der Monolog des Hans Sachs und der
Chor „Wach auf" waren gestrichen worden. Bei dem Chor
wirkten hiesige Dilettantenkräfte mit. Die Hauplpartieen
waren durch Starke (Hans Sachs), Kögel (Pogner), D i 11
(Beckmesser), Schlösser (Stolzing), Bocke (David),
K o n i n g (Eva) und Hausen (Magdalena) vertreten. Das
Haus war ungewöhnlich stark besucht.

*

„Der fliegende Holländer" wurde am 30. Ok-
tober 1870 zum ersten Male hier aufgeführt. Er mußte sich
einschneidende Verkürzungen gefallen lassen. Schlosser
sang den Holländer.

POLDI DORIN A=HOHENEMS ER

Schauspielerin am Nationaltheater von 1910 bis 1914.

Aus vergangenen Tagen

Das Jubiläum des Nationaltheaters macht besinnlich.
Ist es wahr? Flicht die Nachwelt nirgends Kränze? Manch-
mal doch. Jetzt haben die Wiener ihrem Alexander Girardi
ein Denkmal gesetzt, sogar in Berlin hat man vor ein paar
Jahren mit dem Gedanken gespielt, Erinnerungsmale an Lud-
wig Devrient und Adalbert Matkowsky vor das Haus am
Gendarmenmarkt zu stellen. Für die Mannheimer ist das Hof-
und Nationaltheater ein Paradies der Erinnerungen.

Die Wechselbeziehungen Theater und Bürgertum sind
fast auch nur noch eine Erinnerung. Die Mannheimer hüten
sie und vergessen keinen Namen, der am Schillerplatz einmal
dominierte. Man rühmt gerne, wer am Nalionaltheater ge-
wirkt hat, wer von dort zum Buhme aufstieg. Aber auch
umgekehrt gab das Mannheimer Bürgertum in allen Schat-
tierungen der deutschen Bühne starke Kräfte, Künstler von
hohem und höchstem Bang. Um nur vom Schauspiel zu
reden: Die glänzende Gestalt der früh verstorbenen Sophie
Müller, noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts, eine der Be-
rühmtheiten der frühen Zeit der Wiener Burg, Philipp
Düringer, nachher der Spielleiter der Königlichen Schau-
spiele in Berlin, Helene Schneeberger, eine der be-
rühmtesten Naiven ihrer Zeit und wie ihr Mannheimer
Landsmann Fritz Krastel allerersten Bangs in der
großen Zeit des Wiener Burg-Theaters. Wieder später Dr.
August Bussermann, der erste Held und nachmalige
Intendant. In der nächsten Generation wuchs in Mannheim
Albert B a s s e r m a n n heran.

Freilich, das sind hier nur noch ganz wenige, die wissen,
wer „die Schnceberger" war, die mit der vielleicht noch mehr
gefeierten Friederike Goßmann um den Ruhm der besten
Birch-Pfeiff er -Dar steiler welteiferte, als die „Grille" und
„Dorf und Stadt" die Repertoires noch behaupteten.

Die Schneeberger, wie der Theaterjargon nicht sehr cava-
lierement aber sehr herzlich sagt, war ein Mannheimer
Bürgersmädel und 1843 geboren. Ihr Vater war Tapezier-
meister, ein theaterbegeisterter Handwerksmeister, wie es
sie damals in zahlreichen Exemplaren in Mannheim gab.

IRENE EDEN

Sängerin am Nationaltheater von 1916 bis 1924.

Denn das Theater schaffte ja dem Leben der Stadt fast den
Inhalt. Knapp 17 Jahre war sie alt, als sie zum ersten Mal
auf der Bühne ihrer Vaterstadt stand. Ihr Lehrmeister ist
Hofschauspieler Adolf Bauer gewesen, ein Mann, der zum
Inventar des Theaters gehörte. Er spielte ausgangs der 90er
Jahre noch den Vater Moor und starb 1898. Aber seine Er-
scheinung im Straßenbild ist unvergeßlich. Er trug immer
einen Zylinder, unter dem die grauen langen Haare auf die
Schultern herabfielen.

