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Nationaltheater Mannheim [Hrsg.]
150 Jahre National-Theater Mannheim: 1779 - 1929 — Mannheim, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.20765#0018
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Vincenz Lachner als Kapellmeister in Mannheim

Einen lehrreichen Einblick in die Mannheimer Theater- nicht täglich spielte, andererseits Wagner noch heftig um- Von weitreichendem Einfluß am Mannheimer Hoftheater war
Verhältnisse, vor nahezu 100 Jahren verschafft uns eine Ein- stritten war. Es ist interessant, zu verfolgen, wie langsam das Theaterkomitee, an dessen Spitze der Chef der Musika-
gabe an die „Intendance", wie sich damals die oberste Instanz Wagner unter Lachners Amtsführung am Mannheimer Theater lienhandlung, K. Ferd. Meckel, Herr Emil Heckel stand,
des Theaters zu schreiben beliebte, aus dem Jahre 1834. In Fuß faßte. der sich auch als Gründer des Mannheimer Rieh. Wagner-
beweglichen Tönen wird darüber Klage geführt, daß durch Ein besonders heftiger Kampf tobte um die „Meister- Vereines und Verwaltungsrat der Bayreulher Bühnenfest-
die allzu große Gutmütigkeit des sonst vortrefflichen Kon- singer" und es ist, namentlich um Lachners künstlerische spiele um die Wagnersache große Verdienste erworben hat.
zerlmeisters Eschborn gegenüber den Sängern die Vorstel- Gesinnung kennen zu lernen, besonders lehrreich, die Vor- Neben ihm amtierte ein Herr Rümpel. Nach der Urauffüh-
lungen bedenklich gefährdet würden und ein Rückschlag auf geschichte der Mannheimer Erstaufführung zu verfolgen. rung der „Meistersinger" in München unter Bülows Leitung
das zahlende Publikum nicht ausgeschlossen sei. Diesen und der Erstaufführung in Dresden unter Julius Rietz be-
zwingenden Gründen konnte, sich die Intendanz umso weniger eilten sich die Theater in Dessau, Darmstadt und Karlsruhe,
verschließen, als das Theater zu damaliger Zeit noch ganz das Aufführungsrecht zu erwerben. Auf Meckels Betreiben
anders als heute im Brennpunkt des allgemeinen Interesses wurde an Wagner geschrieben, den man in Luzern vermutete,
stand, ja wie aus zeitgenössischen Schilderungen hervorgeht, Im Auftrag Wagners antwortete der Verlag Schotts Söhne
in Gesellschaft, am Biertisch, kurz bei jedem Anlaß den und erklärte sich bereit, die Partitur inclusive Aufführungs-
wichtigsten Gesprächsstoff bildete. Franz Lachner, der kaum recht zum Preis von 420 Gulden zu überlassen. Es folgten noch
23jährig als Vicekapellmeister und wenige Jahre später als -.^ einige Verhandlungen über Kürzungen, mit denen sich Wag-
erster Kapellmeister am Kärtnertortheater in Wien wirkte, JgU,. , ner wohl oder übel abfinden mußte, weil er vor der Wahl
das für Wien dieselbe Bedeutung hatte wie später die Hof- stand, seine Werke entweder gekürzt oder überhaupt nicht
oper, erschien als der geeignete Mann, um eine drohende MT j^^A aufgeführt zu sehen. (Rietz in Dresden hatte beispielsweise
Krise abzuwenden. Lachner zeigte sich bereit, dem Rufe . W*L^ W die ganze erste Scene des 3. Aufzuges gestrichen, den 3. Akt
nach Mannheim zu folgen, forderte aber lebenslängliche An- JffiSI Sleich mit der Scene Sachs-Walter Stolzing beginnen lassen).
Stellung und ein Jahresgehalt, das eine beträchtliche Budget- .*äMBBkS£W Die Verhandlungen nahmen einen guten Fortgang bis ein
Erhöhung erforderte. Erfreulicherweise zeigte die Intendanz ^BHHHn&, unerwartetes, aber desto stärkeres Hemmnis eintrat. Man
einen seltenen Weitblick, indem sie die Verhandlungen mit hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht, die Präliminarien
den maßgebenden Faktoren, vor allem mit dem großherzog- ohne Lacliner geführt. In dieser geharnischten, vier
liehen Ministerium so geschickt führte, auch das Budget so Folioseiten füllenden Eingabe machte Lachner dem groß-
zu balancieren verstand, daß Lachners Forderungen bewilligt herzoglichen Hoftheater-Comite seinen Standpunkt klar. Aus
wurden und der energische Dirigent an das Theater gefesselt dieser Eingabe spricht zwar der gewissenhafte, um das Wohl
werden konnte. Einen kurzen Aufenthalt in München be- t und Wehe des Instituts besorgte Fachmann, aber ebenso sehr
nützte Lachner zur Auffuhrung einer seiner Symphonien, der selbstherrliche Autokrat Vincenz Ladiner, der keine an-
die solchen Erfolg errang, daß man sich auch in München um l| deren Götter neben sich duidete. Das Schreiben, das erst vor
ihn bemühte. wenigen Jahren aus dem Archiv des Mannheimer Theaters

