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Hehl, Ernst-Dieter [Bearb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Das Papsttum in der Welt des 12. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 6: Stuttgart, 2002

DOI Artikel:
Herbers, Klaus: Das Papsttum und die iberische Halbinsel im 12. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.34720#0031

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KLAUS HERBERS

Das Papsttum und die Iberische Halbinsel
im 12. Jahrhundert

I. Einleitung
Reliquien von Spanien nach Rom zu bringen, bedeutete dies nicht, Eulen nach
Athen zu tragen? 1099 soll eine Delegaüon aus Toledo nach Rom gekommen sein,
darunter wohl der Toledaner Erzbischof, um dem noch amtierenden Papst Urban II.
solche Schätze zu überreichen. Die Gesandtschaft wird schnell vorgelassen, nach-
dem sie gesagt hat, welche wertvollen Reliquien sie mit sich führt: Hiermit dürfe je-
der eintreten, so der Türhüter. Urban II., avidissimus, fragt, welche Teile der Heiligen
die spanische Gesandtschaft mitgebracht habe. Und in der Tat, die Spanier präsen-
tieren schönste Teile aus den Lenden und der Seite des Heiligen, die der römische
Pontifex in feierlicher Liturgie in den Schatzkasten der hl. Cupiditas legt und beim
Altar der heiligen Aviditas, nicht weit von der Kirche der heiligen Avaritia entfernt,
an den Kalenden des Mai ehrwürdig eigenhändig beisetzt.
Der Leser ahnt, um welche Reliquien es sich handelt: Gemeint sind diejenigen
der hll. Albinus und Rufinus, Namen, die auch mit Silber- und Goldstück, übersetzt
werden können. Die vielleicht in Toledo verfaßte Satire1 lebt von dieser und anderen
Doppeldeutigkeiten, von Verdrehungen der Bibel, der Umdeutung liturgischer For-
meln und von anderen Mitteln der Parodie2. Mit diesen wirkmächtigen Heiligen ha-
be der Papst sogar hartnäckige Leute wie den Gegenpapst Wibert, den aufsässigen
1 Tractatus Garsia, The Translation of the Relics of SS Gold and Silver, ed. Rodney M. Thomson
(Textus minores 46), Leiden 1973, hier S. 14-30, der nach zwei römischen Handschriften und
zwei aus Cambridge ediert. Ob der Name Garsia nur auf einen Toledaner Kleriker verweist, ist
zweifelhaft, vgl. kurz hierzu Thomson, S. 5. Peter Linehan, The Spanish church and the pa-
pacy in the thirteenth Century (Cambridge studies in medieval life and thought 3), Cambridge
1971, S. 251. Vgl. zur Quelle M[anuel] C. Diaz y Diaz, Index Scriptorum Latinorum Medii Aevi
Hispanorum. Pars prior (Filosofia y letras 13, num 1), Salamanca 1958, Nr. 829: »scriptor certe
hispanus«; D. Manuel C. Diaz y Diaz teilte mir in einem Gespräch 1999 seine eher skeptische
Einschätzung bezüglich einer Abfassung des Traktates in Toledo mit. - Zur Pontifikatszeit des
Bernhard von Toledo vgl. Juan Francisco Rivera Recio, La Iglesia de Toledo en el siglo XII
(1086-1208), Rom 1966 und mit neuerer Literatur Armin Kohnle, Abt Hugo von Cluny:
1049-1109 (Beihefte der Francia 32), Sigmaringen 1993, S. 223-233. - Der nachfolgende Text ori-
entiert sich an dem in Mainz und verändert in Münster gehaltenen Vortrag, der nur an wenigen
Beispielen einige Tendenzen der Zeit zu verdeutlichen suchte; für Anregungen bzw. Hilfe dan-
ke ich den jeweiligen Diskussionsteilnehmem, Dr. Nikolas Jaspert und den Hilfskräften des Er-
langer Lehrstuhles.
2 Deshalb macht jede Übersetzung viele Aspekte dieser Komik und Parodie zunichte; vgl. allge-
mein Paul Lehmann, Die Parodie im Mittelalter: mit 24 ausgewählten parodistischen Texten, 2.
neu bearb. und erg. Aufl. Stuttgart 1963, S. 26-30, hier S. 29 mit Kommentar zu Übersetzungen
und Paraphrasen.
 
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