• Der Weg Helene Schneebergers führte 1864 nach Ham-
burg, wo sie bis 1867 die gefeierte Naive des Thaliatheaters
war, dann holte sie Heinrich Laube an das Hofburgtheater in
Wien. Und Wien, das theaterbegeisterte Wien, wurde der
Künstlerin, die aus dem theaterbegeisterten Mannheim kam,
wurde ihre künstlerische Heimat. 1868 vermählte sie sich
mit einem der besten Künstler der Burg, dem Schauspieler
Ernst Hartmann. Am 12. März 1899 starb sie, 56 Jahre
alt.

Paul Schlehnter, der Burgtheaterdirektor und Adolf von
Sonnenthal, der königliche Schauspieler seiner Zeit haben an
ihrem Grab die Abschiedsworte gesprochen. Der berühmte
Literarhistoriker der Wiener Universität, Jakob Minor, um-
schrieb ihre Künstlerpersönlichkeit, die Jubel und Beifall der
Wiener in herzlicher Verehrung so oft umbraust hatte. Wenn
es auf der Bühne unsterbliche Leistungen gibt, war eine von
ihnen nach Minors Urteil Helene Harlmann-Schneebergers
Franziska in der „Minna von Barnhelm". In dieser Rolle
ist sie auch in die Bildergalerie des Burgtheaters aufge-
nommen worden. Sie hat diese Rolle mit einem hervor-
ragenden Partner, mit Bernhard Baumeister als
Werner gespielt. Minor, vor dessen kritischen Augen die
Haizinger, die Baudius, die Bognar, die Wolter, die Hohenfels,
Gabillon und Sonnienthal, Levinsky und Baumeister bestehen
mußten, spricht von dem einzigen Ton, mit dem Helene
Schneeberger ohne Ueberlegung aus vollem Herzen die Worte
hinausstieß: „Herr Wachtmeister, braucht er keine Wachl-
meisterin!" Die Glanzrollen der Schneeberger sind in ihrer
Mehrzahl vergessen, denn wer weiß heute noch etwas von
Roderich Benedix und Charlotte Birsch-Pfeiffer, vom „Vetter",
der „Grille" und dem Lorle aus „Dorf und Stadt". Sie spielte
Moliere und alle die Backfische in den längst vergessenen
Gesellschaftsstücken von Paul Lindau und vielen anderen.

Obwohl sie lange frisch und ihr Herz jung blieb, spielte
sie sich ins mittlere Fach ein — denn damals herrschte ja
noch, das Fach — die Adelheid in den „Journalisten"" war
wieder eine Leistung ersten Ranges. Und schließlich wurde
die' nächste Station das Fach der Haizinger, wo ihr Luise
Schönfeld,den Platz mehr offen hielt als streitig mächte. Aber
Helene Ilartmann-Schneeberger schien müde geworden und
nur das Pflichtgefühl hielt die große Schauspielerin zunächst
bei der Sache. Aber sie lebte sich ein. Aus dem Lorle
wurde das Bärbele und wieder fand sie sich mit dem mit ihr
in's ältere Fach gewanderten Baumeister zusammen zu einem
Paare, das in der deutschen Theaterwclt so wenig seines
gleichen hatte, wie ehedem die Haizinger und La Roche.
Auch als eine neue Zeit über die deutschen Bühnen kam, hat
die Hartmann=Schneeberger noch ein paar mal den Stücken
dieser Zeit mit Erfolg verhelfen: als Frau Vockeradt, wieder
zusammen mit Baumeister, in den „Einsamen Menschen" und
vor allem in Sudermann „Schmelterlingsschlacht", Und am
Ende hat sie die lebensprühende Naive von einst, müde und
entsagende Seelen meisterlich verkörpert.

Helene Hartmann-Schneeberger, die Mannheimerin, war
eine von jenen Künstlern, auf denen der Ruhm des alten Wiener
Burgtheaters ruhte. Entwachsen war sie dem theater-
begeisterten Mannheimer Bürgertum. F. Wk.

Paganini im Nationaltheatcr

Unterm 7. September 1829 ließ Michael Frey,
Musikdirektor vom Hof - und Nationaltheater, fol-
gende Kanzert-Ankündi/gung veröffentlichen:

„Es freut mich, die Ehre haben zu können, die Kunst-
freunde hiesiger Stadt zu benachrichtigen, daß Herr Ritter
Niccolo Paganini, Kammermusiker Sr. Maj. des Kaisers
von Oesterreich, und erster Konzertmeister Sr. Maj. des
Königs von Preußen, in kurzem dahier ein Konzert geben
wird.