Lachner war aber bereits kontraktlich gebunden und ans Licht gezogen und durch einen verdienstvollen, jetzt in

reiste nach Mannheim weiter, wo er als erste Oper Berlin wirkenden Musikforscher ans Tageslicht gezogen

„F i d e 1 i o" dirigierte. Man hatte sich in Lachner nicht wurde, motiviert Lachners Widerstand gegen, eine Auffüh-

getäuscht, Publikum und Presse waren des Lobes voll und rung der Meistersinger in Mannheim, mit der geringen Zahl

man freute sich des neuen Geistes, der mit dem tatkräftigen V| i^B^ der vorhandenen Solisten (3 Tenoristen) statt der von Wag-

Musiker, der auch Beethovens Achtung errungen hatte, ein- ner geforderten 6, 4 Bassisten statt der erforderlichen 9, die

gezogen war. ^^B^^ Unmöglichkeit diese „extravagante Zahl von Solisten" durch

Doch sollte die Freude nicht von langer Dauer sein. Zusammenlegung zu vermindern, Hinweis auf die Schwierig-
Die trostlosen Musikverhältnisse in München bedurften JOSEPH MÜHLDORFER ^eit der Chöre und Ensembles, Notwendigkeit, die Partie
dringend einer Abhilfe und man entsann sich Lachners, der , , . , , • des Beckmesser mit Rücksicht auf den Stimmumfang des in
seinerzeit ein gutes Andenken hinterlassen hatte. Lachner der berühmte, von Rrchard Wagner besonders hoch- Aussicht genommenen Sängers zu punktieren (!) etc. Aus-
erhielt ein ungemein vorteilhaftes Angebot, lebenslängliche geschätzte Theatermaler des Mannheimer Nationaltheaters, lassungen ganzer Scenen nach dem Muster von Rietz lehnt
Anstellung und eine Gage, wie sie Mannheim nicht bieten geboren 1800 in Meersburg, in Mannheim seit 1832, Lachner mit Rücksicht auf den organischen Bau des Werkes
konnte. Alle Opfer, die man Lachner zuliebe gebracht hatte, gestorben 1863. Nach seinen Plänen wurde 1855 das ab. Lachners Selbstgefühl als Künstler spricht deutlich ge-
schienen umsonst, das Theater stand wieder vor einer Theater umgebaut. Eine Vorstellung der „Zauberflöte" nug aus folgenden Sätzen, die es verdienen, wörtlich ange-
Dirigentenkrise. In dieser Not fand Lachner einen Ausweg, eröffnete das umgebaute Haus. führt zu werden. „Ich bin nicht allein der Theaterver-
indem er seinen jüngeren Bruder Vincenz, als Ersatzmann waltung verantwortlich für die Ausübung meines Berufes,
vorschlug. Notgedrungen ging man auf Lachners Vorschlag sondern stehe auch unter dem Urteil der Kunstwelt und habe
ein. Man hatte sich aber gut einen Ruf zu wahren. Eine schon den
beraten lassen. Der junge im m«»»!—^.^^ ■»!—miwim«—im——www materiellen Kräften nach unmögliche
Alter von 25 Jahren stehende oder doch höchst verkümmerte Auf-
Musiker trat am 26. Juni 1836 < führung wird zunächst mir zur Last
sein Amt an und erregte mit gelegt."

seiner ersten Direktionsleistung ^as Theaterkomite ließ sich aber
berechtigtes Aufsehen. Die Hoff- ?#| durch Lachners Einwände nicht irre
nungen, die man an Vincenz machen und bestand auf der Auf-
knüpfte, erfüllten sich in voll- cäiäML führung, wenn auch in gekürzter
stem Maße, man hatte nun einen Form. Trotz aller Kürzungen er-
tüchtigen Musiker, der seinem In- // \ lebten die Meistersinger bei der
stitut volle 36 Jahre treu blieb. Das Mannheimer Aufführung einen nach-
Repertoire, das Vincenz Lachner / ' \ Mw haltigen Erfolg, der das Theater-
bildete, setzte sich zusammen aus j1iTIMM^MM»rtiii'lllLi«lI comite bewog, sich bei Wagner auch
Werken der damals erfolgreichen /,- '/" \ ^^gSjjjjJpMj um das Aufführungsrecht des „Flie-
Komponisten. Donizetti stand noch _ ;~—r\ v . ^^^^^^^^^^^^jj^RHHgS^J^^^^ genden Holländer" und „Rienzi" zu
in der Vollkraft seines Schaffens, . ■nfSf'r"f"' ""tjjjjF' j.-'S ' .' ' ' jg> ''"''^^^^^^^^WKS^Sl^^^W^M bewerben.

