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Hehl, Ernst-Dieter [Bearb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Das Papsttum in der Welt des 12. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 6: Stuttgart, 2002

DOI Artikel:
Seibert, Hubertus: Autorität und Funktion. Das Papsttum und die neuen religiösen Bewegungen in Mönch- und Kanonikertum
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https://doi.org/10.11588/diglit.34720#0215

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HUBERTUS SEIBERT

Autorität und Funktion
Das Papsttum und die neuen religiösen Bewegungen
in Mönch- und Kanonikertum
Im Jahre 1124 erlebte der noch junge Zisterzienserorden eine erste Existenzkrise1.
Abt Arnold von Morimond und mehrere seiner Mönche verließen unter Bruch ihres
Gelübdes der stabilitas loci ihr Kloster, um ins Heilige Land zu ziehen. Da große Ge-
fahr für die Disziplin (religio) des gesamten Ordens drohte2, wandten sich die Mön-
che von Clairvaux - stellvertretend für alle Zisterzienser - voller Sorge an Papst
Calixt II.: »Da wir voll Freude sind, daß Ihr die Stelle dessen innehabt, der sein tägli-
ches Anliegen die Sorge um alle Kirchen nannte, fürchtet unsere kleine Schar bei
dem Ohr Eurer väterlichen Liebe - mag es auch von größeren Anliegen bedrängt
werden - keine Zurückweisung, da große Not uns treibt«3. Ehr Brief an ihren Schutz-
herm verfolgte ein ganz bestimmtes Ziel. Die Mönche appellierten an die päpstliche
Autorität, um diese an ihre von Gott verliehene Funktion zu erinnern: den Schutz
der Kirchen und ihre Bewahrung vor jeglicher Gefahr.
Betrachten wir ein zweites Beispiel. Im November 1131 und Februar 1132 dank-
te Papst Innozenz II. Norbert von Xanten und Bernhard von Clairvaux in zwei in ih-
rer Arenga nahezu gleichlautenden Schreiben für ihre großen Verdienste um die
Verteidigung der römischen Kirche im Schisma. Darin rühmte Innozenz jeden von
ihnen, er habe sich »wie eine unüberwindliche Schutzmauer (Ez. 13,5) vor das Haus
Gottes gestellt und die Herzen der Könige und Fürsten wie aller anderen durch
zahlreiche und vernunftbegründete Argumente zur Einheit der katholischen Kirche
und zum Gehorsam gegen den heiligen Petrus und gegen uns zurückgeführt«4. Der
1 Die essayistische Form des Vortrages blieb weitgehend unverändert.
2 Bernhard von Clairvaux. Sämtliche Werke lateinisch/deutsch, hg. von Gerhard B. Winkler,
Bd. III, Innsbruck 1992, Nr. 359, S. 304, Z. 10f.: Causa autem haec non nostra tantum, sed totius Ordi-
nis nostri ...; zum Verlauf des Konflikts und zur Intervention Bernhards Sabine Teubner-
Schoebel, Bernhard von Clairvaux als Vermittler an der Kurie. Eine Auswertung seiner Brief-
sammlung (Studien und Dokumente zur Gallia Pontificia 3), Bonn 1993, S. 33-41.
3 Bernhard von Clairvaux (wie Anm. 2), Nr. 359, S. 304, Z. 6-9.
4 JL 7516 (1131, Nov./Dez.) für die Magdeburger Kirche, ed. Urkundenbuch des Erzstifts Magde-
burg. Teil 1 (937-1192), bearb. von Friedrich Israel unter Mitwirkung von Walter Möllen-
berg (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und des Freistaates Anhalt. Neue Reihe 18), Mag-
deburg 1937, Nr. 227, S. 284; JL 7544 (1132, Febr. 17) für Clairvaux, ed. Recueil des chartes de
l'abbaye de Clairvaux, XHe siede, Fase. 1, publie par Jean Waquet, Fase. 2, publie par Jean-
Marc Roger/Philippe Grand, Troyes 1950, 1982, Nr. IV, S. 6; die Bedeutung dieser Auszeich-
nung für Bernhard wird auch durch die Aufnahme dieser Arenga in die Vita prima sancti Bem-
hardi, lib. III, auctore Gaufrido Claraevallensi, cap. 5/12, ed. Migne PL 185, Sp. 310D, unterstri-
chen. Zum - biblischen - Bild von der unübersteigbaren Mauer und seiner Verwendung bei
Innozenz II. und in der Vita prima für Bernhard von Clairvaux Adriaan Bredero, Bernhard
von Clairvaux. Zwischen Kult und Historie. Über seine Vita und ihre historische Auswertung,
Stuttgart 1996, S. 74, der aber die gleichlautende frühere »Anwendung« auf Norbert nicht er-
 
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