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Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Hehl, Ernst-Dieter [Bearb.]
Das Papsttum in der Welt des 12. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 6: Stuttgart, 2002

DOI Artikel:
Seibert, Hubertus: Autorität und Funktion. Das Papsttum und die neuen religiösen Bewegungen in Mönch- und Kanonikertum
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https://doi.org/10.11588/diglit.34720#0216

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208

Hubertus Seibert

Papst würdigte, daß Norbert und Bernhard ihre persönliche und religiöse Autorität
für seine Anerkennung in die Waagschale geworfen und damit seiner Sache zum
Sieg verholten hätten.
In beiden zitierten Fällen läuft ein nahezu identischer Vorgang ab: Es wird je-
weils auf die autoritative Stellung des Kommunikationspartners abgehoben, die
vorrangig in ihrer funktionalen Bedeutung erfaßt und genutzt wird. Beide Beispiele
akzentuieren die zentrale Rolle, die das eng aufeinander bezogene Begriffspaar
»Autorität« und »Funktion« in den Beziehungen und Handlungsweisen von Papst-
tum und neuen religiösen Bewegungen5 - worunter hier vorrangig die Zisterzienser
und Prämonstratenser in Frankreich und im Reich verstanden werden - während
des 12. Jahrhunderts spielte und wie stark es diese bestimmte und beförderte.
Doch Autorität6 allein oder vorrangig funktional zu begreifen, wie es die zitier-
ten Textbeispiele nahelegen, hieße, dem Begriff seine Komplexität zu nehmen. Im
Verhältnis von Papsttum und neuen Orden besitzt »Autorität« primär eine legiti-
mierende, affirmative Bedeutung. Sie bildet eine der entscheidenden Grundlagen
der jeweiligen Existenz und Identität, wie in einem ersten Abschnitt zum legitimie-
renden und funktionalen Gehalt von »Autorität« dargelegt wird. In einem zweiten
Schritt wird an ausgewählten Bereichen gezeigt, welchen spezifischen Stellenwert
der zweite Parameter, die »Funktion«7, im Beziehungsgefüge Papsttum - Orden be-
saß, welchen Einflüssen und Wandlungen er unterlag.
I.
Das Papsttum gründete seine »Autorität« und seinen universalen Vorrang im
12. Jahrhundert vornehmlich auf drei Prärogativen: auf den historisch begründeten
Primat, auf seinen Anspruch, einziger allgemeiner vicarius Christi zu sein, und auf

wähnt; zur Vita prima vgl. jetzt die Synthese jahrzehntelanger Beschäftigung mit Leben und
Wirken Bernhards von Dems., Bernhard, bes. S. 35-57, 65-85, 86-94 (zu Gottfried als Autor der
Vita prima).
5 Für das 12. Jahrhundert vgl. jetzt das magistrale Werk von Giles Constable, The reformation
of the twelfth Century, Cambridge 1996; ferner Alfred Haverkamp, Leben in Gemeinschaften:
alte und neue Formen im 12. Jahrhundert, in: Aufbruch - Wandel - Erneuerung. Beiträge zur
»Renaissance« des 12. Jahrhunderts, hg. von Georg Wieland, Stuttgart 1995, S. 11-44; Franz
Josef Felten, Frauenklöster und -stifte im 12. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Geschichte der Frau-
en in der religiösen Bewegung des hohen Mittelalters, in: Reformidee und Reformpolitik im
spätsalisch-frühstaufischen Reich, hg. von Stefan Weinfurter unter Mitarbeit von Hubertus
Seibert (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 68), Mainz 1992,
S. 189-300, jeweils mit zahlreichen weiterführenden Angaben.
6 Eine umfassende Studie über die Bedeutungsvielfalt von auctoritas im Mittelalter fehlt, für das
12. Jahrhundert vgl. den Überblick von Nikolaus Häring, Auctoritas in der sozialen und intel-
lektuellen Struktur des zwölften Jahrhunderts, in: Soziale Ordnungen im Selbstverständnis des
Mittelalters, hg. von Albert Zimmermann (Miscellanea Mediaevalia 12), Bd. 2, Berlin 1980,
S. 517-533; zur Autorität als »Triebfeder der scholastischen Methode« Martin Grabmann, Die
Geschichte der scholastischen Methode, 2 Bde., Freiburg 1909 u. 1911.
7 Wie sich die Untersuchung von Funktionsbestimmung und Funktionsverlust für die Ausbil-
dung und Bestandssicherung der neuen Orden und Kongregationen fruchtbar machen läßt,
zeigt Kaspar Elm, Die Bedeutung historischer Legitimation für Entstehung, Funktion und Be-
stand des mittelalterlichen Ordenswesens, in: Peter Wunderli (Hg.), Herkunft und Ursprung.
Historische und mythische Formen der Legitimation, Sigmaringen 1994, S. 71-90, bes. S. 73.
 
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