Verdi begann sich durchzusetzen. j .-''"^bdS^V^iC-f^' 'W "' ' ****Ä<^-5T * & 5 ' 't%F$SE WF&tm Nach 30jähriger Tätigkeit war

Vor allem fand Lortzing in Lach- i/ _> .- 7 * \ \VA ... J 1 ... ^s-fo ", •..;, -M. < • 4J1 Lachner amtsmüde geworden und

ner einen tatkräftigen Vorkämpfer ■mS^^^'-"^-^' J •'• ■" l li»r iftSBg^^^^Jfc-"- , • suchte um Pensionierung an. Am

und in Mannheim eine Pflegestätte, 30. November 1873 legte Lachner

die alle seine Werke dankbar auf- Wl^^^^^^^^^^^^^l M^tf^^^m"at^fflrMB»-f» <t ' ' sein Amt in Mannheim nieder und

nahm. ( ' ';'!l I I^^H'ISMRsS' I Irf 4i jqlMKnJ' <rcsaHHM3 widmete sich der Lehrtätigkeit in

Wollen wir Lachner gegenüber \Jpjl I«BHK|IWßHUpr '•^-DP^^sjjf^fe-^ • '■>■• iTifriffif"*"--- ' hHH| Karlsruhe, wo er 1893 die Augen für

gerecht sein, so dürfen wir ihm aus IPM™B*Mgl|^ ":.....~G^jL?^^ 'I^jBI^^BBBIBBB immer schloß. Mochte auch seine

seiner konservativen Einstellung jjMBBMgilWBPP**y-^gSagfe**^ t|jtlPBii=.i_IILJ____'«IX-*-_-_-~-~WUUtttBmääi künstlerische Gesinnung nicht immer

heraus keinen Vorwurf machen, ^^BBPBEwM^^BMB^^'^' ' den Strömungen seiner Zeit ent-

wenn er sich Wagners Wer- M^^SS^M-' . ■■ sprechen, so besaß das Mannheimer

ken gegenüber mehr als zurück- Theater an ihm einen musikalischen

haltend erwies. Wenn die Reper- - --' - ''''"*" •^TifflHlii '• Tr; Führer von unbeugsamer Willen s-

toirebildung nicht entfernt die " ' "'*-—^-^--»'-->«-^.„„,. kraft und Achtung gebietenden
Reichhaltigkeit eines heutigen Spiel- 'Mafflllllll^

planes aufwies, so ist einerseits zu schwierigem Posten 36 Jahre lang

bedenken, daß man im alten Hause Mühldorfers Dekoration zur „Zauberflöte": Tempelstraße in Sarastros Reich ausgehalten hat. Dr. Otto Chmel

