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Menger, Carl
Untersuchungen über die Methode der Socialwissenschaften, und der Politischen Oekonomie insbesondere — Leipzig: Verlag von Duncker & Humblot, 1883

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https://doi.org/10.11588/diglit.69470#0305

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Anhang VII. 269
Form eine Hand nennt. . . . Wenn also der Mensch ohne die
bürgerliche Gesellschaft nicht bestehen kann und, getrennt von ihr,
sich selbst nicht genügt, so verhält er sich zur Gesellschaft nicht
anders, als jeder Theil sich zu seinem Ganzen verhält. Das Ganze
aber ist das selbständige und ursprüngliche, der Theil das bedingte
und abgeleitete. Also ist auch der Staat das erstere, das einzelne
Individuum das letztere.“
Der vielfach missverstandene Sinn der obigen, zum Theil
scheinbar widerspruchsvollen Aristotelischen Darstellung von dem
Wesen und Ursprung des Staates ist demnach folgender: Der Staat
ist ein Wesen, in welchem jeder Theil durch das Ganze bedingt
ist. Der (Cultur-)Mensch ist ohne Staat nicht denkbar. Der
Staat ist demnach in Rücksicht auf den Culturmensehen das
ursprünglichere, der Cultur-Mensch das spätere, das bedingte. Dass
auch der uncivilisirte Mensch ohne Staat nicht gedacht werden
könne und die Erscheinung des Staates demnach eben so alt, als
jene des Menschen überhaupt sei, behauptet jedoch Aristoteles
keineswegs. Er sagt im Gegentheile (Pol. 1,1 gegen den Schluss):
„Bei den Cyklopen, wie Homer sie beschreibt, wohnten die Fa-
milien von einander abgesondert. Diese Lebensart war die
allgemeine der Menschen in den altern Zeiten“—und
stellt sogar, wie wir oben sahen, in ausführlicher Weise den Pro-
cess dar, durch welchen die Staaten aus Familien (deren essentiellen
Unterschied von Staaten er ausdrücklich betont: Pol. 1,1 im An-
fänge) entstanden sind. Zum Ueberflusse erklärt er (Nie. Eth.
V 14) ganz ausdrücklich, dass der Mensch von Natur aus noch
mehr zur Geschlechtsverbindung, als zur staatlichen Vereinigung
geschaffen sei, da die Familie älter und nothwendiger
als der Staat sei.
Aristoteles anerkennt sogar die Möglichkeit, dass der Gült Ur-
mensch „durch zufällige Umstände ausserhalb der bürgerlichen Ge-
sellschaft“ lebe (Polit. 1,2). Nur von solchen Menschen, welche
„vermöge ihrer Natur“ ausserhalb der Gesellschaft leben, in
welchen also der natürliche Trieb zur Vergeselligung nicht liege,
sagt er in echt griechischem Geiste, dass sie entweder mehr oder
weniger als Menschen sein müssten. Dem uncivilisirten Menschen,
welcher diesen Trieb hat, aber bis zur Staatenbildung noch nicht
gelangt ist, spricht er keineswegs die Existenzmöglichkeit ab. Das
viel berufene Aristotelische av&QcoTroc fyoov noXtvixov bedeutet dem-
nach nicht, dass der Mensch stets im Staate gelebt habe und dieser
 
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