Herr Graf L u x b u r g, Intendant unseres Großherzog-
lichen Hoftheaters, stets bemüht, zum allgemeinen Vergnügen
und zur Beförderung der Kunst alles Mögliche beizutragen,
hat Herrn Paganini persönlich dazu eingeladen und die an-
genehme Zusicherung der Erfüllung dieses Wunsches von
ihm erhalten.

Ich habe nebst mehreren achtungswürdigen hiesigen
Künstlern das Glück gehabt, Paganini's großes Talent zu
bewundern und mich überzeugt, daß jede Erwartung, sey sie
auch durch die vielen Kunstberichte über ihn noch so hoch
gespannt, weit übertroffen wird, wenn man ihn wirklich
hört. Der großartige und eigenthümliche Vortrag seiner
herrlichen Kunstproduktionen läßt sich mit dem der größten
Violinspieler unsrer Zeit durchaus nicht vergleichen, er
glänzt in diesem Fache als Stern erster Größe am Himmel
der Kunst."

Niccolo Paganini, der größte Violinvirtuose aller
Zeiten, versetzte schon in jungen Jahren Italien in Ekstase.
Im Jahre 1828 unternahm er Konzertreisen, die ihn über
Wien, Deutschland (Berlin, München, Frankfurt, Mannheim
u. a. Orte) und England nach Paris führten.

Er setzte alle Welt in Begeisterung durch seine unerhörte
Fertigkeit in Doppelgriffen, im Staccato und Flageolettspiel,
im Pizzicato mit der linken Hand, durch die geniale Auf-
fassung und die wunderbar ergreifenden Töne, die er
hervorzauberte.

Das Leben dieses dämonischen Künstlers wurde mit den
abenteuerlichsten Legenden ausgeschmückt.

Sein Beisegefährte und Geschäftsführer in Deutschland
war der Kgl. Preußische Premierlieutenant a. D. C o u r i o 1.

LORE BUSCH

Schauspielerin am Nationaltheater von 1913 bis 1922.

Einige Zeit nach der Ankündigung des Musikdirektors
Frey ließ die Mannheimer Hoftheaterintendanz folgende
Konzertanzeige veröffentlichen:

„Samstag den 19. September 1829 wird von Herrn Ritter
Niccolo Paganini, Kammermusikus Sr. Majestät des Kai-
sers von Oesterreich, und erstem Koncertmeister Sr. Majestät
des Königs von Preußen, ein großes Vokal- und Instrumental-
Koncert im Theatersaal dahier gegeben werden."

Am 26. September gab Paganini ein zweites Könzert in
Mannheim. Leider finden sich keine Berichte, welchen Ein-
druck der „Meister der Meister" mit seinen Zaubertönen auf
'die Mannheimer Bevölkerung machte. Aus Zeitungsinseraten
jener Tage kann man schon einige Schlüsse ziehen.

Der Musikalienhändler Karl Ferdinand Heckel brachte
folgende Verlagsanzeige:

„Paganinis Glöckchenwalzer für das Pianoforte 15 kr.
Paganinis Wunderwerk, Duett für e. Violine 8 kr.
Paganinis Portrait 24 kr."

„Der Glöckchenwalzer" scheint die Mannheimer beson-
ders begeistert zu haben; er findet sich auch im Programm
der „musikalischen Abendunterhaltung", das die Gebrüder
Meyer acht Tage nach dem zweiten Konzert Paganinis bei
Kaffeetier Glänzer veranstalteten.

Musikdirektor Michael Frey war in Ladenburg als
Sohn des Schulrektors Franz Xaver Frey geboren. Im
Jahre 1804 trat er als Mitglied in das Hoftheaterorchester ein.
1813 wurde er zum Konzertmeister ernannt. Im November
1818 vermählte er sich mit Christina Weller, einer Tochter
des Hofgerichtssekretärs Heinrich Weller und dessen Frau
Johanna geb. Lamey. Der Hofmusikus Peter Nicola und der
Handelsmann Casimir Kast waren Trauzeugen.

Nachdem der ausgezeichnete Kapellmeister Peter
Bitter am 1. September 1823 pensioniert worden war, trat
Michael Frey an seine Stelle. Er war ein feinfühliger, für
seine Kunst begeisterter Musiker, ein unverdrossen fleißiger
und gewissenhafter Dirigent. Er starb am 10. August 1832
im Alter von 48 Jahren. Joseph Eschborn wurde sein
Nachfolger.

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