Der Dekorationsmaler Joseph Mühldorfer

Wir entnehmen den nachfolgenden, gekürzten Ab- Joseph Mühldorfer stammte aus dem badischen Meers- heim gegangen, um auch hier vom Juni bis September 1832
schnitt dem zum Jubiläum verfaßten Buch von bürg am Bodensee, wo er am 10. April 1800 geboren ist, die gänzlich veraltete Maschinerie wieder instandzusetzen,
Ernst Leopold Stahl „Das Mannheimer verbrachte aber seine ganze Schulzeit in München. Seine und hatte seinem jüngeren Bruder Wilhelm Mühldorfer, der
Nationalthefater Ein Jahrhundert Neigung zum Theatermaler und -maschinisten offenbarte seit 1829 als Schauspieler in Aachen war—dem nachmaligen
tc^hp ThPotÄ l- it "/1 -v, 9ft hi sicn schon ganz früh im kindlichen Spiel; schon der kleine langjährigen Mannheimer Inspektor und Darsteller — ver-
beut sen er i neaxerKuiiur , aas "ner zu ms- ßub hammerte und malte sich Kulissen zurecht. Als Zwölf- tretungsweise sein Amt überlassen, da dieser als „geschäfts-
her unveröffentlichter Szenenbilder Mühldorfers ent- jahriger wurde er Sopranist im Frauenchor des Isartor- kundig und zugleich routiniert" erwiesen sei.
hält- theaters, bis nach dem Mutieren diese Herrlichkeit zu Ende In Aachen hatte sich Mühldorfer mit „Robert der Teufel"
* ging, während deren er sich auch in den Ateliers von glanzvoll verabschiedet, in Mannheim mit „Oberon" —
Die andere der außer Vincenz Lachner noch unter Lux- Quaglio und Holzel herumgetrieben hatte. Aus dem Scherz dessen Ausstattung jahrzehntelang Einheimische wie Fremde
bürg gleichfalls auf Lebensdauer gewonnenen Persönlich- wurde allmählich Ernst, als er lßjährig das Münchner ins Theater zog — ebenso sensationell eingeführt. Es
keiten von Rang war Joseph Mühldorf er, der hervor- Sommertheater in der Isarvorstadt einrichten und bereits folgten dann nacheinander alle die um die Mitte des 19. Jahr-
ragendste Dekorationsmaler seiner Zeit, der, als einer der 1818/19 schon die, Bühne des Markgräflichen Opernhauses in hunderts in der ganzen Welt des Theaters nahezu einzig-
letzten seines Berufes, der alten Gepflogenheit getreu, gleich- Bayreuth umbauen durfte. Dann begegnet man ihm als artigen malerisch-technischen Bühnenwunder. Sie erscheinen
zeitig noch ein ebenso kundiger Maschinen- und sogar Bau- Maschinist und Dekorateur in Würzburg, Bamberg und uns als die ideale Verbindung einer bis dahin für unmöglich
meister des Theaters war, wie dereinst es die Galli Bibienas Nürnberg, wo er in anderthalb Jahren eine neue Bühnen- gehaltenen maschinellen Beherrschung der Szene mit aus-
gewesen. Denn der zum 1. Juni 1832 schon als weitbekannter einrichtung schuf und den größten Teil der Dekorationen und gezeichnetem zeichnerischen Können, einem starken und vor-
Maler hierher berufene und am 8. März 1863 in den Sielen Versatzstücke neu malte. Von da aus wurde er nach Aachen nehmen Farbensinn, einem für ihre Zeit ungewöhnlich ent-
verstorbene Mühldorfer baute 1854 nicht nur die Bühne, son- berufen, wo er von 1826—32 den Grundstein seines Welt- wickelten Raumgefühl und einer Perspektivkunst, die in
dem das ganze Theater mit einem Kostenaufwand von rufes als „Begründer der neuzeitlichen Theatermaschinerie" ihren besten Leistungen an die Kunstwerke aus den Ateliers
294,282 Gulden radikal um und wieder neu auf (sogar um legte. der Galli Bibienas erinnerte und ihn als den letzten, ganz
einen Rang erhöht) — mit derartiger Ein- und Vorsicht, daß Noch während seines bis 1834 währenden Aachener Ver- großen Repräsentanten dieser speziellen Begabung erscheinen
erst im Jahre 1901 ein weiterer Umbau unter der Leitung trags, am 26. April 1832, erhielt er das Angebot einer lebens- läßt. Nicht ganz gleich entwickelt war Mühldorfers male-
von Direktor Lautenschläger aus München erforderlich länglichen Verpflichtung nach Mannheim mit 1200 Gulden rische Phantasie, seine Fähigkeit zu origneller Motivwahl,
wurde. Seine Hauptaufgabe aber sah Mühldorfer in seinen nach Ableistung eines Probejahres. Trotz der ungemeinen Hier finden wir ihn gelegentlich von stärkeren Vorbildern ab-
Ausstattungen, von denen „Oberon", „Zauberflöte" und Bemühungen des Aachener Oberbürgermeisters Emundts, der hängig, von den Meistern des 18. Jahrhunderts oder von
manche Meyerbeer-Oper bis nach Paris und London hinüber sogar eine eigene Stadtratssitzung einberief und dessen Mit- Schinkel, dem genialen Architekten und Schöpfer des monu-
als Wunder der Dekorationskunst galten und in Mannheim glieder zur Bereitwilligkeit eines 12-, ja selbst 18jährigen mental-idealistischen Bühnenbilds, den wir als den ersten
v/eit über die eigene Lebenszeit hinaus „mitgespielt" haben; Vertrages und zur Erhöhung der Gage bis auf 900 oder sogar modernen Szeniker bezeichnen dürfen, indem er den Ueber-
sogar 1928 wurde noch eine Mühldorfer-pront im „Evangeli- 1000 Taler bewegte, war Mühldorfer nicht zu halten. Zu- gang von der äußeren Dekoration im Sinne einer Verzierung,
mann" verwendet. nächst war er allerdings nur vorübergehend nach Mann- — eines schönen und reichen Schmuckes — zur inneren

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